Die „Tigerin“aus Paris tritt an
Frankreich Die erste Präsidentschaftskandidatin der Konservativen hat es gegen die Rechte schwer
Die Siegerin lächelt befreit, als „Valérie“-Rufe im Saal erklingen. „Wir werden gewinnen!“skandieren ihre Anhänger. „Die republikanische Rechte ist zurück“, ruft Valérie Pécresse. Soeben haben sie Frankreichs Republikaner zur Präsidentschaftskandidatin gekürt. Die 54-Jährige setzte sich gegen vier Mitbewerber durch, in der Stichwahl gegen Rechtsaußen Éric Ciotti. Die Regionalratspräsidentin des Großraums Paris, der bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Region, vertritt eine moderate, wirtschaftsliberale Linie. Da man ihr vorwarf, „Macron-kompatibel“zu sein, griff sie den Präsidenten wegen dessen Finanzpolitik scharf an: „Er hat die Kasse abgefackelt.“
Erstmals schicken die bürgerlichkonservativen Republikaner eine Frau ins Rennen um das wichtigste Amt. Die Präsidentschaftswahl findet im April statt. „Die Zeit der Frauen ist gekommen“, betont Pécresse, die sich gern als Mischung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher bezeichnet. Sie stehe für Autorität, und sie sei „eine Frau, die handelt und die durchhält“. Merkel hat in Frankreich einen exzellenten Ruf. Pécresse erreicht in Umfragen bisher nur rund zehn Prozent und liegt hinter Emmanuel Macron, der Rechtspopulistin Marine Le Pen und dem rechtsextremen Journalisten
Éric Zemmour. Kann ihr die Aufholjagd gelingen?
Nahestehende bezeichnen sie als pragmatisch und ambitioniert. Sie nennen sie „Tigerin“, was sich auf ihren Namen reimt: „Pécresse – la tigresse“. In der öffentlichen Meinung gilt sie eher als steif und unnahbar. Sie schirme ihr Privatleben ab, um ihre drei Kinder und ihren Mann zu schützen, verriet sie gerade in einer Sendung, in der fünf Politikerinnen über Persönliches plauderten – darunter ihre Mitbewerberinnen Le Pen und Anne Hidalgo, Paris’ sozialistische Bürgermeisterin.
In ihrem Programm setzt Pécresse vier Schwerpunkte: eine strikte Einwanderungspolitik mit Quoten, erhöhte Investitionen für die innere Sicherheit, eine Reduzierung der öffentlichen Ausgaben und der Schulden sowie mehr Hilfen für Familien und alleinerziehende Mütter.
Die Politikerin stammt aus einem gutbürgerlichen katholischen Elternhaus, studierte an Elitehochschulen und lebt in Versailles. Mit 31 Jahren begann sie als Regierungsberaterin bei Präsident Jacques Chirac, der als ihr Mentor galt. Sie arbeitete als Sprecherin der Republikaner, Präsident Nicolas Sarkozy machte sie 2007 zur Ministerin und später Regierungssprecherin. 2015 wurde Pécresse zur Regionalratspräsidentin der zuvor sozialistisch regierten Hauptstadtregion gewählt. Ihr gelang in diesem Jahr die Wiederwahl, was ihr nun den Weg zur Präsidentschaftskandidatur bereitete.
So ruhen auf ihr die Hoffnungen der Republikaner, wieder eine starke Volkspartei zu werden. Doch die Konservativen agieren im Schatten der Rechten, die in Frankreich stark den Wahlkampf bestimmen – vor allem mit den Themen Migration und Umgang mit Muslimen. Dem dürfte sich Pécresse kaum entziehen können. Als ersten Punkt forderte sie einen „Stopp der aktuellen Einwanderung“, um „unsere Lebensart zu schützen“. Das klingt mehr nach Le Pen als nach Merkel.