Die Kunst der Unschärfe
Malerei
In der Neuen Galerie im Höhmannhaus zeigt Kerstin Skringer ihre neuesten Werke. Die Inspiration dafür holt sie sich beim Flanieren durch Stadtlandschaften. Für die Darstellung des Diffusen auf ihren Bildern verwendet sie eine besondere Technik.
Die Wolkenkratzer von Abu Dhabi sind von der Neuen Galerie im Höhmannhaus weit weg. Und doch bringt Kerstin Skringer die modernen Glasfassaden und die Architektur gewordenen Stahlkonstruktionen mit ihrem Ölgemälde „Slow Focus VII“ein Stück näher nach Augsburg. Die drei Leinwände nebeneinander, zusammen 4,20 Meter breit und 2,10 Meter hoch, gelten als Herzstück ihrer aktuellen Ausstellung „Wanderers“.
Die Motive ihrer Arbeiten findet Skringer beim bewussten Schlendern durch die Stadt. Sie ist eine Großstadtwanderin und dabei immer auf der Suche nach Kleinigkeiten. Bunte Lichter, hohe Gebäude, vorbeifahrende Autos oder dunkle Schatten, die sich auf Glas- oder Wasseroberflächen spiegeln, inspirieren die Malerin.
So war es auch bei „Slow Focus VII“. Die Idee dazu kam ihr während eines Aufenthalts in Abu Dhabi im Jahr 2018. Skringer besuchte damals als Artist in Residence ein Austauschprogramm in der Wüste. In der Hauptstadt des Emirats entdeckte sie ein Detail, das sie nicht mehr losließ. Die römische Zahl im Titel verrät, dass Skringer bereits mehrfach mit und an dem Motiv gearbeitet hat.
In dem Triptychon dominieren die Grau- und Schwarztöne. Auf der mittleren Leinwand mischt sich ein Hauch von Brombeere unter das Schwarz. Vereinzelt sind neongelbe Akzente zu sehen – sie durchbrechen die schwarze Tristesse. Der Rest ist wie in den anderen beiden Gemälden vor allem dunkel, nebelig und verschleiert.
Die Ausstellung besteht aus 15 Gemälden. Größen, Farben und Motive variieren. Was die Arbeiten eint, ist das Spiel mit Diffusität, Unschärfe und Schichten. „Klares und Konkretes wirken aufgrund ihrer Unveränderlichkeit auf mich verstörend, beunruhigend“, sagt Skringer. In ihrer Malerei reduziere und verkläre sie daher die Bildinhalte. Nur so gewinne sie größeren ge
danklichen Spielraum und könne sich dadurch distanzieren und befreien.
Skringers „Slow Focus VII“hängt im Eingangsbereich der Neuen Galerie. Die großen Schaufenster und die prominente Hängung ermöglichen bereits ein Betrachten im Vorbeigehen. Außen wie innen. Wer den Ausstellungsraum betritt, blickt unweigerlich auf die drei
Leinwände. Je nach Licht- und Wetterverhältnis wirkt die Komposition anders, immer wieder neu und lebendig. „Slow Focus VII“zeige eine urbane Situation in einem urbanen Raum, sagt die Künstlerin. Für sie hängen die drei Leinwände genau richtig und „am passendsten Ort“der Galerie. Das Werk tritt dabei mit dem Ausstellungsraum in Wechselwirkung. Die kalkweißen
Wände und der betongraue Boden wirken kühl und umrahmen Skringers verschwommene Malerei.
Um die Unschärfe und das Verschwommene in ihre Werke zu transportieren, brauche es viel Geduld und weiche Pinsel, sagt die Malerin leise und entschleunigt. Wie sie spricht, arbeitet sie auch – bedacht und doch impulsiv.
Eine Technik von Skringer ist es, dass sie viele verschiedene Farbschichten übereinander aufträgt. Sie gibt den Leinwänden Zeit zum Trocknen – und zugleich Zeit für sich, die Künstlerin selbst, um über die nächsten Schichten nachzudenken. Von Vorteil seien die Platzverhältnisse in ihrem Münchner Atelier, denn sie könne dort jedes Bild aufhängen. Damit habe sie immer jedes Gemälde im Blick, auch wenn sie nicht aktiv daran arbeite. Zu den ersten Farbschichten von „Slow Focus VII“zählten helle Orange- und Blautöne. Und „Schwimmbad-Türkis“– ein ganz besonderer Farbton, ein ganz besonderes Detail für die Malerin.
Die gebürtige Niederbayerin, die mehrere Jahre in Augsburg lebte, wohnt inzwischen in München. „Ich bin nirgends zu Hause“, antwortet sie auf die Frage nach ihrer Heimat. Und doch räumt sie ein, dass die Ausstellung im Höhmannhaus für sie auch ein Zurückkommen sei, ein Zurück in ihre Studentenzeit. Skringer absolvierte an der Universität Augsburg ein Studium der Kunstgeschichte und Kunstpädagogik. Später studierte sie an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg Malerei. Als Preisträgerin des Kunstpreises der Stadt Aichach im Jahr 2020 und der Großen Schwäbischen Kunstausstellung 2015 ist Skringer vielen bekannt. Außerdem sind ihre Bilder in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zu finden sowie in den Städtischen Kunstsammlungen Augsburg.
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Ausstellung Bis 13. Februar 2022 in der Neuen Galerie im Höhmannhaus. Geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, geschlossen am 24. und 31. Dezember. Der Eintritt ist frei.