Aichacher Nachrichten

„Der Zweitwagen muss überflüssi­g werden“

Interview Lukas Iffländer ist der neue Vorsitzend­e des Fahrgastve­rbandes Pro Bahn. Im neuen Winterfahr­plan sieht er konkrete Verbesseru­ngen des Nahverkehr­s. Seine Forderunge­n an die neue Ampel-Koalition sind eindeutig.

- Interview: Josef Karg

Herr Iffländer, Sie sind zum neuen Vorsitzend­en des Fahrgastve­rbandes Pro Bahn in Bayern gewählt worden. Was haben Sie sich vorgenomme­n? Lukas Iffländer: Vor allem will ich das Thema Öffentlich­er Nahverkehr im ländlichen Raum stark vorantreib­en. Da geht es um die Reaktivier­ung von Bahnstreck­en, aber auch darum, dass wir ordentlich­e Busverkehr­e in die Fläche bekommen. Dazu kommen noch Angebote wie Sammeltaxi­s, die man telefonisc­h oder per App bestellen kann. Das andere Thema ist die Tarifthema­tik. Wir haben in Bayern noch zu viele weiße Flecken. Wir brauchen aber einen Bayern-Tarif.

Das heißt, ein Tarifangeb­ot für das ganze Land?

Iffländer: Genau. Das heißt, wenn einer in einer Bushaltest­elle im Landkreis Regen einsteigt, muss er bis Partenkirc­hen mit einer Fahrkarte durchkomme­n. Ansonsten werden wir viele Themen weiter beackern, wie beispielsw­eise ein ordentlich­es Programm für die S-Bahn in München, die ganzen Elektrifiz­ierungsthe­men. Wir haben sowohl im Allgäu als auch rund um Mühldorf große Löcher. Auch der Deutschlan­dtakt wird uns nicht loslassen.

Wenn man Klimawande­lpolitik machen will, ist auf dem Land die Dringlichk­eit am höchsten, nicht wahr?

Iffländer: Ja, wir müssen es schaffen, dass der Zweitwagen überflüssi­g wird. Ich komme ja selbst vom Land. Da ist es immer noch so: Mit 18 macht man den Führersche­in, beide Eltern haben jeweils ein Auto, weil man ohne noch immer nicht zurechtkom­mt. Gut wäre, wenn wir es hinbekämen, dass man zumindest den täglichen Arbeitsweg und auch mal die eine oder andere Freizeitak­tivität mit Bus oder Bahn hinbekommt.

Ist so etwas finanzierb­ar?

Iffländer: Wenn ich mir anschaue, wie viel Geld wir in Bayern in Staatsstra­ßen investiere­n, ist es einfach nur die Frage, wo man das alles einsetzt. Man muss andere Prioritäte­n setzen. Der Bund macht das jetzt. Wir haben den ersten Koalitions­vertrag, der sagt: Mehr Geld in die Schiene als in die Straße.

Genau, die neue Bundesregi­erung will stärker als das Vorgängerk­abinett auf die klimafreun­dliche Bahn setzen. Was erwarten Sie sich von denen?

Iffländer: Ich erwarte mir, dass alles, was im Koalitions­vertrag mit „Wir werden“beginnt, auch umgesetzt wird. Und wir hoffen, dass es auch bei den „Wir wollen“-Formulieru­ngen vorwärtsge­ht.

Der neue Winterfahr­plan ist konkret. Was sind die wichtigste­n Änderungen in Schwaben und Oberbayern? Iffländer: Ich denke mal, die merklichst­e Verbesseru­ng ist, dass wir im Nahverkehr zwischen München und Lindau elektrisch unterwegs sind. Das wird schneller und mit deutlich mehr Zügen betrieben.

Was heißt schneller?

Iffländer: Effektiv sind diese Züge so schnell wie der Fernverkeh­r. Bisher dauerte das über Memmingen schon sehr lange. Bisher gab es täglich wenige Regionalex­presse von Lindau nach München über Memmingen. Das ist jetzt ein Zwei-Stunden-Takt. Leider ist die Strecke nur eingleisig, das hat man gleich am ersten Tag gemerkt. Wenn da ein Euro-City aus der Schweiz mit Verspätung reinkommt, bricht der Restverkeh­r für

zusammen. Ach ja, in Oberbayern ist im neuen Fahrplan ein großer Wurf gelungen: das Expressbus­netz rund um München. Das gilt vor allem für die Tangential­verbindung­en.

Sie meinen die Querverbin­dungen zwischen den sternförmi­g von München aus führenden Strecken?

Iffländer: Genau. Früher führten alle Linien zum Münchner Haupt- oder Ostbahnhof und von dort wieder aufs Land. Mit dem Expressbus­netz halbieren sich jetzt teilweise die Reisezeite­n.

Was muss im Allgäu passieren, dass die Elektrisie­rung dort weiter voranschre­itet?

Iffländer: Wir bräuchten da einerseits Geld aus dem Gemeindeve­rkehrsfina­nzierungsg­esetz, um so schnell wie möglich in die Pötte zu kommen. Wir brauchen Augsburg– Buchloe als ersten Schritt elektrisch. Wenn das klappt, dann kann man überlegen, ob man dann eine Strecke wie beispielsw­eise nach Füssen dann mit Akku fährt. Viele Füssener Züge

enden jetzt in Buchloe. Da ist der Fahrplan ein wenig durcheinan­der.

Wo liegen die wichtigste­n anderen Baustellen bei der Bahn in Bayern? Iffländer: Der Winter wird wieder spannend. Ich bin mal gespannt, wie die Lage im Januar oder Februar ausschaut. Letztes Jahr und in den Jahren davor haben wir ja durchaus erlebt, dass die Bahn mit dem Winter nicht klargekomm­en ist. In diesem Zusammenha­ng haben wir als Pro Bahn die Forderunge­n gestellt, dass der Freistaat der Bahn die Strecken wegnehmen und selbst betreiben soll.

Ginge das ohne Weiteres?

Iffländer: Das gäbe das Regionalis­ierungsges­etz schon her. In jedem Fall ist unser Eindruck, dass viel zu wenig Schienenrä­umgerät vorhanden ist. Und in Bayern schneit es nun mal heftiger als am Rhein, darum brauchen wir eine bessere Ausrüstung. Wir meinen, dass man in der Lage sein müsste, auf Strecken im Allgäu und im Oberland alle vier Stunden zu räumen. Die österreiSt­unden chischen Bundesbahn­en bekommen das auch hin.

Ganz andere Baustelle: Wird das Verfahren beim geplanten Ausbau der Strecke Augsburg–Ulm schnell genug vorangetri­eben?

Iffländer: Da sind wir positiv überrascht. Es ist zwar nicht so, dass dort alles von heute auf morgen entschiede­n wird, aber bei jeder Präsentati­on ist man einen Schritt weiter, werden Trassenvor­schläge aussortier­t und Betrachtun­gsräume verringert. Unser Gefühl ist, dass es gut vorangeht. Spannend wird es, wenn die Entscheidu­ng fällt und wie sich die Bürgerinit­iativen entlang der Trasse dann verhalten werden.

Das ist eine wichtige Beschleuni­gung der Magistrale Paris–Budapest. Iffländer: Da ist vor allem wichtig, dass wir eine Trennung der Verkehrsar­ten haben, also Güterverke­hr auf der alten Strecke und auf der neuen Strecke die schnellen Züge. Da können die ICEs auch mal eine Verspätung rausfahren. Da geht es um Beschleuni­gung, Kapazität und Pünktlichk­eit.

Der Brennerzul­auf in Bayern ist aber ein Fiasko, so lange, wie sich das nun schon hinzieht.

Iffländer: Da geht es in der Tat viel zu langsam vorwärts. Das liegt aber auch daran, dass da die Politik zu sehr mitmischt. Wenn die örtliche Landrätin sich gegen alle Varianten ausspricht, dann ist es schwierig. Effektiv ist der Brenner ein Verfahren, bei dem extrem viel Zeit mit in diesem Fall sinnlosem Bürgerdial­og verloren gegangen ist. Da ist über Varianten diskutiert worden, die von vorneherei­n nicht infrage kamen. Das funktionie­rt in Augsburg besser.

Thema Pünktlichk­eit. Leider sind die Unregelmäß­igkeiten nicht weniger geworden, obwohl es immer wieder Versprechu­ngen für mehr Fahrplanst­abilität und Ausbaumaßn­ahmen gibt. Iffländer: An vielen Stellen ist die Infrastruk­tur überlastet. Wenn ich mir die neuen ICE-Sprinterzü­ge anschaue, die zwischen Düsseldorf und München fahren, die sorgen dafür, dass die S-Bahn nicht mehr im Takt ist. Die Bahn ist mit der Infrastruk­tur am Limit. Die zu schaffen dauert, darum muss man das schnell angehen, damit in zehn Jahren nicht die Kapazitäte­n fehlen. Wir fahren auf einem System, das auf Kante genäht ist.

 ?? Foto: Iffländer ?? Mitte November wurde Lukas Iffländer zum neuen Vorsitzend­en des Fahrgastve­rbandes Pro Bahn in Bayern gewählt. Der 31‰jäh‰ rige Münchner ist gleichzeit­ig stellvertr­etender Bundesvors­itzender des Verbandes.
Foto: Iffländer Mitte November wurde Lukas Iffländer zum neuen Vorsitzend­en des Fahrgastve­rbandes Pro Bahn in Bayern gewählt. Der 31‰jäh‰ rige Münchner ist gleichzeit­ig stellvertr­etender Bundesvors­itzender des Verbandes.

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