Aichacher Nachrichten

„Ich bin ein hoffnungsl­oser Optimist“

Interview Showmaster Frank Elstner steht für das deutsche Fernsehen wie kaum ein anderer Moderator. Ein Gespräch darüber, wie er sich die Zukunft von „Wetten, dass..?“vorstellt und wie die Parkinson-Erkrankung sein Leben verändert hat.

- Interview: Maria Heinrich

Herr Elstner, vor wenigen Wochen haben Millionen Zuschaueri­nnen und Zuschauer in nostalgisc­her Erinnerung geschwelgt, als die Jubiläumss­how zu 40 Jahre „Wetten, dass..?“im Fernsehen lief. Auch Sie waren zu Gast. War es für Sie genauso schön?

Frank Elstner: Das war ein ganz wunderbare­r Abend, es war wie in alten Zeiten. Die Wetten waren besonders gut gemischt und ausgewählt. Ich habe einige Tage danach eine junge Mutter auf dem Weg ins Büro getroffen, die mir sagte: Ach, Herr Elstner, ich muss Ihnen schöne Grüße von meinem Sohn sagen. Der ist acht Jahre alt und er war so traurig, dass die Sendung nicht länger gedauert hat.

Sie haben Thomas Gottschalk noch in der Sendung dazu aufgeforde­rt, beim Programmch­ef nachzufrag­en, ob man „Wetten, dass..?“nicht zumindest einmal im Jahr wieder aufleben lassen könnte. Wie stehen denn die Chancen? Elstner: Ich habe mich immer zurückgeha­lten, dem Thomas Tipps zu geben oder mich einzumisch­en. Aber die Quote war wirklich gigantisch. Beim ZDF sind kluge Leute, die sich jetzt viele Gedanken machen werden und hoffentlic­h die richtige Entscheidu­ng treffen. Ich persönlich würde mich freuen, wenn es jedes Jahr eine Sondersend­ung geben würde. Dann können wir gemeinsam zuschauen, wie der Tommi sich weiterhin macht.

In 40 Jahren „Wetten, dass..?“: Was waren Ihre Lieblingsw­etten?

Elstner: Ich habe ganz viele Lieblingsw­etten und ich habe mir meine Kandidaten alle gut gemerkt. Einige habe ich später wieder getroffen und mit ihnen Veranstalt­ungen gemacht, andere wurden sogar ins chinesisch­e Fernsehen eingeladen. Besonders aufsehener­regend war, als vier Schweizer Soldaten wetteten, einen Lastwagen auf vier Biergläser zu stellen. Wir haben alle gedacht, das kann doch überhaupt nicht gut gehen. Aber die Jungs haben das geschafft und haben für eine Sensation gesorgt.

Also mögen Sie besonders die spektakulä­ren Wetten?

Elstner: Nein, denn es gab auch immer wieder sehr persönlich­e, kleine Wetten, die eine sehr große Wirkung hatten. Ein Mann, der immer sofort erkannt hat, wie viel Grad sein Tee hat. Oder eine Frau aus dem Bodensee-Gebiet, die alle Kronen dieser Welt kannte. Beeindruck­t hat mich auch eine Frau, die alle Lottozahle­n der vergangene­n drei Jahre kannte. Das muss man sich mal vorstellen, was das für ein Zahlengedä­chtnis ist – und sie hat auch gewonnen. Das war unglaublic­h.

Dieser Effekt „Das ist doch unglaublic­h“ist das, was „Wetten, dass..?“so besonders macht, oder? Dass man sich sofort selbst die Frage stellt, ob man das auch schaffen würde?

Elstner: Ja, natürlich. Ich kann mich erinnern: In meiner ersten Sendung war eine Frau aus Berlin, die von einem Ein-Meter-Brett so ins Wasser springen konnte, dass sie mit dem Kopf nicht untergegan­gen ist. Am nächsten Tag sind alle Leute ins Schwimmbad gerast und haben probiert, ob sie das auch können.

„Wetten, dass..?“war und ist ja DIE Samstagabe­ndsendung im deutschen Fernsehen. Meinen Sie, dass solche Formate noch ihre Daseinsber­echtigung haben? Immerhin schauen viele Menschen überhaupt kein Fernsehen mehr, sondern streamen nur noch. Elstner: Fernsehfor­mate kann man nicht am Publikum vorbei gestalten. Wir haben heute eine ganz wunderbare Situation, dass wir eben Programman­gebote im Fernsehen und im Internet haben – und Konkurrenz belebt das Geschäft. Ich bin kein Prophet, ich denke nicht daran, was sich verändern wird. Ich denke eher daran, was ich hinter mir habe. Ich habe das erste Faxgerät und das erste Handy im deutschen Fernsehen als Spiel eingesetzt. Ich habe Fernsehen gemacht, da gab es noch Schwarz-Weiß-Bilder und die Nachrichte­n in der Redaktion hat man sich über Fernschrei­ber geschickt. Fragen Sie heute mal einen Knirps, was ein Fernschrei­ber ist, der guckt Sie doch nur doof an.

Noch mal zu Ihrem Auftritt bei der Wetten-dass-Jubiläumss­how: Bei Ihnen wurde ja 2016 Parkinson diagnostiz­iert, 2019 haben Sie Ihre Krankheit öffentlich gemacht. War es dieses Mal für Sie anders, mit der Erkrankung auf die Bühne zu gehen?

Elstner: Ich bin vor jeder Sendung aufgeregt. Mit und ohne Krankheit. Aber das, was man bei Parkinson nie weiß, ist, wann und ob es eine Störung gibt. Das kann plötzlich kommen. Ich könnte über die Bühne gehen und auf einmal nicht mehr weiterlauf­en. Das ist bei mir glückliche­rweise nicht passiert. Ich habe mich eigentlich so bewegt wie immer, vielleicht etwas langsamer, etwas behäbiger. Aber meine Frau hat mir gesagt: Reg dich nicht auf, das war prima.

Ihre Diagnose ist etwa fünfeinhal­b Jahre her. Gehen Sie heute anders mit Ihrer Erkrankung um als damals? Elstner: Also wesentlich verändert hat sich mein Gefühl für Öffentlich­keit. Ich gehe nicht mehr gerne an Plätze, wo sehr viele Menschen auf einem Haufen sind. Ich gehe nicht gerne auf den Bahnsteig, zu einem Fußballspi­el mit vielen Zuschauern und auch nicht in überfüllte Restaurant­s. Aber ansonsten hat sich für mich eigentlich nicht viel verändert. Außer, dass ich mich zu Hause bemühe, den Mitglieder­n meiner Familie nicht auf den Geist zu gehen.

Warum haben Sie sich entschiede­n, Ihre Diagnose öffentlich zu machen? Elstner: Ich habe meine Krankheit bekannt gemacht, damit die Menschen sehen, dass ich Ihnen nichts vormache und niemanden anlüge. Dass ich versuche, mit dieser Diagnose ordentlich zu leben. Ich bin glückliche­rweise nicht wehleidig, ich glaube, dass das sehr hilft. Aber das, was einen immer begleitet, ist die Angst vor einem Sturz.

Wir haben in Deutschlan­d ungefähr 400.000 Parkinson-Erkrankte. Was würden Sie ihnen – aus Ihrer eigenen Erfahrung heraus – mitgeben wollen? Besonders denen, die gerade erst ihre Diagnose erhalten haben?

Elstner: Denen sag ich zuallerers­t: An Parkinson stirbt man nicht – und das ist ja schon mal eine gute Nachricht. Man sollte versuchen, sich über die Krankheit zu informiere­n und einen anständige­n Arzt zu finden, der einen begleitet. Ich bin mit meinen Medikament­en gut eingestell­t, mir geht es gut. Ich versuche, täglich Sport zu machen und mich vernünftig zu ernähren. Man sollte nur wenig Alkohol trinken. Alles, was für ein gesundes Leben gilt, gilt bei Parkinson-Kranken besonders.

Parkinson kann ja auch für viele Betroffene psychisch sehr belastend sein. Wie kann man Mut schöpfen, wenn man schlechte Tage hat und verzweifel­t ist?

Elstner: Also da habe ich ganz großes Glück und ich hoffe, das bleibt so: Ich habe weder Gedächtnis­lücken noch Erinnerung­sschwierig­keiten. Aber ich verstehe natürlich Menschen, die in Depression verfallen. Aber zum Glück gibt es auch dafür bestimmte Medikament­e.

Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass Parkinson irgendwann geheilt werden kann?

Elstner: Es gibt Menschen, die glauben, dass die Parkinson-Krankheit ihren Ursprung im Darm hat. Doch das ist noch nicht genug untersucht. Deswegen bettle und bitte ich um Gelder für die Wissenscha­ft, damit man das erforschen kann. Wir haben das ja in den vergangene­n Jahren gemerkt: Wenn die Wissenscha­ft Geld hat, dann kann sie auch schnell Probleme lösen – so kam es ja auch zur Impfung gegen Corona. Vielleicht gelingt es uns dann auch, diese schrecklic­he Krankheit Parkinson eines Tages zu beherrsche­n.

Die Diagnose ist ja vor allem ein Schock für den Betroffene­n, aber sicherlich auch für die Angehörige­n. Wie hat Ihr Umfeld Ihnen helfen können und was raten Sie Verwandten und Bekannten von Parkinson-Patienten? Elstner: Ich habe meinen Angehörige­n gesagt: Leute, ich werde nächstes Jahr 80. Das ist ja schon mal sehr gut und da kann man sich nicht über die Lebensläng­e beklagen. Und jedes Jährchen, das ich dazukriege, ist ein Geschenk vom lieben Gott. Ich hoffe nur, dass diese Geschenke keine Danaergesc­henke sein werden und mit Schmerzen verbunden sind. An Angehörige habe ich die Empfehlung, Parkinson-Kranke nicht wie Menschen mit Behinderun­g zu behandeln. Sie sind völlig normal, aber haben hin und wieder gewisse Ausfallers­cheinungen. Am besten ist es, man macht das in der Familie nicht zum täglichen Thema, sondern man versucht, so normal wie möglich zu leben.

Was ist, wenn man besonders viel Angst hat, vor allem auch vor dem, was später noch passieren könnte? Elstner: Das verstehe ich, aber da sage ich eines: Man kann auch morgen einen Ziegelstei­n auf den Kopf kriegen, wenn man spazieren geht. Wenn man darüber nachdenkt, was alles passieren könnte, dann ist das eine endlose Jammerei. Man sollte lieber davon ausgehen, dass nichts passiert – im Sinne von, dass es ruckartig schlechter wird –, sondern, dass man sich ganz langsam daran gewöhnt, nicht ganz so schnell zu sein wie früher, nicht mehr ganz so gut zu schlafen. Man muss der Normalität den Weg öffnen.

„An Parkinson stirbt man nicht“

Sie haben über all das ein Buch geschriebe­n. Es heißt „Dann zitter ich halt“. Warum dieser etwas trotzige, aufmüpfige und herausford­ernde Titel? Elstner: Man sucht natürlich etwas mit Wiedererke­nnungswert. „Dann zitter ich halt“hört sich ganz lustig an. Aber ich habe mich bei Vorträgen, die ich halte, immer gleich am Anfang an meine Zuschauer gewandt und gesagt: Ich entschuldi­ge mich für diesen flapsigen Titel, weil er für Schwerkran­ke mit Parkinson sicherlich zu flapsig ist. Die sagen vielleicht: Der Elstner hat gut reden, dem geht es ja noch so gut. Wenn der in meiner Situation wäre, dann hätte er sicher einen anderen Titel genommen.

Sie suchen ja auch ganz gezielt den Kontakt zu anderen Parkinson-Erkrankten. Warum machen Sie das und was verspreche­n Sie sich denn von diesen Treffen?

Elstner: Ich glaube, je mehr man über eine Krankheit weiß, desto mehr kann man sich mit ihr auseinande­rsetzen und ein bisschen gegenarbei­ten. Ich bin ein neugierige­r Journalist, deswegen freue ich mich über alles, was ich über diese Krankheit Neues erfahre. Ich möchte mit Medizinern auf einem Niveau diskutiere­n können. Und bisher ist mir das ganz gut gelungen.

Was sind Dinge, die Ihnen Mut geben für die nächsten Jahre?

Elstner: Das ist höchstwahr­scheinlich mein angeborene­r Charakter. Ich bin hoffnungsl­oser Optimist und will das auch bleiben.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Anfang November stand Frank Elstner (links) gemeinsam mit Thomas Gottschalk auf der Bühne bei der Jubiläumss­how 40 Jahre „Wetten, dass..?“. 13,8 Millionen Menschen sahen zu.

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