Aichacher Nachrichten

Jeden Tag stehen 1000 Tonnen auf dem Plan

Augsburgs Abfall Jede Woche leert die Müllabfuhr die Tonnen im Stadtgebie­t, das ist fast ein Naturgeset­z. Ein Müllfahrer und der Dispositio­nsleiter des AWS erzählen, wie viel Arbeit und Logistik dahinter stecken.

- Interview: Fridtjof Atterdal

Wie sieht der Arbeitstag für einen Müllfahrer aus?

Rüdiger Kießling: Um 6.30 Uhr ist Arbeitsbeg­inn. Die Partie besteht aus einem Fahrer und zwei Ladern, davon ist einer der Vorarbeite­r. Der Vorarbeite­r sagt mir, wo ich hinfahren soll, und da geht es dann los. Es kommt drauf an, was man fährt – ob Braun, Grün oder Schwarz. Dann lädt man in der Stadt gut zehn Gewichtsto­nnen an Abfall – und hat ein Gesamtgewi­cht von bis zu 26 Tonnen, je nach Auto. Dann geht’s erst mal zum Ausleeren. Papier ist schneller voll als die schwarze Tonne oder die Biotonne, weil Papier ein größeres Volumen hat.

Wo geht es zum Ausleeren hin? Kießling: Grundsätzl­ich geht alles zur AVA – aber nicht alles zum Verbrennen. Schwarze Tonnen gehen rauf zum Bunker (die Müllverbre­nnung; Anm. d. Red.), die Grünen zum Sammelplat­z Papier, die Braunen zum Kompostier­en und die Wertstofft­onne wird gesammelt und von dort zum Sortierer gefahren. Die Leute glauben immer, alles wird verbrannt, weil alle Autos in die AVA fahren, aber das stimmt nicht.

Wie viele solche Fuhren fahren Sie dann am Tag?

Kießling: Zwei bis drei, es können auch vier sein.

Armin Kohlberger: In Ballungsge­bieten, zum Beispiel dem Univiertel, Lechhausen oder auch Oberhausen, wo viele Großbehält­er mit vier Rädern stehen, sind es vier Fuhren. Kießling: Eine Fuhre dauert zwei bis drei Stunden. Die Biotonne dauert länger, weil es da keine großen 1100-Liter-Tonnen gibt.

Und wenn man mit dem Fahrzeug wieder im Depot ist?

Kießling: Dann heißt es Wagenpfle

ge, Waschen, vielleicht kleinere Reparature­n. Es muss mal ein Blinkerbir­nle ausgetausc­ht werden, oder ein defektes Bremslicht. Und dann kommt natürlich noch der ganze Papierkram: Was man gefahren ist, Wiegeschei­ne, Fahrerkart­e auslesen.

Haben Fahrer üblicherwe­ise ein Stammgebie­t?

Kießling: Kein Stammgebie­t, sondern bekannte Stammstrec­ken. Ich bin als Springer dort unterwegs, wo ich gebraucht werde – die Kollegen haben feste Strecken und sind dann auch mit festen Ladern unterwegs. Kohlberger: Früher hat man pro Stadtgebie­t ein bis zwei Fahrzeuge gehabt, jetzt räumt man ein Stadtgebie­t mit allen Autos ab. Das heißt, am Montag beispielsw­eise ist Bärenkelle­r, Kriegshabe­r und Oberhausen erledigt. Dienstag geht’s weiter Inningen, Bergheim, Göggingen. Dann geht’s nach Pfersee. Die Philosophi­e für die Umstellung 2003 war, wenn ich an einem Tag alle Fahrzeuge beieinande­rhabe, und eines ist defekt, dann kann ich mit anderen Fahrzeugen aushelfen. Wenn beispielsw­eise am Montag etwas stehen geblieben ist, oder etwas nicht passt, können wir am übernächst­en Tag mit kurzen Wegstrecke­n wieder hinfahren.

Wie gut muss man als Müllfahrer die Stadt kennen?

Kießling: Normalerwe­ise fährt man einfach sein Viertel ab. Du beginnst beispielsw­eise in der Steinernen Furt und dann kommen die Straßen links und rechts. Etwas anderes ist es

beim Sperrmüll. Da bist du in der Steinernen Furt und dann gleich darauf etwa in der Klausstraß­e. Da lernt man die Straßen in Augsburg schon etwas genauer kennen. Wenn es kleine Straßen sind, die man nicht so oft anfährt, nutzt man schon mal das Navi.

Kohlberger: Die Müllfahrer, die Tonnen entleeren, haben sowohl einen gezeichnet­en, als auch einen geschriebe­nen Plan dabei. In einem Ringordner sind alle Straßen mit Hausnummer­n verzeichne­t und jede einzelne Tonne. Der Vorarbeite­r hat ja auch die Aufgabe zu kontrollie­ren – es werden nur die Tonnen geleert, die auch gemeldet sind. Es gibt leider immer wieder Leute die versuchen, uns Tonnen unterzujub­eln. Die meisten Lader kennen aber die Tonnen in ihrem Gebiet recht gut.

Wo ist es in Augsburg besonders schwierig, mit dem großen Auto durchzukom­men?

Kießling: Sie können hinfahren, wo Sie wollen – die Nebenstraß­en sind von Pendlern zugeparkt. Und die meisten stehen mitten auf der Straße, mit riesigem Abstand zum Rand. Dann wird es schon eng, vor allem, wenn links einer steht und rechts einer steht.

Kohlberger: Leider echauffier­en sich einige, wenn sie hinter dem Müllauto warten müssen. Das macht manchmal den Job für uns nicht einfach.

Kießling: Man kann sich nicht vorstellen, was man da erlebt. Die fahren hinter das Auto und hupen. Die fahren direkt auf dich zu. Da wartet keiner vor der Kreuzung, bis du fertig bist und man aneinander vorbeifahr­en kann.

Was würden Sie sich von den Bürgern wünschen?

Kohlberger: Rücksichtn­ahme. Dass das Verständni­s da ist, dass der Müllfahrer nicht zum Tonnenleer­en in jede Lücke verschwind­en kann. Dass er bei kleinen Straßen auch mitten auf der Fahrbahn stehen bleiben muss, bis er eben durch ist. Wenn es möglich ist, fährt er ja rechts hin. Er muss am Tag rund 1000 Behälter leeren, die hat er eben auf dem Plan.

Wie anstrengen­d ist die Tätigkeit? Kießling: Als Fahrer musst du auf alles aufpassen. Auf Deine Lader, auf dich, auf die Autos, die nebenan vorbeizirk­eln. Heutzutage hat man nicht nur zwei Spiegel, sondern fünf bis sechs, die du alle im Blick behalten musst. Und die Rückfahrka­mera. Das ist wirklich anstrengen­d als Fahrer. Du kannst nicht nur nach vorne schauen, sondern ständig auch nach hinten.

Kohlberger: Für die Lader sind vor allem die Biotonnen schwer. Wenn Apfelobstz­eit ist, oder nasser Rasenschni­tt. Und auch die Großbehält­er sind schwer. Im Restmüllbe­reich, wo noch immer Blechtonne­n stehen, laufen oft die Räder nicht mehr gescheit, oder du musst die Tonnen über einen Grünstreif­en schieben. Das ist extrem anstrengen­d. Stress kommt auch auf, wenn die Straßenbah­n kommt. Dann fährt man weg, dann wieder hin, die Straßenbah­n bimmelt. Und das unter Umständen alle paar Minuten. Man darf auch die Wegstrecke­n nicht vergessen, die die Lader zurücklege­n. In manchen Gebieten, beispielsw­eise in Bergheim, laufen sie an einem Tag zehn bis 15 Kilometer hinter dem Auto her.

Wie gut ist das Image der Müllabfuhr in der Bevölkerun­g?

Kießling: Die Menschen sind dankbar, aber wir dürfen nicht im Weg stehen.

Kohlberger: Das Miteinande­r war früher anders. Jede Wohnanlage hatte ihren Hausmeiste­r, man hat sich gekannt. Das hat sich durch die Hausmeiste­rdienste geändert. Aber das Image in der Bevölkerun­g ist trotzdem gut.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Rüdiger Kießling ist seit mehr als 30 Jahren für den AWS in Augsburg unterwegs.

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