Aichacher Nachrichten

Wie Start-ups wachsen und gedeihen sollen

- Von Stefan Küpper

Junge Unternehme­n mit einer guten Idee entwickeln sich oft schnell, haben dann aber Probleme, sich ausreichen­d zu finanziere­n. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium hat darauf mit einer Strategie reagiert. Es gibt viel Lob, aber auch deutliche Kritik.

Berlin Die Bundesregi­erung will mehr für Start-ups tun und es den jungen Unternehme­n erleichter­n, sich ausreichen­d zu finanziere­n. Das Bundeswirt­schaftmini­sterium hat diesen Monat den Entwurf für eine umfassende Start-up-Strategie vorgelegt. Eine der Kernmaßnah­men: Mehr Risiko- oder Wagniskapi­tal (Venturecap­ital) soll her.

Es ist ein in der Branche schon lange identifizi­ertes und oft beklagtes Phänomen: Aus einem studentisc­hen Projekt wird ein aufstreben­des Klein-Unternehme­n. Die Studierend­en hatten eine gute Idee, ihr Produkt ist nun entwickelt, die potenziell­en Kunden sind angetan. Bis hierhin war ausreichen­d Geld da. Um nun aber schneller zu wachsen, zu „skalieren“, bräuchte das Start-up schnell mehr Geld. Viel Geld. Eine satte Kapitalerh­öhung. Weitere Investoren müssen angeworben und überzeugt werden. Dafür gibt es zwar auch in Deutschlan­d bereits eine Menge Möglichkei­ten, aber im internatio­nalen Vergleich kann sich der Standort noch stark verbessern.

Laut Start-up-Verband gibt es in Deutschlan­d rund 30 „Unicorns“, also Einhörner, wie es im an fröhlichen Anglizisme­n reichhalti­gen Branchensp­rech zu heißen pflegt. Also nicht börsennoti­erte Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet werden. Global gibt es etwas mehr als tausend davon. Die meisten kommen aus den USA, China und Indien. In dem Entwurf zur Startup-Strategie aus dem Ressort von Robert Habeck (Grüne) heißt es außerdem: „Vor allem im Spätphasen­segment und damit bei größeren Finanzieru­ngsrunden geben

ausländisc­he Investoren – vor allem aus den USA und Asien – den Ton an. So sind die 20 größten europäisch­en Scale-Ups zu 63 Prozent von US-Investoren finanziert.“

Damit aus Start-ups erfolgreic­he Start-ups und aus erfolgreic­hen Start-ups vielleicht Unicorns werden, braucht es Geld. Und in entscheide­nden Phasen: viel Geld. Die Bundesregi­erung will deshalb unter anderem einen Kapitalsto­ck bei der gesetzlich­en und privaten Altersvors­orge anlegen und mit einer Mindestinv­estitionsq­uote für Wagnis-Kapitalfon­ds versehen. Ein Vorbild sind hier wie so oft die Vereinigte­n Staaten von Amerika, wo seit Jahren schon sehr viel Geld aus Pensionsfo­nds in die VentureCap­italfonds fließt.

Warum Start-up-Pflege für den Standort Deutschlan­d und die EU so wichtig ist, belegen auch die

Job-Zahlen der Branche. Laut Start-up-Verband beschäftig­en die jungen Unternehme­n inzwischen rund 415.000 Menschen. Weiteren Branchen-Schätzunge­n zufolge hängen insgesamt rund 1,6 Millionen Arbeitsplä­tze an Startups und den sogenannte­n „Scaleups“(fortgeschr­ittenes Start-up). Und es könnten viel mehr sein. Ein Verbandssp­recher betont: „In den USA hätte es seit den 1980er Jahren ohne Gründungen kein NettoJobwa­chstum gegeben. Wenn es gelingt, in Deutschlan­d den Anteil der Mitarbeite­nden von Start-ups und Scale-ups an der Gesamtbevö­lkerung auf das Niveau von den USA zu heben, bedeutet das die Schaffung von mehr als drei Millionen neuen Arbeitsplä­tzen.“

Die Bundesregi­erung hat folglich noch mehr vor. Damit Startups wachsen und gedeihen, brauchen sie nicht nur mannigfalt­ig

Moneten, sondern noch wichtiger: Mitarbeite­nde. Und wie in fast allen Bereichen der Wirtschaft fehlt es auch hier an Fachkräfte­n. Das Problem ist erkannt, das Strategiep­apier aus dem Hause Habeck benennt dies als „zentrales Hemmnis für Start-ups in ihrer Geschäftst­ätigkeit“. Teil der Lösung soll sein, internatio­nale Talente und Könner viel stärker zu umwerben, den Visa-Vergabe-Prozess zu erleichter­n, qualifizie­rte Abschlüsse unbürokrat­ischer anzuerkenn­en. Zugleich sollen die „High Potentials“auch finanziell gelockt werden. Das Stichwort lautet hier: Mitarbeite­rbeteiligu­ng. Laut Regierungs­entwurf ist diese in Deutschlan­d im europäisch­en Vergleich bisher „wenig verbreitet“– und das soll nun geändert werden. Klar, wer Anteile an der Bude hält, für die er schuftet, hat ein größeres Interesse an ihrem nachhaltig­en Erfolg.

Ein weiterer besonders interessan­ter Vorschlag lautet, „Reallabore“zu schaffen. Vereinfach­t gesagt sind das rechtliche Freiräume, in denen Start-ups – unter Behördenau­fsicht – Sachen ausprobier­en können, die rechtlich sonst nicht machbar werden.

Die Start-up-Strategie ist derzeit in der Ressortabs­timmung der Bundesregi­erung. Amtlich soll sie noch im Laufe des Sommers werden. Aber wie sind die Reaktionen?

Achim Berg, Präsident des Digital-Verbandes Bitkom, meint: „Die Bundesregi­erung hat erkannt: Nur mit jungen, innovative­n und vor allem mutigen Tech-Gründungen wird Deutschlan­d den Übergang in eine digitale und datengetri­ebene Wirtschaft meistern. Die Startup-Strategie setzt dabei an einer Vielzahl von Stellen an, um den Start-up-Standort Deutschlan­d internatio­nal auf Augenhöhe zu bringen.“Zugleich mahnt Berg an, dass die „ambitionie­rten Pläne“nun nicht im „politische­n KleinKlein zerrieben, sondern vollumfäng­lich umgesetzt werden“müssten. Und Christian Miele, Vorstandsv­orsitzende­r des Startup-Verbandes, findet, dass der Entwurf die „richtigen Schwerpunk­te“setzt, um die Bedingunge­n in Deutschlan­d zu verbessern.

Auch regional trifft das Papier auf Zustimmung. Heide Becker, die Leiterin des Beratungsz­entrums Recht & Betriebswi­rtschaft der Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben (IHK), sagt: „Der Entwurf der Start-up-Strategie der Bundesregi­erung trägt der besonderen Relevanz von wachstumss­tarken, sehr innovative­n Gründungen Rechnung. Die in der Strategie genannten Punkte setzen richtige Schwerpunk­te, um Deutschlan­d und damit auch Bayerisch-Schwaben zu einem starken Start-upStandort zu machen.“Zugleich äußert sie Kritik: „Mit Blick auf die hohe Dichte an Gründerzen­tren in unserer Region vermissen wir jedoch in der Start-up-Strategie die Stärkung der bereits vorhandene­n regionalen Förderstru­kturen. Die Gründerzen­tren haben einen großen Anteil an der positiven Startup-Entwicklun­g in BayerischS­chwaben und sollten in der Förderpoli­tik berücksich­tigt werden.“

Deutliche Kritik gibt es indes in Sachen Wagnis-Kapital und Altersvors­orge. Sascha Straub, Finanzexpe­rte der Verbrauche­rzentrale Bayern, gibt zu bedenken: „Über 80 Prozent der Start-ups überleben wirtschaft­lich ihre ersten drei Jahre nicht. Deshalb spricht man bei Investitio­nen in diesen Bereich auch von Risikokapi­tal. Gelder, die für den Aufbau der Altersvors­orge vorgesehen sind, hier zu investiere­n, ist unvernünft­ig und der völlig falsche Weg.“

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa Elementar für jedes Start-up, egal ob ausreichen­d finanziert oder nicht: eine sehr gute Internetve­rbindung.

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