Krisenmanager 2.0
Sportpolitik Thomas Weikert möchte das Amt des DOSB-Präsidenten und die Aufgaben des Dachverbandes neu definieren. Der Hörmann-Nachfolger schlägt gleich mal forsche Töne an.
Weimar/Kempten Es heißt ja nicht umsonst „Die hohe Kunst der Diplomatie“. Thomas Weikert ist eigentlich ein erfahrener Sportfunktionär. Als langjähriger Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes und zuletzt sieben Jahre als Weltverbandschef hat er genug Erfahrungen gesammelt mit allzu schnellen Schritten und dem berühmt-berüchtigten rutschigen Parkett.
Die Experten sind sich nicht einig, ob sich Weikert gleich am ersten Tag seiner Amtszeit als Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) die ersten verbalen Ausrutscher erlaubte – oder ob er einfach nur klare Kante zeigte.
Der 60-jährige Jurist aus dem hessischen Limburg an der Lahn, der als Anwalt für Familienrecht prädestiniert dafür scheint, die zerstrittene deutsche Sportfamilie wieder zu versöhnen, gab sich – solange er jedenfalls ein Manuskript vor sich liegen hatte – diplomatisch zurückhaltend. Er bestach mit klar formulierten Zielen und seinem Versprechen, „mit Respekt und Demut“an die Aufgabe heranzugehen, den krisengeschüttelten Sportverband einen Neustart zu verpassen.
Seine überwältigende Mehrheit von 361 Stimmen (87 Prozent) gegen die deutsche Fechtpräsidentin Claudia Bokel (56 Stimmen) wertete Weikert sowohl als „Bürde“als auch als „tolle Unterstützung“, sowohl sein Amt als auch die Aufgaben der Dachorganisation mit rund 27 Millionen Mitgliedern in 90.000 Vereinen neu zu definieren.
Später, als er sich im Weimarer Kongresszentrum erstmals in seiner neuen Funktion den Fragen der Medien stellte, sorgte der neue Orchesterdirigent aber auch für die ersten kleinen Misstöne.
Die Politiker in Berlin jedenfalls, die er künftig viel stärker miteinbeziehen möchte in die Fortentwicklung des deutschen Sports, dürften sich etwas gewundert haben, mit welchen Mitteln der neue mächtige Mann im deutschen Sport künftig seine Ziele erreichen will. Gefragt danach, wie er denn dazu stehe, dass die Grünen-Chefin Annalena Baerbock kürzlich einen Olympia-Boykott für die Spiele in Peking ins Gespräch gebracht hatte, raunzte Weikert: „Frau Baerbock soll die Kirche
einfach mal im Dorf lassen. Das sage ich mal ganz deutlich. Ein Boykott hat noch nie jemandem was gebracht. Das wäre wirklich unfair gegenüber den Athleten, die sich jetzt so lange vorbereitet haben.“
Inhaltlich mag er damit ja recht haben, doch dieses Beispiel zeigt: Der neue Krisenmanager des deutschen Sports betrat mit seiner Inthronisierung ein riesiges Minenfeld. Die Beziehungen zu den 100 nationalen Spitzenverbänden müssen ebenso verbessert werden wie das zerrüttete Verhältnis zum Internationalen Olympischen Komitee mit Thomas Bach an der Spitze.
Auch die Aufarbeitung der letzten sieben Monate, in denen der DOSB nicht mehr aus den Negativschlagzeilen kam, wird Weikert schnell angehen müssen. Dazu sollen rasch Gespräche mit den Mitarbeitern in der DOSB-Zentrale in Frankfurt folgen – und, wie Weikert unserer Redaktion bestätigte, auch ein baldiges Übergabegespräch mit seinem Vorgänger Alfons Hörmann. „Ob er mich oder ob ich ihn anrufe, weiß ich noch nicht, aber natürlich müssen wir noch einiges besprechen. Ich habe da keine Berührungsängste“, sagte Weikert.
Am späten Samstagabend zeigte sich Weikert im ZDF-Sportstudio deutlich distanzierter zu seinem Vorgänger. Als Moderator Jochen Breyer mehrere Sätze aus dem Hörmann-Interview der Allgäuer Zeitung zitierte, mit denen er seine Intrigenund Umsturztheorien noch einmal bekräftigt hatte, sagte Weikert: „Ich kann das nicht sehen und ich weiß auch nicht, wie er darauf kommt. Ich denke, da hat Herr Hörmann ein wenig überzogen.“
Beim strittigen Punkt Entlastung des alten Vorstandes (übrigens wurden drei weitere bisherige Vorstandsmitglieder abgewählt) sah sich Weikert trotz des deutlichen Votums der Mitglieder bemüßigt, eines klarzustellen: Dass die Entlastung nämlich ausschließlich für das Geschäftsjahr 2020 gelte. Die umstrittenen hohen Anwaltskosten, die das alte Präsidium um Hörmann zuletzt verursacht haben könnte, würden erst in einem Jahr berücksichtigt. Sein Vorgänger Hörmann, der unserer Redaktion versicherte, er sehe diesen Haftungsfragen gelassen entgegen, sei also mitnichten schon aus der Verantwortung.