Wie Start-ups wachsen und gedeihen sollen
Junge Unternehmen mit einer guten Idee entwickeln sich oft schnell, haben dann aber Probleme, sich ausreichend zu finanzieren. Das Bundeswirtschaftsministerium hat darauf mit einer Strategie reagiert. Es gibt viel Lob, aber auch deutliche Kritik.
Berlin Die Bundesregierung will mehr für Start-ups tun und es den jungen Unternehmen erleichtern, sich ausreichend zu finanzieren. Das Bundeswirtschaftministerium hat diesen Monat den Entwurf für eine umfassende Start-up-Strategie vorgelegt. Eine der Kernmaßnahmen: Mehr Risiko- oder Wagniskapital (Venturecapital) soll her.
Es ist ein in der Branche schon lange identifiziertes und oft beklagtes Phänomen: Aus einem studentischen Projekt wird ein aufstrebendes Klein-Unternehmen. Die Studierenden hatten eine gute Idee, ihr Produkt ist nun entwickelt, die potenziellen Kunden sind angetan. Bis hierhin war ausreichend Geld da. Um nun aber schneller zu wachsen, zu „skalieren“, bräuchte das Start-up schnell mehr Geld. Viel Geld. Eine satte Kapitalerhöhung. Weitere Investoren müssen angeworben und überzeugt werden. Dafür gibt es zwar auch in Deutschland bereits eine Menge Möglichkeiten, aber im internationalen Vergleich kann sich der Standort noch stark verbessern.
Laut Start-up-Verband gibt es in Deutschland rund 30 „Unicorns“, also Einhörner, wie es im an fröhlichen Anglizismen reichhaltigen Branchensprech zu heißen pflegt. Also nicht börsennotierte Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet werden. Global gibt es etwas mehr als tausend davon. Die meisten kommen aus den USA, China und Indien. In dem Entwurf zur Startup-Strategie aus dem Ressort von Robert Habeck (Grüne) heißt es außerdem: „Vor allem im Spätphasensegment und damit bei größeren Finanzierungsrunden geben
ausländische Investoren – vor allem aus den USA und Asien – den Ton an. So sind die 20 größten europäischen Scale-Ups zu 63 Prozent von US-Investoren finanziert.“
Damit aus Start-ups erfolgreiche Start-ups und aus erfolgreichen Start-ups vielleicht Unicorns werden, braucht es Geld. Und in entscheidenden Phasen: viel Geld. Die Bundesregierung will deshalb unter anderem einen Kapitalstock bei der gesetzlichen und privaten Altersvorsorge anlegen und mit einer Mindestinvestitionsquote für Wagnis-Kapitalfonds versehen. Ein Vorbild sind hier wie so oft die Vereinigten Staaten von Amerika, wo seit Jahren schon sehr viel Geld aus Pensionsfonds in die VentureCapitalfonds fließt.
Warum Start-up-Pflege für den Standort Deutschland und die EU so wichtig ist, belegen auch die
Job-Zahlen der Branche. Laut Start-up-Verband beschäftigen die jungen Unternehmen inzwischen rund 415.000 Menschen. Weiteren Branchen-Schätzungen zufolge hängen insgesamt rund 1,6 Millionen Arbeitsplätze an Startups und den sogenannten „Scaleups“(fortgeschrittenes Start-up). Und es könnten viel mehr sein. Ein Verbandssprecher betont: „In den USA hätte es seit den 1980er Jahren ohne Gründungen kein NettoJobwachstum gegeben. Wenn es gelingt, in Deutschland den Anteil der Mitarbeitenden von Start-ups und Scale-ups an der Gesamtbevölkerung auf das Niveau von den USA zu heben, bedeutet das die Schaffung von mehr als drei Millionen neuen Arbeitsplätzen.“
Die Bundesregierung hat folglich noch mehr vor. Damit Startups wachsen und gedeihen, brauchen sie nicht nur mannigfaltig
Moneten, sondern noch wichtiger: Mitarbeitende. Und wie in fast allen Bereichen der Wirtschaft fehlt es auch hier an Fachkräften. Das Problem ist erkannt, das Strategiepapier aus dem Hause Habeck benennt dies als „zentrales Hemmnis für Start-ups in ihrer Geschäftstätigkeit“. Teil der Lösung soll sein, internationale Talente und Könner viel stärker zu umwerben, den Visa-Vergabe-Prozess zu erleichtern, qualifizierte Abschlüsse unbürokratischer anzuerkennen. Zugleich sollen die „High Potentials“auch finanziell gelockt werden. Das Stichwort lautet hier: Mitarbeiterbeteiligung. Laut Regierungsentwurf ist diese in Deutschland im europäischen Vergleich bisher „wenig verbreitet“– und das soll nun geändert werden. Klar, wer Anteile an der Bude hält, für die er schuftet, hat ein größeres Interesse an ihrem nachhaltigen Erfolg.
Ein weiterer besonders interessanter Vorschlag lautet, „Reallabore“zu schaffen. Vereinfacht gesagt sind das rechtliche Freiräume, in denen Start-ups – unter Behördenaufsicht – Sachen ausprobieren können, die rechtlich sonst nicht machbar werden.
Die Start-up-Strategie ist derzeit in der Ressortabstimmung der Bundesregierung. Amtlich soll sie noch im Laufe des Sommers werden. Aber wie sind die Reaktionen?
Achim Berg, Präsident des Digital-Verbandes Bitkom, meint: „Die Bundesregierung hat erkannt: Nur mit jungen, innovativen und vor allem mutigen Tech-Gründungen wird Deutschland den Übergang in eine digitale und datengetriebene Wirtschaft meistern. Die Startup-Strategie setzt dabei an einer Vielzahl von Stellen an, um den Start-up-Standort Deutschland international auf Augenhöhe zu bringen.“Zugleich mahnt Berg an, dass die „ambitionierten Pläne“nun nicht im „politischen KleinKlein zerrieben, sondern vollumfänglich umgesetzt werden“müssten. Und Christian Miele, Vorstandsvorsitzender des Startup-Verbandes, findet, dass der Entwurf die „richtigen Schwerpunkte“setzt, um die Bedingungen in Deutschland zu verbessern.
Auch regional trifft das Papier auf Zustimmung. Heide Becker, die Leiterin des Beratungszentrums Recht & Betriebswirtschaft der Industrieund Handelskammer Schwaben (IHK), sagt: „Der Entwurf der Start-up-Strategie der Bundesregierung trägt der besonderen Relevanz von wachstumsstarken, sehr innovativen Gründungen Rechnung. Die in der Strategie genannten Punkte setzen richtige Schwerpunkte, um Deutschland und damit auch Bayerisch-Schwaben zu einem starken Start-upStandort zu machen.“Zugleich äußert sie Kritik: „Mit Blick auf die hohe Dichte an Gründerzentren in unserer Region vermissen wir jedoch in der Start-up-Strategie die Stärkung der bereits vorhandenen regionalen Förderstrukturen. Die Gründerzentren haben einen großen Anteil an der positiven Startup-Entwicklung in BayerischSchwaben und sollten in der Förderpolitik berücksichtigt werden.“
Deutliche Kritik gibt es indes in Sachen Wagnis-Kapital und Altersvorsorge. Sascha Straub, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bayern, gibt zu bedenken: „Über 80 Prozent der Start-ups überleben wirtschaftlich ihre ersten drei Jahre nicht. Deshalb spricht man bei Investitionen in diesen Bereich auch von Risikokapital. Gelder, die für den Aufbau der Altersvorsorge vorgesehen sind, hier zu investieren, ist unvernünftig und der völlig falsche Weg.“