Warum der Gartenbauverein so gefragt ist
Hobby
Seit 125 Jahren gibt es den Verein in Bergheim – und er hat im Gegensatz zu anderen keine Nachwuchssorgen. Die Mitglieder helfen sich nicht nur bei Pflanzenfragen. Warum neben Apfelsaft auch Ortsgeschichte gefördert wird.
Die Saftpresse ist das Teil, mit dem man als Innenstädter die Obst- und Gartenbauvereine in den ländlich geprägten Stadtteilen zumindest vom Hörensagen in Verbindung bringt. Immer im Spätsommer heißt es auch in Meldungen unserer Zeitung, dass man sein Obst zum Versaften bei den Vereinen vorbeibringen kann. In Bergheim geht das organisiert seit mehr als 70 Jahren so – der Obst- und Gartenbauverein feiert dieses Jahr sein 125-jähriges Bestehen. Doch der Zusammenschluss ist für den Stadtteil wesentlich mehr als Obstsaft und Gartentipps, betont die Vorsitzende, Stadträtin Beate Schabert-Zeidler (Pro Augsburg).
Der Obst- und Gartenbauverein ist in Bergheim im Dorffreundehaus, der ehemaligen Freiwilligen Feuerwehr, untergekommen. Auch wenn die Gartenfreunde weniger Mitglieder haben, können sie auf eine längere Tradition zurückblicken – und sind deshalb auch die Hüter der Bergheimer Geschichte, wie Schabert-Zeidler berichtet. Der ehemalige Vereinsvorsitzende und Bürgermeister der Gemeinde Bergheim, Georg Kuhn, hatte die Kulturund Heimatpflege in die Vereinssatzung aufgenommen und sein historisches Archiv dem Verein übergeben. Heute lagern die Dokumente, Urkunden und alten Landkarten im ersten Stock des Dorffreundehauses und stehen Heimatund Hobbyforschern zur Verfügung, so Schabert-Zeidler. Auch für die Chronik, die zum 125-jährigen Bestehen entstanden ist, konnte die Vereinsvorsitzende aus den alten Dokumenten schöpfen.
Der Wunsch nach einer „gezielten Weiterentwicklung und Verbesserung des Obstbaus“hatte Ende der Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts zur Gründung des Bergheimer
Obst- und Gartenbauvereins geführt, ist dort zu lesen. „Man muss sich in die Zeit zurückversetzen, es gab nicht vielzählige Medien, von denen man mit allen möglichen und auch unmöglichen Dingen überschüttet wurde, ja die meisten Leute konnten sich nicht einmal eine Zeitung leisten“, begründet die Chronik auch das Bedürfnis nach Geselligkeit und Wissensaustausch im Verein. „Der Grundgedanke lag
darin, jedem Interessierten das nötige Wissen zu vermitteln.“
Obwohl man heute auch Gartenwissen ohne Schwierigkeiten aus dem Internet beziehen kann, hat der Verein nach wie vor regen Zulauf – vor allem auch von jüngeren Leuten, sagt Schabert-Zeidler. Die gehen mit ihren „Pflanzensorgen“zu erfahrenen Mitgliedern und holen sich Tipps aus erster Hand. Aber auch die jüngsten Bergheimer werden
mit einbezogen. So dürfen die Bergheimer Kindergartenkinder schon mal eine „Pizza anpflanzen“(Tomaten, Oregano und Basilikum) und gemeinsam mit den Großen Pizzateig belegen, backen und natürlich verspeisen. Die Erwachsenen treffen sich regelmäßig zu Exkursionen ins nähere und weitere Umland, um dem Vereinszweck der Umweltbildung nachzugehen. Wenn der Maibaum in Bergheim aufgestellt wird, treffen sich die Frauen des Vereins, um gemeinsam die Kränze dafür zu binden.
2020 hatte der Verein 256 Mitglieder – die dritthöchste Zahl seiner Geschichte. Damit steht er im ganzen Stadtgebiet einzigartig da – die wenigen Gartenbauvereine, die es noch gibt, haben mit starkem Mitgliedermangel zu kämpfen, sagt Schabert-Zeidler: „Früher hatten fast alle Ortsteile, die nach Augsburg eingemeindet wurden, eigene Obst- und Gartenbauvereine“.
Weil es in Bergheim viele Gärten mit Obstbäumen gibt, sind im Herbst viele fleißige Hände damit beschäftigt, an den Wochenenden Saft zu pressen. Äpfel, Birnen und Quitten dürfen gebracht werden – mindestens ein Zentner Obst sollte es sein, damit sich der Aufwand fürs Pressen lohnt, sagt die Organisatorin der Presse und Vereinsschatzmeisterin Christine Lechner. „Einmal haben wir für einen älteren Herrn auch Trauben gepresst – den Dreck tun wir uns nicht mehr an“, sagt sie. Die Bergheimer haben investiert und sich eine Pasteurisierungsanlage geleistet. Damit ist der Saft nach dem Pressen haltbar und kann in großen Tetrapacks abgefüllt werden. „Früher musste man den Saft noch zu Hause abkochen – dieser Aufwand entfällt“, freut sich Lechner. Und auch ganz wichtig: „Jeder bekommt nach dem Pressen seinen eigenen Saft mit nach Hause und nicht ein Gemisch“, betont sie.
Die Obstpresse in Bergheim ist August bis Oktober in Betrieb – für dieses Jahr ist die Arbeit beendet, sagt Christine Lechner. „Nach so vielen Samstagen an der Presse ist bei den Helfern auch die Luft raus“, weiß sie. Wer im nächsten Jahr Obst übrig hat, könne beim Obst- und Gartenbauverein Bergheim anfragen, ob Kapazitäten in der Presse frei sind.