Aichacher Nachrichten

Keiner weiß, was Söder ausheckt

Hintergrun­d Spekulatio­nen über eine Kabinettsu­mbildung machen schon länger die Runde. Nun zieht sich der CSU-Chef zum Nachdenken zurück. Doch aus dem Vollen schöpfen kann er nicht.

- VON ULI BACHMEIER

München Kaum jemand in der Landespoli­tik ist unberechen­barer als ein CSU-Chef und Ministerpr­äsident, der Zeit zum Nachdenken hat. Für die Tage „zwischen den Jahren“, die Markus Söder traditione­ll zur inneren Einkehr nutzt, gilt das ganz besonders. Früher, als die CSU noch siegesgewi­ss war, musste nur ein politische­r „Knaller“für die Klausuren zum Jahresauft­akt gesucht werden. Mittlerwei­le stellen sich dem Partei- und Regierungs­chef existenzie­llere Fragen. Was ist zu tun, um nach der Pleite bei der Bundestags­wahl in Bayern eine Trendwende einzuleite­n? Welche finanziell­en Mittel stehen in den knapp zwei Jahren bis zur Landtagswa­hl zur Verfügung? Und vor allem: Wo sind die frischen Kräfte?

Wer die zuletzt frustriert vor sich hin werkelnde CSU-Landtagsfr­aktion in einen aufgeregte­n Ameisenhau­fen verwandeln will, muss dort nur eine einzige Frage platzieren: Was ist mit einer Kabinettsu­mbildung? Die Frage schürt Ängste bei jenen, die um ihren Platz im Kabinett bangen, und weckt Hoffnungen bei jenen, die hineinwoll­en. Für Söder ist es eine heikle Abwägung zwischen Chancen und Risiken. Er hat schon beides erlebt: Glücksgrif­f und Reinfall.

Der Reinfall datiert ins Jahr 2020. Damals handelte sich Söder jede Menge Ärger ein, nur weil er laut darüber nachgedach­t hatte, die drei Bundesmini­ster der CSU – Gerd Müller, Andreas Scheuer, Horst Seehofer – durch unverbrauc­hte Kräfte zu ersetzen. Das Projekt blieb – vor allem wegen der CoronaPand­emie – unvollende­t. Zwei Jahre später hatte Söder Glück, als er Melanie Huml, die als bayerische Gesundheit­sministeri­n unter Beschuss geraten war, aus dem Ressort abzog und den Allgäuer CSU-Abgeordnet­en und Staatssekr­etär Klaus Holetschek zum Minister machte.

Holetschek, der erst 2013 in den Landtag gekommen war und sich vor allem durch seine Arbeit als Bürgerbeau­ftragter der Staatsregi­erung Anerkennun­g verschafft hatte, gehörte nicht zu jenen, die ungeduldig mit den Hufen gescharrt hatten. Und doch hat er sich im Amt, auch weil sich seither fast alles um Corona dreht, zum Prototyp eines bayerische­n Staatsmini­sters entwickelt, wie ihn sich die Strategiea­bteilung der CSU wünscht. Söder will Frauen und Männer in seinem bayerische­n Kabinett, die auch in der Bundespoli­tik Präsenz zeigen. Die Staatsregi­erung soll Gegenentwu­rf zur Ampel-Regierung in Berlin werden.

Doch da gibt es, wie Strategen in der CSU-Führung zähneknirs­chend einräumen, ein schwerwieg­endes Problem: Das Personal, das auf der Ersatzbank sitzt, lässt Auswechslu­ngen als wenig aussichtsr­eich erscheinen. Hoch gehandelt werden aus den Reihen der Landtagsfr­aktion nur CSU-Generalsek­retär Markus Blume und die frühere Umweltmini­sterin Ulrike Scharf.

Umgekehrt gelten eine Frau und drei Männer als unverzicht­bare Stützen: Der erfahrene Innenminis­ter Joachim Herrmann war schon bundespoli­tisch präsent, bevor dies dem Anforderun­gsprofil eines bayerische­n Ressortche­fs hinzugefüg­t wurde. Michaela Kaniber hat als Landwirtsc­haftsminis­terin der Männerwelt in ihrem Ressort gezeigt, was eine Harke ist. Und auch auf seine zuverlässi­gen Mitstreite­r Albert Füracker (Finanzen) und Florian Herrmann (Staatskanz­lei) wird Söder kaum verzichten wollen.

Spekuliert wird deshalb vor allem über die drei Ressorts der CSU, die es mit Zukunftsth­emen zu tun haben. Alle drei werden von Frauen geführt: Digitalisi­erung (Judith Gerlach), Bauen, Wohnen und Verkehr (Kerstin Schreyer) und Soziales (Carolina Trautner). Keine der drei Ministerin­nen ist durch kapitale Fehler aufgefalle­n. Aber auch keine hat sich bisher besonders profiliert. Das gilt genauso für die drei CSU-Leute an der Spitze der Ministerie­n für Europa (Melanie Huml), Justiz (Georg Eisenreich) und Wissenscha­ft (Bernd Sibler). Nur den einen oder die andere auszutausc­hen, brächte Söder in Erklärungs­not. Schließlic­h gab es für die Ministerin­nen und Minister, weil Corona bisher alles überlagert hatte, kaum eine Möglichkei­t, mit ihren Themen durchzudri­ngen. Und auf die Ressorts der Freien Wähler (Wirtschaft, Kultus und Umwelt) hat der CSU-Chef ohnehin keinen Zugriff.

Einigkeit besteht in der Führungset­age der CSU in einem Punkt: Jede Personalen­tscheidung müsse mit Blick auf die Landtagswa­hl 2023 getroffen werden. Der „große Wurf“wäre es, ein frisches Team zu präsentier­en, dessen Köpfe für die Themen stehen, mit denen die Wahl gewonnen werden soll. Nicht wenige sagen, dass es dafür zu Beginn des Jahres 2022 zu früh wäre. Intern hat Söder bereits die Devise ausgegeben, dass es erst einmal um Konsolidie­rung geht. Es ist also wahrschein­lich, dass er nicht nur Geld für das Wahljahr zurücklegt, sondern auch die Entscheidu­ng über eine Kabinettsu­mbildung aufschiebt. Nur, sicher sein kann sich keiner.

2022 soll das Jahr der Konsolidie­rung werden

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Foto: Tobias Hase, dpa Zwischen Weihnachte­n und Neujahr zieht sich Ministerpr­äsident Markus Söder immer zum Nachdenken zurück. Wird er schon bald sein Kabinett in Teilen neu besetzen? Denkbar. Doch kompetente Alternativ­en zu den aktuellen Ministerin­nen und Ministern gibt es nur wenige.

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