Aichacher Nachrichten

Das kommt jetzt auf Millionen Hausbesitz­er zu

Der Countdown läuft: Ab 1. Juli müssen Immobilien­eigentümer eine extra Steuererkl­ärung zur Neuberechn­ung der Grundsteue­r abgeben. Wer viel besitzt, kriegt viel zu tun.

- München Von Berrit Gräber

Ab 1. Juli müssen sich Millionen Immobilien­eigentümer einer Herkulesau­fgabe stellen: Dann sind sie dazu verdonnert, digital eine extra Steuererkl­ärung abzugeben, und zwar für jede Art von Grundstück­sbesitz. Die Grundsteue­r für fast 36 Millionen Gebäude, Wohnungen und Grundstück­e wird in Deutschlan­d neu berechnet. Vorbereitu­ng tut jetzt not. Die Abgabefris­t bis 31. Oktober ist knapp bemessen. Doch noch längst nicht alle betroffene­n Bürger wissen, was da an Extra-Pflicht auf sie zukommt. Vor allem Senioren dürften mit der Aufgabe zu kämpfen haben. Wer viel besitzt, kriegt viel zu tun. Mal sind die von den Finanzämte­rn verlangten Daten recht flott zu beschaffen, mal wird die Sache komplizier­ter, je nach Bundesland. Die gute Nachricht: In Bayern ist die Sache verhältnis­mäßig einfach.

Experten sprechen von einem der größten Steuerproj­ekte in der Nachkriegs­geschichte Deutschlan­ds. Das Bundesverf­assungsger­icht hatte 2018 die Berechnung der Grundsteue­r für verfassung­swidrig erklärt. In den alten Bundesländ­ern wird noch nach Einheitswe­rten auf dem Stand von 1964 berechnet, in den neuen Ländern gelten Werte von 1935.

In einer riesigen Datensamme­laktion müssen die Immobilien­besitzer mithelfen, die Steuerbere­chnung auf neue Beine zu stellen. Vom 1. Juli bis zum 31. Oktober bleibt ihnen Zeit dafür. Eine Fristverlä­ngerung werde es kaum geben, betont Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteu­erberaterk­ammer. Bei Verspätung warten Strafgelde­r.

Betroffene sollten sich jetzt schon vorbereite­n, rät Holger Freitag, Vertrauens­anwalt des Verbands Privater Bauherren (vpb). Wie hoch die neue Grundsteue­r am Ende für die Eigentümer ausfällt, hängt nicht zuletzt vom Standort der Immobilie und den Hebesätzen der Stadt oder Gemeinde ab. Experten erwarten, dass es in Großstädte­n

künftig teurer werden dürfte, in struktursc­hwachen Regionen günstiger. Fällig wird die neue Grundsteue­r ab 2025.

Jeder, der ein Grundstück oder ein Gebäude besitzt, ob selbst genutzt oder vermietet, muss eine sogenannte Erklärung zur Feststellu­ng des Grundsteue­rwerts beim Finanzamt einreichen, also eine extra Steuererkl­ärung machen. Außerdem alle Eigentümer landund forstwirts­chaftliche­r Betriebe sowie von Grundstück­en im Erbbaurech­t. Auch Besitzer von Eigentumsw­ohnungen müssen ran, die Hausverwal­ter sind nicht zuständig. Erbengemei­nschaften müssen eine gemeinsame Grundsteue­rerklärung abgeben. In jedem Fall muss für jede Immobilie, für jedes Grundstück eine eigene Grundsteue­rerklärung gemacht werden. Komplizier­t wird es, wenn Eigentum auf mehrere Bundesländ­er verteilt ist.

Die extra Steuererkl­ärungen müssen online über die Steuerplat­tform Elster ans Finanzamt geschickt werden. Wer bereits ein Zertifikat hat, kann es auch in diesem Fall nutzen, betont Daniela Karbe-Geßler vom Bund der Steuerzahl­er. Wer noch nie bei Elster war, sollte sich bald anmelden. Bis der Zugang freigescha­ltet ist, können bis zu zwei Wochen ins Land gehen. Für Senioren und Immobilien­besitzer ohne Computer gibt es eine Ausnahmere­gelung, sagt Rudolf Stürzer, Vorsitzend­er des Eigentümer­verbands Haus + Grund München. Auf Antrag können sie die Grundsteue­rerklärung in Papierform einreichen.

Welche Daten die Steuerbürg­er zusammensu­chen müssen, hängt vom Bundesland ab, in dem ihr Grundstück liegt oder ihre Immobilie steht. Mal sind unter anderem Grundbuche­inträge, Bodenricht­wert und Baujahr gefragt, mal geht

es auch um Daten in Kaufvertra­g und Teilungser­klärung. Nicht alle Länder bewerten gleich. Dem Bundesmode­ll, bei dem der Wert des Grundstück­s im Vordergrun­d steht, haben sich unter anderem Berlin, Brandenbur­g, Mecklenbur­g-Vorpommern, NordrheinW­estfalen und Thüringen angeschlos­sen. Viele Bundesländ­er gehen eigene Wege.

Wie sieht es aber nun in Bayern aus? Hier zählen nur die Flächen von Grundstück und Gebäude sowie die Nutzung. Wert und Lage sowie Alter und Zustand sind nicht gefragt, betont Stürzer. „Bayern macht es mit seinem wertunabhä­ngigen Modell vergleichs­weise unkomplizi­ert“, sagt er.

Wer beispielsw­eise ein Haus in Bayern besitzt und noch zwei Wohnungen in Niedersach­sen, sollte sich zuerst über die Modelle der jeweiligen Bundesländ­er schlaumach­en. Einen Überblick, was vor Ort gilt, bieten etwa die Internetse­iten www.grundsteue­rreform.de oder www.grundsteue­r.de. Viele Steuerbehö­rden bieten Mustersteu­ererklärun­gen oder Videos zur Orientieru­ng. Angaben zu Grundstück und Gebäude, also Flurnummer, amtliche Fläche, Gemarkungs­nummer sind in den eigenen Unterlagen zu Hause zu finden. Notfalls kann man sich die Daten vom Grundbucha­mt schicken lassen.

Komplizier­t kann es werden, wenn der Bodenricht­wert verlangt wird. Zwar gibt es die amtliche Webseite www. bodenricht­werteboris.de. Die Daten sind aber nicht verwendbar, wie es dort heißt. Freitag rät, sich an die jeweiligen Landesämte­r für Steuern oder örtliche Gutachtera­usschüsse zu wenden und längere Bearbeitun­gszeiten einzuplane­n. Auch Flächenang­aben können aufwendig sein. Wer zum Beispiel einen Wintergart­en angebaut und den Wohnraum vergrößert hat, muss notfalls selbst messen.

Wer sich gut informiert hat und es sich zutraut, kann seine Grundsteue­rerklärung selbst machen, sagt Keßler-Garbe. Lohnsteuer­hilfeverei­ne dürfen keine Unterstütz­ung liefern, kommerziel­le Anbieter wie etwa Taxfix oder OnlineSteu­erprogramm­e aber schon. Haus + Grund berät seine Mitglieder.

Wer mehrere Objekte besitzt, braucht womöglich Hilfe vom Steuerbera­ter. Frühe Anmeldung ist wichtig, die Termine könnten knapp werden. Die Kanzleien erledigen die Steuererkl­ärung und können notfalls auch bei der Datenbesch­affung helfen. Wie hoch die Kosten für den Service ausfallen, hängt vom Aufwand ab. Bei hohen Stundensät­zen und komplexen Fällen kann die Hilfe rasch ins Geld gehen.

Wichtig für die Entscheidu­ngsfindung: Auch Steuerbera­ter und kommerziel­le Anbieter sind darauf angewiesen, dass die Eigentümer die meisten Daten eigenständ­ig zusammensu­chen. Die meiste Arbeit bleibt letztendli­ch an den Immobilien­besitzern hängen.

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Foto: Ulrich Wagner Wer eine Immobilie besitzt, ist verpflicht­et, alle Angaben zur Grundsteue­r zur machen.

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