Aichacher Nachrichten

E.T.A. Hoffmann: Das Fräulein von Scuderi (5)

- 6. Fortsetzun­g folgt

Der göttliche Held, der seine Feinde niedergesc­hmettert, werde nun auch sein siegreich funkelndes Schwert zucken, und wie Herkules die Lernäische Schlange, wie Theseus den Minotaur, das bedrohlich­e Ungeheuer bekämpfen, das alle Liebeslust wegzehre und alle Freude verdüstre in tiefes Leid, in trostlose Trauer.

So ernst die Sache auch war, so fehlte es diesem Gedicht doch nicht, vorzüglich in der Schilderun­g, wie die Liebhaber auf dem heimlichen Schleichwe­ge zur Geliebten

sich ängstigen müßten, wie die Angst schon alle Liebeslust, jedes schöne Abenteuer der Galanterie im Aufkeimen töte, an geistreich-witzigen Wendungen. Kam nun noch hinzu, daß beim Schluß alles in einen hochtraben­den Panegyriku­s auf Ludwig XIV. ausging, so konnte es nicht fehlen, daß der König das Gedicht mit sichtliche­m Wohlgefall­en durchlas. Damit zustandege­kommen, drehte er sich, die Augen nicht wegwendend von dem Papier, rasch um zur Maintenon, las das Gedicht noch einmal mit lauter Stimme ab und fragte dann anmutig lächelnd, was sie von den Wünschen der gefährdete­n Liebhaber halte. Die Maintenon, ihrem ernsten Sinne treu und immer in der Farbe einer gewissen Frömmigkei­t, erwiderte, daß geheime verbotene Wege eben keines besonderen Schutzes würdig, die entsetzlic­hen Verbrecher aber wohl besonderer Maßregeln zu ihrer Vertilgung wert wären. Der König, mit dieser schwankend­en Antwort unzufriede­n, schlug das Papier zusammen und wollte zurück zu dem Staatssekr­etär, der in dem andern Zimmer arbeitete, als ihm bei einem Blick, den er seitwärts warf, die Scuderi ins Auge fiel, die zugegen war und eben unfern der Maintenon auf einem kleinen Lehnsessel Platz genommen hatte. Auf diese schritt er nun los; das anmutige Lächeln, das erst um Mund und Wangen spielte, und das verschwund­en, gewann wieder Oberhand, und dicht vor dem Fräulein stehend, und das Gedicht wieder auseinande­r faltend, sprach er sanft: Die Marquise mag nun einmal von den Galanterie­n unserer verliebten Herren nichts wissen und weicht mir aus auf Wegen, die nichts weniger als verboten sind. Aber Ihr, mein Fräulein, was haltet Ihr von dieser dichterisc­hen Supplik? Die Scuderi stand ehrerbieti­g auf von ihrem Lehnsessel, ein flüchtiges Rot überflog wie Abendpurpu­r die blassen Wangen der alten würdigen Dame, sie sprach, sich leise verneigend mit niedergesc­hlagenen Augen:

Un amant qui craint les voleurs n’est point digne d’amour. Der König, ganz erstaunt über den ritterlich­en Geist dieser wenigen Worte, die das ganze Gedicht mit seinen ellenlange­n Tiraden zu Boden schlugen, rief mit blitzenden Augen: Beim heiligen Dionys, Ihr habt recht, Fräulein! Keine blinde Maßregel, die den Unschuldig­en trifft mit dem Schuldigen, soll die Feigheit schützen; mögen Argenson und la Regnie das Ihrige tun!

Alle die Greuel der Zeit schilderte nun die Martiniere mit den lebhaftest­en Farben, als sie am andern Morgen ihrem Fräulein erzählte, was sich in voriger Nacht zugetragen, und übergab ihr zitternd und zagend das geheimnisv­olle Kästchen.

Sowohl sie als Baptiste, der ganz verblaßt in der Ecke stand und vor Angst und Beklommenh­eit die Nachtmütze in den Händen knetend, kaum sprechen konnte, baten das Fräulein auf das Wehmütigst­e um aller Heiligen willen, doch nur mit möglichste­r Behutsamke­it das Kästchen zu öffnen. Die Scuderi, das verschloss­ene Geheimnis in der Hand wiegend und prüfend, sprach lächelnd: Ihr seht beide Gespenster! Daß ich nicht reich bin, daß bei mir keine Schätze, eines Mordes wert, zu holen sind, das wissen die verruchten Meuchelmör­der da draußen, die, wie ihr selbst sagt, das Innerste der Häuser erspähen, wohl ebensogut als ich und ihr. Auf mein Leben soll es abgesehen sein? Wem kann was an dem Tode liegen einer Person von dreiundsie­bzig Jahren, die niemals andere verfolgte als die Bösewichte­r und Friedensst­örer in den Romanen, die sie selbst schuf, die mittelmäßi­ge Verse macht, welche niemandes Neid erregen können, die nichts hinterlass­en wird, als den Staat des alten Fräuleins, das bisweilen an den Hof ging, und ein paar Dutzend gut eingebunde­ner Bücher mit vergoldete­m Schnitt! Und du, Martiniere! du magst nun die Erscheinun­g des fremden Menschen so schreckhaf­t beschreibe­n wie du willst, doch kann ich nicht glauben, daß er Böses im Sinne getragen.

Also!

Die Martiniere prallte drei Schritte zurück, Baptiste sank mit einem dumpfen Ach! halb in die Knie, als das Fräulein nun an einen hervorrage­nden stählernen Knopf drückte und der Deckel des Kästchens mit Geräusch aufsprang.

Wie erstaunte das Fräulein, als ihr aus dem Kästchen ein Paar goldne, reich mit Juwelen besetzte Armbänder und eben ein solcher Halsschmuc­k entgegenfu­nkelten. Sie nahm das Geschmeide heraus, und indem sie die wundervoll­e Arbeit des Halsschmuc­k lobte, beäugelte die Martiniere die reichen Armbänder und rief ein Mal über das andere, daß ja selbst die eitle Montespan nicht solchen Schmuck besitze. Aber was soll das, was hat das zu bedeuten, sprach die Scuderi. In dem Augenblick gewahrte sie auf dem Boden des Kästchens einen kleinen zusammenge­falteten Zettel.

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