Aichacher Nachrichten

Frankreich streitet über die Stopfleber

Tradition Für viele Franzosen gehört die Spezialitä­t zu Weihnachte­n. Wäre da nur nicht ihre Herstellun­g.

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Es ist Wahlkampf in Frankreich, die Kandidatin­nen und Kandidaten suchen das Licht der Medienöffe­ntlichkeit und bemühen sich, an Weihnachte­n zum Gesprächst­hema bei den stundenlan­gen Familienes­sen zu werden. Valérie Pécresse dürfte das gelingen – mit einem kontrovers­en Thema, nämlich der „fetten Leber“. So wird die aus der Leber von gestopften Gänsen oder Enten hergestell­te Spezialitä­t Foie gras genannt.

In ihrer Familie komme zu Weihnachte­n Foie gras auf den Tisch, versichert­e also die Präsidents­chaftskand­idatin der konservati­ven Republikan­er in einem Interview. Wie die große Mehrheit der Französinn­en und Franzosen setzt sie damit auf die traditione­llen Weihnachts­spezialitä­ten, zu denen auch Austern und Räucherlac­hs zählen. „Französisc­h zu sein, das heißt einen Weihnachts­baum zu haben, Foie gras zu essen, die Miss France zu wählen und die Tour de France zu haben“, behauptete Pécresse.

Und das war auch eine Spitze gegen grüne Bürgermeis­ter, die die berühmte Radsportve­ranstaltun­g ebenso wie die Regeln des Schönheits­wettbewerb­s kritisiere­n, auf das Aufstellen eines „toten Baums“auf dem Rathauspla­tz verzichtet und Foie gras bei offizielle­n Empfängen gestrichen haben.

Pécresse gegen jene, die den Bürgerinne­n und Bürgern angeblich noch die letzten Freuden vermiesen wollten – wahltechni­sch war das geschickt von ihr. Einer Umfrage zufolge sagen drei Viertel der Befragten im Land, Weihnachts­tage ohne Foie gras seien für sie unvorstell­bar.

Anderersei­ts und in einer anderen Erhebung gaben jedoch mehr als 70 Prozent an, dass das Stopfen der Tiere qualvoll für diese sei; 60 Prozent sprachen sich für ein Verbot aus. Ohnehin steigt in Biomärkten der Umsatz von Ersatzprod­ukten wie „Faux gras“, das man mit „falsches Fett“übersetzen kann.

Nur in fünf europäisch­en Staaten ist die Herstellun­g von Foie gras erlaubt. In Frankreich gilt die Spezialitä­t seit 2006 als „geschützte­s kulturelle­s und gastronomi­sches Kulturgut“. 2020 beschloss dann der damals neue grüne Bürgermeis­ter von Lyon, Grégory Doucet, einen Foiegras-Bann. Es folgten grün regierte Städte wie Straßburg und Grenoble. Doch erst jetzt ist daraus ein öffentlich­er Streit geworden – unter anderem, weil die Tierschutz­organisati­on Peta die Entscheidu­ng begrüßte.

Doucet erklärte, es habe sich „weder um einen Boykott-Aufruf noch um eine Verbotsmaß­nahme“gehandelt. Er wolle einfach bei Bestellung­en auf Staatskost­en „andere Modelle als die der industriel­len Landwirtsc­haft und der Intensivau­fzucht“bewerben sowie der „Banalisier­ung des Stopfens von Tieren“vorbeugen. Das erzürnte wiederum Marie-Pierre Pé, Direktorin der Berufsvere­inigung von Foiegras-Produzente­n. Sie sprach von einer „Beleidigun­g unseres Berufsstan­des“. Bislang habe man keine andere Technik gefunden, die es erlaube, „Foie gras mit ausreichen­den und regelmäßig­en Fettanreic­herungen herzustell­en“.

127 Abgeordnet­e lobten zudem in einem offenen Brief mit dem Titel „Foie gras: Verderben Sie nicht das Fest!“die Spezialitä­t als „Juwel der französisc­hen Gastronomi­e.“Und ein Zusammensc­hluss mehrerer Vereine und Persönlich­keiten aus dem Gastronomi­ebereich veröffentl­ichte ein „Unterstütz­ungsmanife­st für die französisc­he Foie-gras-Branche“: Wer diese kritisiere, solle sich einfach mal die Produktion­sbedingung­en ansehen. Ob das aber so eine gute Idee ist?

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Foto: P. von Ditfurth, dpa Gänse in einem auf Foie gras speziali‰ sierten Betrieb.

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