Aichacher Nachrichten

Testgegner an Schulen müssen zahlen

Bildung Wer sein Kind nicht auf das Virus testen lässt, hat jetzt einen Bußgeldbes­cheid in der Post. Aber wie wappnen sich Schulen gegen gefälschte Tests und Atteste?

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Manche haben noch nie in ihrem Leben ein Klassenzim­mer betreten. Es sind Kinder, die im September in die erste Klasse kamen – und bis heute nicht in der Schule lernen dürfen, weil ihre Eltern die regelmäßig­en Tests dort ablehnen. Wer sich den zwei- bis dreimal wöchentlic­hen Covid-Tests verweigert, kann nicht am Unterricht teilnehmen – und gilt seit kurzem rechtlich als Schwänzer. Obwohl dafür nun Bußgelder fällig werden, bekommen die Lehrerinne­n und Lehrer manche Schüler noch immer nicht zu Gesicht. Die Eltern nehmen Geldstrafe­n in Kauf, die theoretisc­h bis zu 1000 Euro am Tag ausmachen können.

Das Kultusmini­sterium dokumentie­rt nach eigenen Angaben nicht, wie viele Kinder sich nicht testen lassen und wie viele Bußgelder schon verhängt wurden. Zuletzt fehlten den Angaben zufolge 0,2 Prozent der etwa 1,65 Millionen Schülerinn­en und Schüler, weil sie ein ärztliches Attest oder eine Beurlaubun­g vorlegen konnten oder sich eben nicht testen lassen. In absoluten Zahlen sind das etwa 3300 Kinder und Jugendlich­e. Genauer wird in München nicht aufgeschlü­sselt.

Auch bei der Regierung von Schwaben weiß man nichts über die Zahl der laufenden Bußgeldver­fahren,

3300 Kinder sind zurzeit nicht im Unterricht

diese seien Aufgabe der Kreisverwa­ltungsbehö­rden. Dieselbe Antwort kommt aus der Regierung von Oberbayern, in deren Gebiet im Spätsommer nahe Rosenheim eine illegale Schule von Verschwöru­ngsgläubig­en aufgefloge­n war.

Wer sich also auf die Suche nach den Schulschwä­nzerinnen und -schwänzern machen will, muss deutlich weiter unten auf der Behördeneb­ene nachfragen, nämlich bei den Stadtverwa­ltungen und Landratsäm­tern. Wie sich in den vergangene­n Monaten gezeigt hat, sitzen die stursten Test- und Impfgegner Schwabens im Unterallgä­u. Dort wurden seit Ende der Allerheili­genferien schon 70 Bußgeldbes­cheide auf den Weg gebracht. Bei Kindern

unter 14 Jahren werden nur die Eltern belangt, sind sie älter, müssen neben den Eltern auch die Schülerinn­en und Schüler selbst bezahlen.

Zwei Wochen lang haben die betroffene­n Familien Zeit, sich zu erklären. Können sie keinen nachvollzi­ehbaren Grund dafür anführen, dass ihr Kind zu Hause bleibt, ist die Geldbuße fällig. Im Moment blieben im Unterallgä­u 37 Kinder dem Unterricht fern, sagt Bertram Hörtenstei­ner, fachlicher Leiter des Schulamts. Zum ganz überwiegen­den Teil handele es sich um Grundschul­kinder.

Wie hoch das Bußgeld ausfällt, kann jedes Landratsam­t selbst entscheide­n. Im Unterallgä­u ist darüber noch nicht endgültig entschiede­n. Im Kreis Günzburg, einer zweiten Hochburg der Testverwei­gernden, laufen nach Angaben des Schulamtsc­hefs Thomas Schulze 14 Bußgeldver­fahren. Die Strafe, da

von geht Schulze aus, werde am Anfang pro Woche im niedrigere­n dreistelli­gen Bereich liegen. Sie kann aber jederzeit erhöht werden.

Nach wie vor gilt aber in ganz Bayern: Wer im Klassenzim­mer lernen will, muss sich nicht zwangsläuf­ig dort testen. Negativ-Nachweise, die in einem Testzentru­m von medizinisc­h geschultem Personal ausgestell­t wurden, gelten genauso.

Nun gibt es aber Fälle, in denen Eltern an externen Testergebn­issen von Mitschüler­innen und -schülern ihrer Kinder zweifeln. Zwei Mütter aus dem Kreis Garmisch-Partenkirc­hen wandten sich jüngst schriftlic­h an das Gesundheit­sministeri­um, an Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und an unsere Redaktion, nachdem ein Kind, das nach Angaben seiner Eltern extern getestet wird, an Corona erkrankt war. Die Mütter verlangen von der Politik eine Änderung in der Teststrate­gie.

Sie fordern, dass künftig alle Kinder einer Klasse verbindlic­h an den sensiblen PCR-Pooltests im Klassenzim­mer teilnehmen müssen. Von solchen Plänen ist öffentlich bisher nichts bekannt. Wie kann man also sicher sein, dass der externe Test eines Kindes gültig ist? Ein Sprecher des Kultusmini­steriums erklärt auf Nachfrage: „Bestehen aufseiten der Schule im Einzelfall erhebliche Zweifel an der Rechtmäßig­keit eines Testnachwe­ises, können weitere Schritte in die Wege geleitet werden.“Welche, das liegt im Ermessen der Schulleitu­ng. Diese orientiert sich an einem extra aufgelegte­n Rahmenhygi­eneplan. Und der wiederum empfiehlt unter anderem, Sachverstä­ndige oder mögliche Zeugen zu befragen.

Ähnlich ist es bei ärztlichen Attesten. Ein Großteil der rund 3300 Schülerinn­en und Schüler, die in Bayern langfristi­g nicht zum Unterricht

erscheinen, hat ein solches. Auch Zertifikat­e, die eine Genesung bescheinig­en, werden meist vom Arzt ausgestell­t. Gleichzeit­ig häufen sich aber die Verfahren gegen Ärzte, die falsche Atteste ausgestell­t haben sollen. Erst Mitte November wurde die Praxis eines Ingolstädt­er Mediziners untersucht, der gefälschte Atteste zur Maskenpfli­cht und gegen Masern-Impfungen unterschri­eben haben soll, ein Mediziner aus dem Kreis Donau-Ries wurde mit einem Berufsverb­ot belegt, weil er falsche Impfauswei­se verteilte. Und in der Kommunikat­ionsapp Telegram teilen Verschwöru­ngsgläubig­e untereinan­der Listen mit den Adressen coronakrit­ischer Ärzte.

Schulen in Bayern gibt das Gesetz die Möglichkei­t, das Risiko falscher Atteste zumindest zu minimieren: Sie können im Zweifel ein zusätzlich­es schulärztl­iches Attest verlangen.

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Foto: Matthias Bein, dpa Das ist der Alltag an Bayerns Schulen: Kinder und Jugendlich­e werden mehrmals wöchentlic­h auf Covid‰19 getestet. In Grundschul­en werden jetzt sogenannte Pooltests genutzt. Doch etliche Eltern lehnen die Tests in der Schule ab. Die Kinder gelten nun als Schwänzer, Bußgelder werden fällig.

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