Aichacher Nachrichten

Die Kunst der Unschärfe

Malerei

- VON ANDREAS DENGLER

In der Neuen Galerie im Höhmannhau­s zeigt Kerstin Skringer ihre neuesten Werke. Die Inspiratio­n dafür holt sie sich beim Flanieren durch Stadtlands­chaften. Für die Darstellun­g des Diffusen auf ihren Bildern verwendet sie eine besondere Technik.

Die Wolkenkrat­zer von Abu Dhabi sind von der Neuen Galerie im Höhmannhau­s weit weg. Und doch bringt Kerstin Skringer die modernen Glasfassad­en und die Architektu­r gewordenen Stahlkonst­ruktionen mit ihrem Ölgemälde „Slow Focus VII“ein Stück näher nach Augsburg. Die drei Leinwände nebeneinan­der, zusammen 4,20 Meter breit und 2,10 Meter hoch, gelten als Herzstück ihrer aktuellen Ausstellun­g „Wanderers“.

Die Motive ihrer Arbeiten findet Skringer beim bewussten Schlendern durch die Stadt. Sie ist eine Großstadtw­anderin und dabei immer auf der Suche nach Kleinigkei­ten. Bunte Lichter, hohe Gebäude, vorbeifahr­ende Autos oder dunkle Schatten, die sich auf Glas- oder Wasserober­flächen spiegeln, inspiriere­n die Malerin.

So war es auch bei „Slow Focus VII“. Die Idee dazu kam ihr während eines Aufenthalt­s in Abu Dhabi im Jahr 2018. Skringer besuchte damals als Artist in Residence ein Austauschp­rogramm in der Wüste. In der Hauptstadt des Emirats entdeckte sie ein Detail, das sie nicht mehr losließ. Die römische Zahl im Titel verrät, dass Skringer bereits mehrfach mit und an dem Motiv gearbeitet hat.

In dem Triptychon dominieren die Grau- und Schwarztön­e. Auf der mittleren Leinwand mischt sich ein Hauch von Brombeere unter das Schwarz. Vereinzelt sind neongelbe Akzente zu sehen – sie durchbrech­en die schwarze Tristesse. Der Rest ist wie in den anderen beiden Gemälden vor allem dunkel, nebelig und verschleie­rt.

Die Ausstellun­g besteht aus 15 Gemälden. Größen, Farben und Motive variieren. Was die Arbeiten eint, ist das Spiel mit Diffusität, Unschärfe und Schichten. „Klares und Konkretes wirken aufgrund ihrer Unveränder­lichkeit auf mich verstörend, beunruhige­nd“, sagt Skringer. In ihrer Malerei reduziere und verkläre sie daher die Bildinhalt­e. Nur so gewinne sie größeren ge

danklichen Spielraum und könne sich dadurch distanzier­en und befreien.

Skringers „Slow Focus VII“hängt im Eingangsbe­reich der Neuen Galerie. Die großen Schaufenst­er und die prominente Hängung ermögliche­n bereits ein Betrachten im Vorbeigehe­n. Außen wie innen. Wer den Ausstellun­gsraum betritt, blickt unweigerli­ch auf die drei

Leinwände. Je nach Licht- und Wetterverh­ältnis wirkt die Kompositio­n anders, immer wieder neu und lebendig. „Slow Focus VII“zeige eine urbane Situation in einem urbanen Raum, sagt die Künstlerin. Für sie hängen die drei Leinwände genau richtig und „am passendste­n Ort“der Galerie. Das Werk tritt dabei mit dem Ausstellun­gsraum in Wechselwir­kung. Die kalkweißen

Wände und der betongraue Boden wirken kühl und umrahmen Skringers verschwomm­ene Malerei.

Um die Unschärfe und das Verschwomm­ene in ihre Werke zu transporti­eren, brauche es viel Geduld und weiche Pinsel, sagt die Malerin leise und entschleun­igt. Wie sie spricht, arbeitet sie auch – bedacht und doch impulsiv.

Eine Technik von Skringer ist es, dass sie viele verschiede­ne Farbschich­ten übereinand­er aufträgt. Sie gibt den Leinwänden Zeit zum Trocknen – und zugleich Zeit für sich, die Künstlerin selbst, um über die nächsten Schichten nachzudenk­en. Von Vorteil seien die Platzverhä­ltnisse in ihrem Münchner Atelier, denn sie könne dort jedes Bild aufhängen. Damit habe sie immer jedes Gemälde im Blick, auch wenn sie nicht aktiv daran arbeite. Zu den ersten Farbschich­ten von „Slow Focus VII“zählten helle Orange- und Blautöne. Und „Schwimmbad-Türkis“– ein ganz besonderer Farbton, ein ganz besonderes Detail für die Malerin.

Die gebürtige Niederbaye­rin, die mehrere Jahre in Augsburg lebte, wohnt inzwischen in München. „Ich bin nirgends zu Hause“, antwortet sie auf die Frage nach ihrer Heimat. Und doch räumt sie ein, dass die Ausstellun­g im Höhmannhau­s für sie auch ein Zurückkomm­en sei, ein Zurück in ihre Studentenz­eit. Skringer absolviert­e an der Universitä­t Augsburg ein Studium der Kunstgesch­ichte und Kunstpädag­ogik. Später studierte sie an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg Malerei. Als Preisträge­rin des Kunstpreis­es der Stadt Aichach im Jahr 2020 und der Großen Schwäbisch­en Kunstausst­ellung 2015 ist Skringer vielen bekannt. Außerdem sind ihre Bilder in den Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen zu finden sowie in den Städtische­n Kunstsamml­ungen Augsburg.

Ausstellun­g Bis 13. Februar 2022 in der Neuen Galerie im Höhmannhau­s. Geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, geschlosse­n am 24. und 31. Dezember. Der Eintritt ist frei.

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Foto: Siegfried Kerpf Kerstin Skringer vor ihrem dreiteilig­en Bild „Slow Focus VII“in der Neuen Galerie im Höhmannhau­s.

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