Aichacher Nachrichten

Alles nur zum Wohl der Firma

Javier Bardem spielt in dem Film „Der perfekte Chef“den selbstgefä­lligen Besitzer eines Waagen-Unternehme­ns, der sich fürsorglic­h gibt, aber seine Mitarbeite­r manipulier­t – bis er die Balance verliert.

- Von Martin Schwickert

Auf das Gleichgewi­cht kommt es an – so lautet das Mantra des Unternehme­rs Julio Blanco (Javier Bardem), der sein Produkt zur Firmenund Lebensphil­osophie erhoben hat. Schon in der zweiten Generation baut das spanische Familienun­ternehmen Waagen für Industrie und Haushalt. „Sie wissen, dass ich und meine Frau kinderlos sind. Wir brauchen keine Kinder. Sie sind unsere Kinder“, sagt Julio zu den Angestellt­en in der Fabrikhall­e von der Hebebühne herab.

So viel Pathos muss sein. Schließlic­h ist „Blanco Waagen“einer von drei Finalisten um den Preis der Bezirksreg­ierung für „unternehme­rische Exzellenz“. Die Jury kann jederzeit auf einen Überraschu­ngsbesuch vorbeikomm­en. Da heißt es, die Belegschaf­t noch einmal auf Harmonie einschwöre­n.

Ein Unternehme­r, der glaubt, alles richtig zu machen, steht im Zentrum der Arbeitspla­tz-Satire „Der perfekte Chef“von Fernando León de Aranoa. Am Anfang ist es nur ein Vogel, der sich auf einer der beiden Waagschale­n neben dem Pförtnerha­us niederläss­t und das Messgerät aus der Balance bringt. Aber wenig später schlägt auf der anderen Straßensei­te José (Óscar de la Fuente) seine Zelte auf, um gegen seine Kündigung zu protestier­en.

Und auch hinter dem Werkstor kriselt es. Produktion­schef Miralles (Manolo Solo) kämpft mit Eheproblem­en und macht folgenschw­ere Fehler bei der Materialbe­stellung. Seit 22 Jahren arbeitet der Mann, so wie zuvor sein Vater, in der Waagenfabr­ik. Julio versucht, den Liebeskran­ken beim Essen im Restaurant oder mit Stripklub-Besuchen zur Besinnung zu bringen, und dringt mit seinen übergriffi­gen Fürsorgebe­mühungen viel zu tief in das Privatlebe­n des labilen Mitarbeite­rs ein. Von oben durch die Glasscheib­en seines Büros hat Julio ein Auge auf die neue Praktikant­in Liliana (Almudena Amor) geworfen. Die 24-Jährige erwidert seine Annäherung­sversuche, ist aber nicht gewillt, es bei einem One-Night-Stand zu belassen.

Mit schwarzem Humor und analytisch­em Blick dekonstrui­ert Fernando León de Aranoa in „Der perfekte Chef“den Mythos des gutherzige­n Kapitalist­en. Fein nuanciert spielt Javier Bardem den Unternehme­r, der sich als fürsorglic­he Vaterfigur inszeniert und es gewohnt ist, alle Fäden in der Hand zu halten. Aber hinter der paternalis­tischen Selbstgefä­lligkeit verbirgt sich eine kontrollsü­chtige Führungspe­rsönlichke­it, die mit regelmäßig­en Grenzübers­chreitunge­n in das Leben der Mitarbeite­nden

eingreift, um sie zum profitable­n Wohl der Firma zu manipulier­en.

Gleichzeit­ig ist die Figur als Prototyp einer Männergene­ration angelegt, die sich nie selbst hinterfrag­en musste und ihre eingeschrä­nkte Sicht auf die Welt im permanente­n Mansplaini­ng-Modus erklärt. Bardem, der während seiner Hollywood-Karriere in Filmen wie „No Country For Old

Men“(2007) schon einige verstörend­e Psychopath­en verkörpert hat, besitzt das notwendige Handwerksz­eug, um hinter der jovialen Fassade die seelischen Abgründe seiner Figur zu erkunden. Vor allem aber überzeugt „Der perfekte Chef“durch seinen analytisch­en Blick und ein stringente­s Konzept, das selbstbewu­sst der eigenen Idee vertraut, statt sich dem Mainstream anzubieder­n.

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Foto: dpa Ein Mann mit seelischen Abgründen: Javier Bardem als Unternehme­r Julio Blanco.

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