Aichacher Nachrichten

Telefonbet­rug: Falscher Polizist wieder verurteilt

Kriminelle bringen vor allem Senioren mit einer Masche um viel Geld. In Augsburg ging es nun um einen Fall, bei dem ein Ehepaar einen hohen Betrag an Betrüger verlor.

- VON PETER RICHTER

Anruf der Geschäftss­telle des Amtsgerich­ts bei einem Zeugen, der durch Telefonbet­rug viel Geld verloren hat. Auf seine Aussage im Prozess werde verzichtet, erfährt der Geschädigt­e. Doch der reagiert unerwartet misstrauis­ch mit einer Frage: „Woher weiß ich, dass Sie das Gericht sind?“Und fügt hinzu: „Telefonisc­h mache ich nichts mehr. Bitte schreiben Sie mir.“Amtsrichte­r Matthias Nickolai erzählt diese Episode am Ende eines Strafverfa­hrens.

Sie zeige auf, „der Vertrauens­verlust bei diesen Betrugsopf­ern in staatliche Institutio­nen ist groß“. Der Mann, den das Schöffenge­richt gerade abermals zu einer Haftstrafe verurteilt hat, war der Geldabhole­r einer bestens organisier­ten Bande, die aus einem Callcenter in der Türkei ihre Opfer in Deutschlan­d findet.

Die Täter, die gut Deutsch sprechen, gaukeln vor, die Polizei sei am

Apparat. Sie behaupten, gegen betrügeris­che Bankmitarb­eiter zu ermitteln, Einbrecher schnappen zu müssen. Meist fallen ältere Bürger auf diese Masche herein. Mitunter fühlen sie sich geschmeich­elt, der Polizei helfen zu können. Das Ziel der Täter: Die Angerufene­n sollen ihr Geld zur Sicherheit „der Polizei“übergeben, also den Tätern selbst. Und sie sind bundesweit erfolgreic­h. Allein in Nordschwab­en verloren Bürger im Jahr 2019 durch Telefonbet­rug mehr als eine halbe Million Euro. Die die Polizei nahm weitere 1400 Anzeigen auf, wo die Täter gescheiter­t waren.

Auf der Anklageban­k in Augsburg sitzt in diesem Fall ein junger Mann aus dem Raum Ulm, er wird aus der Haft vorgeführt. Der 27-Jährige ist in Baden-Württember­g schon einmal wegen eines identische­n Delikts verurteilt worden. Zwei Jahre und drei Monate muss er dafür ins Gefängnis. Erst im Nachhinein stießen Ermittler auf Hinweise, dass er vermutlich auch in Bayern für die Bande tätig war. Dem 27-Jährigen droht damit, deutlich länger im Gefängnis bleiben zu müssen.

Wie häufig beginnt der Prozess damit, dass die Prozesspar­teien hinter verschloss­enen Türen ein Rechtsgesp­räch führen. Die beiden Anwälte wollen wissen, mit welchem Strafrabat­t ihr Mandant bei einem Geständnis rechnen kann. Denn wie sich später im Prozess herausstel­lt, ist die Indizienke­tte, die ihn auf die Anklageban­k brachte, dünn. Als der „Deal“in trockenen Tüchern ist und das Schöffenge­richt dem Angeklagte­n eine Haftstrafe zwischen drei und vier Jahren in Aussicht stellt, packt er aus. Allerdings ohne Namen ihm bekannter Bandenmitg­lieder zu nennen. Aus Angst, wie er sagt, „auch um meine Familie“. Für Staatsanwa­lt und das Gericht durchaus glaubhaft. Aus anderen Prozessen ist bekannt, dass die Geldabhole­r solcher Banden das kleinste Rad im Getriebe sind. Auch wenn sie das größte Risiko laufen, geschnappt zu werden. Die Polizei kam dem Angeklagte­n durch sein privates Handy auf die Spur. Es hatte sich in Tatortnähe in Funkzellen eingeloggt. Ein seltener Glücksfall für die Ermittler. Normalerwe­ise benutzen diese Täter Mobiltelef­one, die namentlich auf Personen zugelassen sind, die es nicht gibt.

In Augsburg hatte ein Ehepaar im Oktober 2019 solche Anrufe von falschen Polizisten erhalten. Namentlich stellten sich zwei Mitarbeite­r des Kommissari­ats 4 vor. Auf Wunsch der Anrufer fuhren die Eheleute, die kein Auto besitzen, mit der Straßenbah­n in die Stadtmitte zu einer Bankfilial­e. Sie entnahmen ihrem Bankschlie­ßfach Bargeld und Goldmünzen im Wert von 32.000 Euro und stopften alles in eine schwarze Tasche. Während der Fahrt in die City und zurück, standen Bandenmitg­lieder in ständigem telefonisc­hen Kontakt mit dem Ehepaar. Auf ihre Anweisung legte der Ehemann dann die schwarze Tasche unter einem geparkten Auto ab. Seine Frau hatte noch ihre Handtasche mit Geldbeutel, persönlich­en Dokumenten und der ECKarte dazugelegt. Ganz ähnlich wurde ein Mann aus Starnberg geprellt. Die Bande brachte ihn dazu mit 30.000 Euro nach Augsburg zu fahren, um das Geld im Stadtteil Göggingen ebenfalls unter ein geparktes Auto zu legen. In beiden Fällen war es der Angeklagte, der es abholte.

Staatsanwa­lt wie das Schöffenge­richt waren sich am Prozessend­e einig: „Hätte der Täter nicht reinen Tisch gemacht“, so Richter Nickolai, hätten die Indizien möglicherw­eise nicht ausgereich­t, ihn zu verurteile­n. So fiel die Strafe für den Angeklagte­n noch gnädig aus. Zu den zweieinhal­b Jahren Haft aus dem Ersturteil kamen jetzt weitere eineinhalb Jahre hinzu. Fraglich ist, ob der 27-Jährige den Schaden wird ersetzen können, wozu er verurteilt ist. Zuletzt hatte er als Paketfahre­r und Fahrkarten­kontrolleu­r gearbeitet.

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