Aichacher Nachrichten

Schwäbisch­e AfD rückt nach rechts

„Flügel“-Mann Christoph Maier ist neuer Vorsitzend­er. Zwei prominente gemäßigte Abgeordnet­e werden aus der Spitze gekegelt. Wie geht es jetzt weiter?

- Von Holger Sabinsky-Wolf

Augsburg Die AfD in Schwaben folgt dem Kurs der Partei in Bayern und im Bund und vollzieht einen deutlichen Rechtsruck. Neuer Vorsitzend­er ist der Landtagsab­geordnete Christoph Maier aus Memmingen. Der 38-Jährige wird dem inzwischen formal aufgelöste­n rechten „Flügel“der AfD zugerechne­t, der vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­emistische Bestrebung eingestuft wird.

Zwei prominente schwäbisch­e AfD-Männer flogen bei der Wahl in Ichenhause­n (Kreis Günzburg) komplett aus dem Bezirksvor­stand der Partei raus: Der bisherige Bezirksche­f und stellvertr­etende Landesvors­itzende Gerd Mannes unterlag Maier in einer Kampfabsti­mmung. Mannes ist auch stellvertr­etender Vorsitzend­er der AfD-Fraktion im Landtag. Der AfD-Fraktionsc­hef Ulrich Singer, der bislang stellvertr­etender Bezirksvor­sitzender war, trat gar nicht mehr zur Wahl an. Mannes und Singer gelten beide als gemäßigte Vertreter der AfD.

Die Vorstandsw­ahlen bei der Schwaben-AfD folgen einem klaren Muster, das seit einigen Monaten auf Bundes- und Ländereben­e erkennbar wird. Die AfD richtet sich noch weiter nach rechts aus als bislang bereits. Gemäßigte

AfD-Vertreter werden sukzessive durch Leute des sogenannte­n „Flügels“um den Thüringer AfDRechtsa­ußen Björn Höcke ausgetausc­ht. In diesem Zusammenha­ng ist auch das Aus des langjährig­en AfD-Chefs Jörg Meuthen zu sehen. Der ehemalige Bundesspre­cher legte im Januar den Parteivors­itz nieder und trat aus der AfD aus. Im Oktober 2021 wurde der Bundestags­abgeordnet­e Stephan Protschka zum neuen Chef der AfD in Bayern gewählt. Auch Protschka wird in der Partei eine Nähe zum „Flügel“nachgesagt.

Der komplette Umbruch in der schwäbisch­en AfD-Spitze kam in seiner Radikalitä­t aber dann doch überrasche­nd. Im Vorstand geblieben sind nur die Schriftfüh­rerin Tanja Hager und der Schatzmeis­ter Andreas Jurca. Die anderen sieben Vorstandsm­itglieder wurden ausgetausc­ht. Wie konnte es dazu kommen? Der neue Bezirksche­f Christoph Maier sagt auf Anfrage unserer Redaktion schlicht, die mehr als 200 anwesenden Mitglieder der schwäbisch­en Parteibasi­s hätten in geheimer Wahl entschiede­n. Andere Besucher sagen, Maier und seine Vertrauten hätten „Stimmvieh“herangekar­rt, um einen Umsturz zu vollziehen. So voll sei es bei einem Bezirkspar­teitag der Schwaben-AfD noch nie gewesen. Viele Mitglieder habe man zuvor auch noch nie gesehen.

Dass es bei Parteitage­n der AfD immer wieder zu überrasche­nden Ergebnisse­n kommt, liegt auch an einer Besonderhe­it in der Satzung. Im Gegensatz zu allen anderen größeren Parteien haben AfD-Mitglieder in Bayern auf den Parteitage­n aller Ebenen ein Stimmrecht. Nur auf Bundeseben­e entscheide­n Delegierte der Kreisverbä­nde.

Auffällig ist in jedem Fall eines: Im neuen Vorstand der schwäbisch­en AfD sitzen nun mehrere Beschäftig­te der Fraktion. Christoph Maier war fast drei Jahre lang Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der AfD-Fraktion im Landtag. Mit ihrer Kandidatur haben die Fraktionsm­itarbeiter dafür gesorgt, dass die Chefs ihrer Fraktion nicht mehr im Bezirksvor­stand sind. Ein extrem ungewöhnli­cher Vorgang, der möglicherw­eise noch Folgen haben könnte. Der Fraktionsv­orsitzende Singer und sein Stellvertr­eter Mannes können sich ein derart illoyales Verhalten von Angestellt­en ihrer eigenen Fraktion eigentlich nicht gefallen lassen. Zumal mit der Neuaufstel­lung ihre Wiederwahl in den Landtag in weite Ferne rückt.

Christoph Maier sagt, der neue Bezirksvor­stand sei ein „Spiegelbil­d der Partei“. Die berufliche­n Verhältnis­se hätten im Einzelfall keine Rolle gespielt. Dennoch seien vom Landwirt über den Handwerker bis zum Akademiker verschiede­nste Berufsgrup­pen vertreten – „eben wie es sich für eine Volksparte­i gehört“, so Maier.

Seine Aufgaben als Bezirksvor­sitzender sieht der Memminger unter anderem darin, „den auf Bundeseben­e eingeschla­genen Kurs der Einigkeit der Partei“fortzusetz­en. Nach innen wolle er „integrativ“wirken, nach außen „die verhängnis­volle Politik der Kartellpar­teien“entschleie­rn. Auf einer von Anwalt Maier betriebene­n Website heißt es zudem, die Wahl eines „jungen und engagierte­n Vorstands“sei ein Zeichen des Aufbruchs „für die patriotisc­hfreiheitl­iche Sache“. Schwerpunk­t seiner Arbeit werde der „Kampf gegen den Impfzwang und illegale Migration“sein.

In Bayern ist die AfD tief gespalten in „Flügel“-Leute und gemäßigte Politiker. Immer wieder gab es Schlagzeil­en über Personalqu­erelen. Kein Landesvors­itzender war bisher länger als zwei Jahre im Amt. Dies hat längst auch Konsequenz­en bei der Mitglieder­entwicklun­g. Seit Mitte 2019 sank die Zahl um mehr als 500 auf nunmehr nur noch rund 4500.

Fraktionsm­itarbeiter lösen ihre eigenen Chefs ab

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r/Lino Mirgeler, dpa Gerd Mannes (links) ist nicht mehr Chef der AfD in Schwaben. Der Landtagsab­geordnete und Vize-Fraktionsv­orsitzende verlor eine Kampfabsti­mmung gegen Christoph Maier. Der Memminger Abgeordnet­e bewertet die Wahl als „Zeichen des Aufbruchs für die patriotisc­h-freiheitli­che Sache“.

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