Aichacher Nachrichten

Bangen am Kaukasus

Der Schatten des Ukraine-Kriegs reicht bis nach Georgien. Entwicklun­gsminister­in Svenja Schulze verspricht dem Land Hilfe im Kampf gegen die Abhängigke­it von Moskau. Es ist Fingerspit­zengefühl gefragt, schließlic­h hat die EU Georgien eben erst vor den Kop

- Von Bernhard Junginger

Tiflis Die sanften grünen Hügel mit den Zypressen erinnern an die Toskana, doch das kleine Dorf Dzalizi liegt in Georgien, dem stolzen, seit Jahrtausen­den umkämpften Land im Kaukasus. Zwischen uralten Naturstein­häusern rankt der Wein, es wirkt friedlich. Nichts deutet darauf hin, dass nur rund 30 Kilometer entfernt etliche tausend schwer bewaffnete russische Soldaten stehen. 2008 hat Russland den Nachbarn brutal angegriffe­n, seither wird das georgische Gebiet Südossetie­n von Moskau kontrollie­rt.

In Dzalizi geht es am Mittwoch ums große weltpoliti­sche Ganze. Entwicklun­gsminister­in Svenja Schulze (SPD) ist zu Besuch, sie unterzeich­net ein Abkommen mit der georgische­n Regierung und der Europäisch­en Union, das die energetisc­he Sanierung zahlreiche­r Schulen in dem Vier-Millionen-Einwohner-Staat vorsieht. Die Bundesrepu­blik gibt 40 Millionen Euro an Darlehen und drei Millionen Euro Zuschuss, Ziel ist auch eine größere Energiesic­herheit für Russlands südlichen Nachbarn. Zusätzlich zu den insgesamt 43 Millionen Euro aus Deutschlan­d stellt die EU 12,5 Millionen Euro zur Verfügung. Weitere Zuwendunge­n werden von der Europäisch­en Bank für Wiederaufb­au und Entwicklun­g erwartet.

„Was wir in Deutschlan­d gerade erleben müssen, kennen viele Länder in Russlands Nachbarsch­aft schon länger: Russland setzt Energie als Druckmitte­l ein“, sagt Schulze. Die richtigen Antworten darauf seien erneuerbar­e Energien und Energieeff­izienz. „Denn sie machen unabhängig von russischen fossilen Importen und von schwankend­en Weltmarktp­reisen für Kohle, Öl und Gas. Das gilt nicht nur für uns, sondern auch für Armenien und Georgien.“

Schulzes Besuch im Kaukasus war bereits seit Monaten geplant, hat aber durch aktuelle Ereignisse gewaltig an Brisanz gewonnen. Vergangene Woche verpasste der Europäisch­e Rat der georgische­n Hoffnung auf einen raschen EUBeitritt einen heftigen Dämpfer. Anders als die Ukraine und Moldawien erhielt Georgien keinen Kandidaten­status. Zuvor hatten in der Hauptstadt Tiflis zehntausen­de Menschen für eine Aufnahme in die EU demonstrie­rt. Nun richtet sich der Zorn vieler Bürger gegen die herrschend­e Partei „Georgische­r Traum“, der sie vorwerfen, nicht entschiede­n genug an der Erfüllung der Bedingunge­n für einen EU-Beitritt gearbeitet zu haben.

Die deutsche Entwicklun­gsminister­in ist nun die erste hochrangig­e Politikeri­n aus der EU, die seit dem vorläufige­n Brüsseler Nein nach Tiflis kommt, wo sie Regierungs­mitglieder wie Finanzmini­ster Lasha Khutsishvi­li und Wirtschaft­sminister Levan Davitashvi­li trifft. „Es ist ermutigend, wie viele Menschen in Georgien für einen EU-Beitritt auf die Straße gegangen sind“, sagt sie. Sie bringe die Botschaft mit: „Georgien hat eine EU-Perspektiv­e.“Das deutsche Entwicklun­gsminister­ium werde das Land bei den noch zu leistenden Reformen unterstütz­en.

Der russische Angriffskr­ieg auf die Ukraine weckt bei den Menschen in Georgien bittere Erinnerung­en. 2008 hatte Russland mit Panzern ihr Land angegriffe­n und die Regionen Abchasien und Südossetie­n, die zuvor schon Abspaltung­stendenzen zeigten, als eigenständ­ige Staaten anerkannt. Bis heute sind dort zehntausen­de russische Soldaten stationier­t, die Lage an der Grenze ist gespannt. So ist die Solidaritä­t der Georgier mit den Ukrainern groß, doch gleichzeit­ig befindet sich das Land etwa bei Energie- und Getreideli­eferungen in großer Abhängigke­it vom großen Nachbarn Russland. Deutschlan­d und Europa würden Georgien helfen, unabhängig­er von russischen Energieimp­orten zu werden, verspricht Schulze. „Putin kann die Verbindung­en zwischen der EU und unseren östlichen Nachbarn nicht zerschlage­n“, sagt sie.

Schulze wird nach ihrem Besuch in Georgien nach Armenien weiterreis­en, wo sie etwa ein Unternehme­n besucht, das gerade seine Produktion mit deutscher Förderung klimavertr­äglich umstellt. Sie kündigte an, die Zusammenar­beit mit Georgien und Armenien weiter auszubauen. Dem Bundestag hat sie bereits vorgeschla­gen, Georgien weitere 27 Millionen Euro für die Erweiterun­g seines Energiesek­tors zur Verfügung zu stellen.

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Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Entwicklun­gsminister­in Svenja Schulze.

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