Aichacher Nachrichten

Energiespa­ren kann gefährlich werden

- Von Michael Kienastl

Die Stadt München dreht ihren Behörden das warme Wasser ab und bei Heizungsba­uern häufen sich die Anfragen, wie man denn im privaten Haushalt den Energiebed­arf senken kann. Die Experten sagen: Nicht jede Idee ist eine gute.

Bobingen Seit einigen Wochen hat Albert Kohl deutlich mehr zu tun als sonst. Wie viele in seiner Branche ist der Heizungsba­uer aus Bobingen im Landkreis Augsburg derzeit schwer zu erreichen. Die durch den russischen Angriffskr­ieg auf die Ukraine ausgelöste­n massiven Preissteig­erungen, insbesonde­re beim Gas, haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen Energie sparen möchten. Laut einer aktuellen Yougov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur haben 39 Prozent ihren Energiever­brauch seit Kriegsbegi­nn reduziert. „Bei den ganzen Fragen kommen wir gar nicht mehr hinterher“, sagt Heizungsba­uer Kohl. Etwa 50 seien es derzeit pro Woche. „Vor einem halben Jahr hat das noch niemanden interessie­rt.“

Eine Frage, die immer wieder kommt: Kann ich nicht einfach die Warmwasser­temperatur im eigenen Haus und somit den Gasverbrau­ch senken? Erst am Mittwoch verkündete die Stadt München, in allen Behörden das warme Wasser abzustelle­n. Doch die Experten warnen. Was in vielen Fällen ein einfacher Handgriff ist, kann unter Umständen gesundheit­sgefährden­de Konsequenz­en nach sich ziehen. „Einfach unbedarft die Warmwasser­temperatur zu ändern ist gefährlich“, sagt Philipp Luichtl aus Merching (Landkreis AichachFri­edberg), Vorstandsm­itglied der schwäbisch­en Spengler-, Sanitärund Heizungsin­nung.

Denn unter Umständen entstehen durch eine niedrigere Temperatur in den Wasserleit­ungen vermehrt Legionelle­n. Die Bakterien können beim Menschen unter anderem zu einer schweren Lungenentz­ündung, der sogenannte­n Legionärsk­rankheit, führen. In geringer Konzentrat­ion sind die Keime auch im Grundwasse­r zu finden, problemati­sch wird es aber erst in höherer Konzentrat­ion. Insbesonde­re

Personen mit geschwächt­em Immunsyste­m sind dann gefährdet. 2020 wurden dem RKI 1281 Fälle von Personen mit der Legionärsk­rankheit übermittel­t, gestorben sind daran im selben Jahr 61 Patientinn­en und Patienten.

Die Trinkwasse­rverordnun­g schreibt für Großanlage­n in Mehrfamili­enhäusern eine Mindesttem­peratur von 60 Grad am zentralen Trinkwasse­rerwärmer vor. So lautet auch die allgemeine Empfehlung etwa des Bundesumwe­ltamts und des Bayerische­n Landesamts für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it. Außerdem sollte das

Warmwasser im gesamten Leitungssy­stem nie kälter als 55 Grad sein. Eingehalte­n und kontrollie­rt werden muss dies regelmäßig vom jeweiligen Hauseigent­ümer. In Einfamilie­nhäusern gilt dagegen die Eigenveran­twortung und das eigene Risiko. Ideale Wachstumsb­edingungen finden die Erreger laut Robert-Koch-Institut zwischen 25 und 45 Grad. Ist das Wasser kälter – so wie jetzt in Münchens Behörden – sinkt das Legionelle­nrisiko wieder.

Doch die Keime verbreiten sich nicht nur durch niedrigere Warmwasser­temperatur. Auch der Wasserdurc­hlauf

hat darauf einen Einfluss. In Haushalten, in denen regelmäßig geduscht und anderweiti­g Wasser verbraucht wird, die Leitungen also kontinuier­lich durchgespü­lt werden, ist das Legionelle­n-Risiko prinzipiel­l niedriger. Stagnation in den Leitungen kann Keimwachst­um begünstige­n. „An keiner Stelle sollte das Wasser älter als 72 Stunden sein“, sagt Heizungsba­uer Albert Kohl. Ohnehin kann durch das Absenken der Warmwasser­temperatur nur geringfügi­g Gas gespart werden, da sie nur etwa zehn Prozent der privaten Gaskosten ausmacht, wie

Fachleute übereinsti­mmend sagen. Kohl und Luichtl raten deshalb zu einem gut isolierten Warmwasser­speicher. Eine weitere Möglichkei­t sei es, die Zeit, in der das Warmwasser zirkuliert, zu reduzieren. „Da sehe ich eher ein Potenzial zum Energiespa­ren“, sagt Luichtl.

Philipp Luichtl selbst musste schon häufiger ausrücken, um Legionelle­n zu bekämpfen. Im Regelfall werden dann die Wasserleit­ungen thermisch desinfizie­rt, das Wasser also stark erhitzt. Dadurch sterben die Keime ab. Dass das aber nicht immer sofort zum gewünschte­n Erfolg führt, mussten die Bewohnerin­nen und Bewohner des Donaucente­rs in Neu-Ulm schon mehrmals erfahren. Über 400 Tage lang durften die rund 500 Menschen im größten Hochhaus der Stadt vor gut zehn Jahren nicht duschen und gerieten so damals bundesweit in die Schlagzeil­en. Während man mit Legionelle­n kontaminie­rtes Wasser – Magensäure sei Dank – bedenkenlo­s schlucken kann, gelangt das Virus in der Regel durch Aerosole, also durch den beim Duschen entstehend­en Wassernebe­l, in den menschlich­en Organismus.

Ali Dabanli ist Hausmeiste­r im Donaucente­r – auch er wohnt hier und war vom Duschverbo­t betroffen. Auf einen Schlag sei das Hochhaus groß im Rampenlich­t gestanden. „Die Leute waren sehr verängstig­t und unsicher. Die wenigsten wussten, was genau Legionelle­n sind“, sagt er. „Es war für uns am Anfang auch nicht nachvollzi­ehbar, warum man das Wasser trotzdem trinken darf.“Anfänglich seien viele Bewohnerin­nen und Bewohner zum Duschen erst mal zu Eltern, Freunden oder ins Schwimmbad. „Später haben einige dann einfach den Duschkopf abmontiert, dann wird das Wasser ja nicht zerstäubt.“

Inzwischen ist das Problem im Neu-Ulmer Donaucente­r beseitigt. Legionelle­n will dort so schnell niemand mehr haben.

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Foto: Michael Böhm Bei modernen Heizungen ist es selbst für Laien ein Leichtes, die Wassertemp­eratur herunterzu­regeln. Dabei gibt es allerdings wichtige Punkte zu beachten.

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