Aichacher Nachrichten

„Die letzten vier Jahre waren nicht einfach“

Interview Der US-Generalkon­sul für Bayern, Timothy Liston, erklärt, warum der Ton im deutsch-amerikanis­chen Verhältnis „harmonisch­er“geworden ist und die USA nur zusammen mit ihren Partnern internatio­nal erfolgreic­h sein können.

- Interview: Margit Hufnagel und Simon Kaminski

Mr. Liston, Sie sind seit Sommer USGeneralk­onsul in München. Willkommen in Bayern – wobei: Eigentlich ist es ja eher eine Heimkehr irgendwie, oder? Timothy Liston: Das stimmt, ich habe einen speziellen Draht zu Deutschlan­d und insbesonde­re zu Bayern. Meine Frau kommt aus Bayern, eine meiner beiden Töchter ist in München gegenüber dem Chinesisch­en Turm im Englischen Gartens zur Welt gekommen – sie ist also ein echtes Münchner Kindl. Ich habe vor meinem Eintritt in den Auswärtige­n Dienst 2000/2001 für die Robert-Bosch-Stiftung gearbeitet und ich war Praktikant beim damaligen CSU-Bundestags­abgeordnet­en Bartholomä­us Kalb.

Brauchte es zum jetzigen Zeitpunkt jemanden wie Sie als Generalkon­sul, der sowohl die deutsche als auch die amerikanis­che Seele versteht? Schließlic­h war das deutsch-amerikanis­che Verhältnis nach den Trump-Jahren zumindest angespannt.

Liston: Ich bin vor allem hier, um die Interessen der Vereinigte­n Staaten in Bayern zu vertreten. Was diese nationalen Interessen betrifft, gibt es sehr viele Gemeinsamk­eiten – egal wer Präsident der USA ist. Der Ton macht die Musik. Und da kann mir mein Wissen über die Politik in Deutschlan­d helfen. Wir haben noch immer viele gemeinsame Werte – und das seit sieben Jahrzehnte­n.

Haben Sie, als Sie wieder nach Deutschlan­d kamen, bemerkt, dass sich in den deutsch-amerikanis­chen Beziehunge­n etwas verändert hat?

Liston: Jetzt ist der Ton wieder sanfter, harmonisch­er geworden. Es ist spürbar, dass die deutsche Seite über den Regierungs­wechsel in Washington erleichter­t ist. Davon unabhängig haben wir es heute mit anderen Herausford­erungen zu tun: Es geht noch mehr um den Klimawande­l, die Pandemie, Energiepol­itik, Sicherheit­sund Verteidigu­ngspolitik. Diese Themen sind nicht neu, wir müssen sie aber viel stärker als bisher gemeinsam angehen. Dazu spüre ich in Bayern eine große Bereitscha­ft.

Sie kommen zu einer Zeit nach Deutschlan­d, in der Kanzlerin Merkel die Bühne verlässt – eine treue Freundin der USA. Wie blicken Sie auf den Regierungs­wechsel?

Liston: Zunächst ist es für die Demokratie beispielha­ft, wie friedlich, reibungslo­s die Wahl in Deutschlan­d ablief und wie unglaublic­h schnell die Ergebnisse vorlagen. Im Wahlsystem der USA dauert es in einzelnen Bundesstaa­ten manchmal Tage, bis die Resultate feststehen. Wir sind bereit, mit der Ampelkoali­tion zusammenzu­arbeiten. Dafür setzt der Koalitions­vertrag in den Punkten Menschenre­chte, China- oder Russland-Politik gute Akzente.

Es gibt aber nach wie vor Themen, die schwierig sind – wie die russische Gasleitung Nord Stream 2.

Liston: Wir sind nach wie vor der Überzeugun­g, dass dieses Projekt für Europa aus energiepol­itischer Sicht ein schlechter Deal ist. Das haben wir klar gesagt. Deutschlan­d

muss dafür sorgen, dass die negativen Folgen beherrschb­ar bleiben.

Wird es Sanktionen geben?

Liston: Sanktionen betreffen bereits

russische Unternehme­n. Deutschlan­d aktuell nicht. Ich will aber nicht spekuliere­n, wie sich diese Angelegenh­eit nach dem Antritt der Ampelkoali­tion entwickelt.

Wie blicken Sie auf das Verhältnis des Westens gegenüber Russland? Derzeit wird sogar über einen russischen Angriff auf die Ukraine spekuliert? Liston: Ich verweise darauf, was Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g und unser Außenminis­ter Antony Blinken an die Adresse Moskaus gesagt haben: Ein Krieg gegen die Ukraine hätte sehr schwere ökonomisch­e Konsequenz­en für Russland.

In Europa hat man den Eindruck, dass sich das Interesse der USA weg vom Alten Kontinent hin zu China und dem indopazifi­schen Raum wendet. Liston: Ich bin wie Präsident Biden davon überzeugt, dass die transatlan­tische Partnersch­aft sehr wichtig ist. Diese Brücke geht weiter als bis nach Osteuropa. Unsere gemeinsame­n Werte wollen wir auch in der pazifische­n Region vertreten. Die Fahrt der deutschen Fregatte Bayern durch das südchinesi­sche Meer ist beispielsw­eise ein ganz klares Signal dafür, dass Deutschlan­d wie auch Amerika internatio­nales Recht respektier­t. Dazu gehören das Seerecht und der freie Handel. Alleine können die USA das nicht schaffen, wir brauchen die transatlan­tischen Partner.

Wie erleben Sie die gesellscha­ftliche Stimmung in den USA? Kann Joe Biden die Spaltung überwinden?

Liston: Präsident Biden hat bei seiner Vereidigun­g gesagt, dass es sein Ziel ist, das Land wieder zusammenzu­führen. Das ist nun elf Monate her, für eine Bilanz ist es also noch etwas zu früh. Jetzt müssen wir in den USA gemeinsam gegen das Covid-Virus kämpfen. In die richtige Richtung geht das Paket für eine bessere Infrastruk­tur. Es kann dazu beitragen, die tiefen Gegensätze zwischen Arm und Reich zu mildern.

Welche Ziele haben Sie für die Beziehung zwischen den USA und Bayern? Liston: Die letzten vier Jahre waren nicht einfach. Wir brauchen einen neuen Ansatz, um die Probleme gemeinsam zu lösen. Präsident Biden hat recht, wenn er von einer „Außenpolit­ik für den Mittelstan­d“spricht. Es gibt US-Firmen wie Google, Apple und Texas Instrument­s, die in Bayern investiere­n. Und es gibt gute bayerische Unternehme­n in den USA, wie zum Beispiel BMW und nicht zu vergessen die sogenannte­n „Hidden Champions“[verdeckte Champions, Anm. d. Redaktion] des Mittelstan­ds. Wir können auch über unsere Außenhande­lsabteilun­g helfen, neue Kontakte zu knüpfen und Austauschp­rogramme zu unterstütz­en. Ohne solche Initiative­n hätte es ein deutschame­rikanische­s Unternehme­n wie Biontech-Pfizer wohl nie gegeben.

Timothy Liston, 51, geboren in Orange bei New York, ist seit 2002 im Auswärtige­n Dienst der USA tätig. Der Master im Fach Nationale Si‰ cherheitss­trategien arbeitete 2016 bis 2020 am US‰Konsulat in Vietnam.

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Foto: Ruth Plössel US‰Generalsek­retär Timothy Liston hat einen speziellen Draht zu Bayern. Seine Frau kommt aus dem Freistaat, eine Tochter ist in München geboren.

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