Telefonbetrug: Falscher Polizist wieder verurteilt
Kriminelle bringen vor allem Senioren mit einer Masche um viel Geld. In Augsburg ging es nun um einen Fall, bei dem ein Ehepaar einen hohen Betrag an Betrüger verlor.
Anruf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts bei einem Zeugen, der durch Telefonbetrug viel Geld verloren hat. Auf seine Aussage im Prozess werde verzichtet, erfährt der Geschädigte. Doch der reagiert unerwartet misstrauisch mit einer Frage: „Woher weiß ich, dass Sie das Gericht sind?“Und fügt hinzu: „Telefonisch mache ich nichts mehr. Bitte schreiben Sie mir.“Amtsrichter Matthias Nickolai erzählt diese Episode am Ende eines Strafverfahrens.
Sie zeige auf, „der Vertrauensverlust bei diesen Betrugsopfern in staatliche Institutionen ist groß“. Der Mann, den das Schöffengericht gerade abermals zu einer Haftstrafe verurteilt hat, war der Geldabholer einer bestens organisierten Bande, die aus einem Callcenter in der Türkei ihre Opfer in Deutschland findet.
Die Täter, die gut Deutsch sprechen, gaukeln vor, die Polizei sei am
Apparat. Sie behaupten, gegen betrügerische Bankmitarbeiter zu ermitteln, Einbrecher schnappen zu müssen. Meist fallen ältere Bürger auf diese Masche herein. Mitunter fühlen sie sich geschmeichelt, der Polizei helfen zu können. Das Ziel der Täter: Die Angerufenen sollen ihr Geld zur Sicherheit „der Polizei“übergeben, also den Tätern selbst. Und sie sind bundesweit erfolgreich. Allein in Nordschwaben verloren Bürger im Jahr 2019 durch Telefonbetrug mehr als eine halbe Million Euro. Die die Polizei nahm weitere 1400 Anzeigen auf, wo die Täter gescheitert waren.
Auf der Anklagebank in Augsburg sitzt in diesem Fall ein junger Mann aus dem Raum Ulm, er wird aus der Haft vorgeführt. Der 27-Jährige ist in Baden-Württemberg schon einmal wegen eines identischen Delikts verurteilt worden. Zwei Jahre und drei Monate muss er dafür ins Gefängnis. Erst im Nachhinein stießen Ermittler auf Hinweise, dass er vermutlich auch in Bayern für die Bande tätig war. Dem 27-Jährigen droht damit, deutlich länger im Gefängnis bleiben zu müssen.
Wie häufig beginnt der Prozess damit, dass die Prozessparteien hinter verschlossenen Türen ein Rechtsgespräch führen. Die beiden Anwälte wollen wissen, mit welchem Strafrabatt ihr Mandant bei einem Geständnis rechnen kann. Denn wie sich später im Prozess herausstellt, ist die Indizienkette, die ihn auf die Anklagebank brachte, dünn. Als der „Deal“in trockenen Tüchern ist und das Schöffengericht dem Angeklagten eine Haftstrafe zwischen drei und vier Jahren in Aussicht stellt, packt er aus. Allerdings ohne Namen ihm bekannter Bandenmitglieder zu nennen. Aus Angst, wie er sagt, „auch um meine Familie“. Für Staatsanwalt und das Gericht durchaus glaubhaft. Aus anderen Prozessen ist bekannt, dass die Geldabholer solcher Banden das kleinste Rad im Getriebe sind. Auch wenn sie das größte Risiko laufen, geschnappt zu werden. Die Polizei kam dem Angeklagten durch sein privates Handy auf die Spur. Es hatte sich in Tatortnähe in Funkzellen eingeloggt. Ein seltener Glücksfall für die Ermittler. Normalerweise benutzen diese Täter Mobiltelefone, die namentlich auf Personen zugelassen sind, die es nicht gibt.
In Augsburg hatte ein Ehepaar im Oktober 2019 solche Anrufe von falschen Polizisten erhalten. Namentlich stellten sich zwei Mitarbeiter des Kommissariats 4 vor. Auf Wunsch der Anrufer fuhren die Eheleute, die kein Auto besitzen, mit der Straßenbahn in die Stadtmitte zu einer Bankfiliale. Sie entnahmen ihrem Bankschließfach Bargeld und Goldmünzen im Wert von 32.000 Euro und stopften alles in eine schwarze Tasche. Während der Fahrt in die City und zurück, standen Bandenmitglieder in ständigem telefonischen Kontakt mit dem Ehepaar. Auf ihre Anweisung legte der Ehemann dann die schwarze Tasche unter einem geparkten Auto ab. Seine Frau hatte noch ihre Handtasche mit Geldbeutel, persönlichen Dokumenten und der ECKarte dazugelegt. Ganz ähnlich wurde ein Mann aus Starnberg geprellt. Die Bande brachte ihn dazu mit 30.000 Euro nach Augsburg zu fahren, um das Geld im Stadtteil Göggingen ebenfalls unter ein geparktes Auto zu legen. In beiden Fällen war es der Angeklagte, der es abholte.
Staatsanwalt wie das Schöffengericht waren sich am Prozessende einig: „Hätte der Täter nicht reinen Tisch gemacht“, so Richter Nickolai, hätten die Indizien möglicherweise nicht ausgereicht, ihn zu verurteilen. So fiel die Strafe für den Angeklagten noch gnädig aus. Zu den zweieinhalb Jahren Haft aus dem Ersturteil kamen jetzt weitere eineinhalb Jahre hinzu. Fraglich ist, ob der 27-Jährige den Schaden wird ersetzen können, wozu er verurteilt ist. Zuletzt hatte er als Paketfahrer und Fahrkartenkontrolleur gearbeitet.