Nicht einmal Königin Serena kann die Zeit anhalten
Nach dem Erstrunden-Aus in Wimbledon rückt das Karriereende der langjährigen Dominatorin immer näher. Sie war gekommen, um einen Rekord zu brechen – nun stellen sich Fragen nach der Zukunft.
Die Fans hofften auf ein Wunder: vergeblich
London Als Serena Williams am späten Dienstagabend den Centre Court von Wimbledon verließ, hatte sie sich ein gewinnendes Lächeln verordnet. Fast sah die siebenmalige Rasen-Königin wie eine Siegerin aus, wie jemand, der soeben ein strahlendes Comeback im Theater der Tennisträume hingezaubert hatte. Die Pose wirkte, bei näherem Hinsehen, allerdings arg bemüht, aufgesetzt und künstlich, denn die Rückkehr ins professionelle Grand Slam-Geschäft war letztlich schiefgegangen. Bittere Realität für die größte Spielerin dieser Epoche war die nüchterne Feststellung: Bei der spannungsgeladenen, abenteuerlichen 5:7, 6:1, 6:7 (7:10)-Niederlage gegen Wimbledon-Debütantin Harmony Tan aus Frankreich sah die 40-jährige Altmeisterin genau wie eine
Spielerin aus, die ein Jahr lang kein Wettkampfmatch mehr bestritten hatte. Und bei der angezweifelt werden muss, ob sie den Anschluss an die weit, weit enteilte Weltspitze noch einmal finden würde.
Auf eine wundersame Wiederauferstehung nach dem Verletzungs-Aus letztes Jahr in Wimbledon hatten Williams und ihre Fans gehofft, doch über weite Strecken der schwachen, dennoch dramatischen Partie wirkte der Auftritt der langjährigen Frontfrau eher konfus und hilflos.
„Manchmal muss man zufrieden sein mit dem, was im Moment geht“, sagte die Amerikanerin illusionsfrei nach den gut drei Stunden auf der Hauptwiese des All England Lawn Tennis Club. Ob sie noch einmal an den Schauplatz glorreicher Triumphe im Einzel und Doppel mit Schwesterherz Venus zurückkehren werde, ließ Williams verständlicherweise offen: „Beantworten kann ich das jetzt nicht. Keine Ahnung, wo ich als Nächstes auftauchen werde.“Vielleicht bei den US Open, dort, wo sie vor 24 Jahren ihren ersten MajorTitel gewonnen hatte? „Genügend Motivation“sei noch vorhanden, sagte Williams, „zu Hause zu spielen, ist immer was Besonderes“. Motivation aber kann Fitness nicht gänzlich ausgleichen.
Zwei wenig erbauliche Erkenntnisse hielt dieser denkwürdige Auftritt der einstigen WimbledonHerrscherin am Dienstagabend parat: In besseren Tagen, selbst mit durchschnittlicher Leistungskraft, hätte die vor Nervosität zappelnde Französin Tan keine Chance gegen Williams besessen, sie wäre von der schieren Wucht und Dynamik des Serena-Schlagrepertoires überrollt worden. Und, andererseits: Gegen die aktuellen Branchengrößen, allen voran die Polin Iga Swiatek, hätte Williams bei dieser Erstrundenprüfung eine herbe, mutmaßlich vernichtende Schlappe kassiert. Insofern wirkte die Einschätzung von Williams, jede andere Spielerin außer Schnibbelkünstlerin Tan hätte ihr
„eindeutig besser gelegen“, eher grotesk und wie leichter Selbstbetrug.
Dass die Amerikanerin tatsächlich noch in Reichweite eines Erstrundensieges gelangen konnte – bei einer 5:4-Führung im dritten Satz fehlten ihr nur noch zwei Punkte –, war nicht eigener Qualität, sondern der Flatterhaftigkeit der aufgeregten Französin geschuldet. Als sie die Auslosung realisiert habe, sei sie erschrocken gewesen, habe „richtig Angst“gehabt, so Tan: „Ich dachte: Oh mein Gott, hoffentlich kann ich ein, zwei Spiele gewinnen.“
Die 24-Jährige spielte bei ihrer Wimbledon- und Centre-CourtPremiere dann durchaus schlau und gewitzt, ließ in guten Momenten
Williams gnadenlos laufen. Doch genau wie die Amerikanerin leistete sie sich eine zuweilen bizarre Leistungsachterbahnfahrt, ging durch manche Höhen und viele Tiefen. Das Spiel bot reichlich Drama, Spektakel und Thrill, aber nicht oft auf Grand Slam-Niveau.
Im Tennis-Magazin wurde gerade auf eine Aussage verwiesen, die Williams 2010 gemacht hatte, nach ihrem vierten WimbledonTitel. Damals wurde sie gefragt, ob sie in zehn Jahren noch auf dem
Grand Slam-Rasen um die Krone kämpfen werde. Ihre Antwort seinerzeit: „Wenn das passiert, möchte ich, dass Sie mich persönlich vom Platz begleiten. Es gibt keinen Grund, dass ich mit 38 noch auf dem Platz stehe.“Nun wird Williams bald 41, spielte und spielt trotz aller Widrigkeiten weiter Tennis – weil es für sie dann doch einen Grund gab, nämlich den historischen Grand Slam-Rekord von Margaret Court-Smith mit 24 Titeln wenigstens einzustellen. Vier Grand Slam-Finals verlor sie in den letzten Jahren bei diesem Vorhaben, auch 2018 gegen Angelique Kerber in Wimbledon. Doch von Endspielen und Major-Pokalen kann Williams jetzt nur noch träumen.
Williams liefert immerhin reichlich Drama