Energiesparen kann gefährlich werden
Die Stadt München dreht ihren Behörden das warme Wasser ab und bei Heizungsbauern häufen sich die Anfragen, wie man denn im privaten Haushalt den Energiebedarf senken kann. Die Experten sagen: Nicht jede Idee ist eine gute.
Bobingen Seit einigen Wochen hat Albert Kohl deutlich mehr zu tun als sonst. Wie viele in seiner Branche ist der Heizungsbauer aus Bobingen im Landkreis Augsburg derzeit schwer zu erreichen. Die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelösten massiven Preissteigerungen, insbesondere beim Gas, haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen Energie sparen möchten. Laut einer aktuellen Yougov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur haben 39 Prozent ihren Energieverbrauch seit Kriegsbeginn reduziert. „Bei den ganzen Fragen kommen wir gar nicht mehr hinterher“, sagt Heizungsbauer Kohl. Etwa 50 seien es derzeit pro Woche. „Vor einem halben Jahr hat das noch niemanden interessiert.“
Eine Frage, die immer wieder kommt: Kann ich nicht einfach die Warmwassertemperatur im eigenen Haus und somit den Gasverbrauch senken? Erst am Mittwoch verkündete die Stadt München, in allen Behörden das warme Wasser abzustellen. Doch die Experten warnen. Was in vielen Fällen ein einfacher Handgriff ist, kann unter Umständen gesundheitsgefährdende Konsequenzen nach sich ziehen. „Einfach unbedarft die Warmwassertemperatur zu ändern ist gefährlich“, sagt Philipp Luichtl aus Merching (Landkreis AichachFriedberg), Vorstandsmitglied der schwäbischen Spengler-, Sanitärund Heizungsinnung.
Denn unter Umständen entstehen durch eine niedrigere Temperatur in den Wasserleitungen vermehrt Legionellen. Die Bakterien können beim Menschen unter anderem zu einer schweren Lungenentzündung, der sogenannten Legionärskrankheit, führen. In geringer Konzentration sind die Keime auch im Grundwasser zu finden, problematisch wird es aber erst in höherer Konzentration. Insbesondere
Personen mit geschwächtem Immunsystem sind dann gefährdet. 2020 wurden dem RKI 1281 Fälle von Personen mit der Legionärskrankheit übermittelt, gestorben sind daran im selben Jahr 61 Patientinnen und Patienten.
Die Trinkwasserverordnung schreibt für Großanlagen in Mehrfamilienhäusern eine Mindesttemperatur von 60 Grad am zentralen Trinkwassererwärmer vor. So lautet auch die allgemeine Empfehlung etwa des Bundesumweltamts und des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Außerdem sollte das
Warmwasser im gesamten Leitungssystem nie kälter als 55 Grad sein. Eingehalten und kontrolliert werden muss dies regelmäßig vom jeweiligen Hauseigentümer. In Einfamilienhäusern gilt dagegen die Eigenverantwortung und das eigene Risiko. Ideale Wachstumsbedingungen finden die Erreger laut Robert-Koch-Institut zwischen 25 und 45 Grad. Ist das Wasser kälter – so wie jetzt in Münchens Behörden – sinkt das Legionellenrisiko wieder.
Doch die Keime verbreiten sich nicht nur durch niedrigere Warmwassertemperatur. Auch der Wasserdurchlauf
hat darauf einen Einfluss. In Haushalten, in denen regelmäßig geduscht und anderweitig Wasser verbraucht wird, die Leitungen also kontinuierlich durchgespült werden, ist das Legionellen-Risiko prinzipiell niedriger. Stagnation in den Leitungen kann Keimwachstum begünstigen. „An keiner Stelle sollte das Wasser älter als 72 Stunden sein“, sagt Heizungsbauer Albert Kohl. Ohnehin kann durch das Absenken der Warmwassertemperatur nur geringfügig Gas gespart werden, da sie nur etwa zehn Prozent der privaten Gaskosten ausmacht, wie
Fachleute übereinstimmend sagen. Kohl und Luichtl raten deshalb zu einem gut isolierten Warmwasserspeicher. Eine weitere Möglichkeit sei es, die Zeit, in der das Warmwasser zirkuliert, zu reduzieren. „Da sehe ich eher ein Potenzial zum Energiesparen“, sagt Luichtl.
Philipp Luichtl selbst musste schon häufiger ausrücken, um Legionellen zu bekämpfen. Im Regelfall werden dann die Wasserleitungen thermisch desinfiziert, das Wasser also stark erhitzt. Dadurch sterben die Keime ab. Dass das aber nicht immer sofort zum gewünschten Erfolg führt, mussten die Bewohnerinnen und Bewohner des Donaucenters in Neu-Ulm schon mehrmals erfahren. Über 400 Tage lang durften die rund 500 Menschen im größten Hochhaus der Stadt vor gut zehn Jahren nicht duschen und gerieten so damals bundesweit in die Schlagzeilen. Während man mit Legionellen kontaminiertes Wasser – Magensäure sei Dank – bedenkenlos schlucken kann, gelangt das Virus in der Regel durch Aerosole, also durch den beim Duschen entstehenden Wassernebel, in den menschlichen Organismus.
Ali Dabanli ist Hausmeister im Donaucenter – auch er wohnt hier und war vom Duschverbot betroffen. Auf einen Schlag sei das Hochhaus groß im Rampenlicht gestanden. „Die Leute waren sehr verängstigt und unsicher. Die wenigsten wussten, was genau Legionellen sind“, sagt er. „Es war für uns am Anfang auch nicht nachvollziehbar, warum man das Wasser trotzdem trinken darf.“Anfänglich seien viele Bewohnerinnen und Bewohner zum Duschen erst mal zu Eltern, Freunden oder ins Schwimmbad. „Später haben einige dann einfach den Duschkopf abmontiert, dann wird das Wasser ja nicht zerstäubt.“
Inzwischen ist das Problem im Neu-Ulmer Donaucenter beseitigt. Legionellen will dort so schnell niemand mehr haben.