Die Zeche zahlen alle
Die Bundesregierung macht Ernst und legt die höheren Gaspreise auf die Privathaushalte um. Alle soll es im gleichen Maße treffen. Grundlage dafür ist das Energiesicherungsgesetz. Das hätte auch noch eine andere Variante gerechtfertigt.
Als das Ob geklärt war, ging es im Wirtschaftsministerium vor allem um das Wie. Lange wurde darüber diskutiert, in welcher Form die Gas-Umlage ab Oktober an die Kundinnen und Kunden weitergegeben wird. Geplant ist eine gleichmäßige Verteilung auf alle Haushalte. Das Energiesicherungsgesetz als rechtliche Grundlage hätte noch einen anderen Weg erlaubt.
Zwischen 1,5 und 5 Cent pro Kilowattstunde müssen die Privathaushalte demnächst zusätzlich zu den ohnehin schon steigenden Gaspreisen drauflegen. Diese Umlage geht an die Energieversorger, die weniger Gas aus Russland bekommen und sich den Ersatz teuer in anderen Ländern einkaufen müssen. Können die Energieunternehmen die hohen Preise nicht bezahlen und somit ihre Verträge nicht erfüllen, sind finanzielle
Schieflagen bis hin zu Insolvenzen möglich. Das wiederum würde ernste Störungen im gesamten Markt nach sich ziehen. In Regierungskreisen wird da gerne zum Vergleich die Pleite der LehmanBank herangezogen, deren Zusammenbruch 2008 die Weltwirtschaft in heftige Turbulenzen stürzte. Beim Energieriesen Uniper drohte dieses Szenario, der Staat kündigte deshalb jüngst ein milliardenschweres Rettungspaket an.
Die Umlage trifft alle Verbraucherinnen und Verbraucher gleichmäßig. Das liegt an Paragraf 26 des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG). Demnach wird der Zusatzbeitrag so berechnet, dass er für alle Gaskunden gleich hoch ist. Die Ampel erhofft sich davon eine faire Verteilung der Lasten auf viele Schultern. Die Alternative wäre Paragraf 24 des Energiesicherungsgesetzes gewesen; demnach wären die Haushalte unterschiedlich hoch belastet worden. Die Höhe der Umlage hätte sich dann
nach dem jeweiligen Vertrag beziehungsweise dem jeweiligen Unternehmen gerichtet. Kunden von Gaslieferanten, die bisher viel Gas aus Russland bezogen hatten und nun große Mengen Gas aus anderen Quellen zu hohen Preisen beschaffen müssen, hätten mit sehr stark steigenden Gaspreisen rechnen müssen. Für die Kunden von Gasversorgern, die sich schon früh von russischem Gas so weit wie
möglich unabhängig gemacht haben, wäre die Umlage hingegen geringer ausgefallen. „Diese mehr oder weniger zufällige, sehr ungleiche Verteilung der Kosten aus den verminderten Gaslieferungen aus Russland würde zu sozial und wirtschaftlich problematischen Schieflagen und Wettbewerbsverzerrungen führen“, hieß es dazu aus Regierungskreisen.
Bis die genaue Höhe der Umlage feststeht und sie vom Kabinett beschlossen ist, werden etwa drei Wochen vergehen. Sie soll ab 1. Oktober greifen. Bis sie auf der Gasrechnung auftaucht, dürfte noch mehr Zeit vergehen. Grund sind die langen Verfahrenswege. 90 Prozent der Ersatzbeschaffungskosten können die Unternehmen an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben, sie müssen diese Kosten aber erst einmal ermitteln. Anschließend werden diese dem Unternehmen Trading Hub Europe (THE) übermittelt beziehungsweise dort als Ersatzanspruch geltend gemacht. Die THE bündelt als Verantwortliche für den deutschen Markt mehrere Netzgesellschaften zu einem virtuellen Gashandelsplatz. Die Regierung will den Vorgang überwachen und darauf achten, dass die Unternehmen nicht etwa überhöhte Preise ansetzen und am Ende von der Notlage noch profitieren. Den Angaben zufolge ist dazu der Einsatz von Wirtschaftsprüfern vorgesehen.
Die Rechtsverordnung für die Umlage soll aus diesem Grund auch bis Oktober 2024 gelten. So lange werden die Kundinnen und Kunden nach Einschätzung von Regierungsvertretern den Zuschlag auf ihrer Rechnung sehen. Für die Unternehmen endet die Frist zur Geltendmachung Ende März 2024. Die Umlage darf nach Angaben aus Regierungskreisen nur unter der Voraussetzung erhoben werden, dass eine „erhebliche Reduzierung der Gasimportmengen nach Deutschland unmittelbar bevorsteht“. Aktuell ist das der Fall, denn Moskau lässt nur noch etwa ein Drittel der üblichen Gasmenge nach Deutschland durch. Sollte Präsident Wladimir Putin den Gashahn wieder aufdrehen, würde diese Voraussetzung entfallen. Damit rechnet in der Regierung gerade aber niemand. Weiterhin gilt daher das Ziel, durch den Ausbau der Erneuerbaren und das Sparen von Energie so schnell wie möglich unabhängig zu werden.