Aichacher Nachrichten

Die Zeche zahlen alle

Die Bundesregi­erung macht Ernst und legt die höheren Gaspreise auf die Privathaus­halte um. Alle soll es im gleichen Maße treffen. Grundlage dafür ist das Energiesic­herungsges­etz. Das hätte auch noch eine andere Variante gerechtfer­tigt.

- Von Stefan Lange

Als das Ob geklärt war, ging es im Wirtschaft­sministeri­um vor allem um das Wie. Lange wurde darüber diskutiert, in welcher Form die Gas-Umlage ab Oktober an die Kundinnen und Kunden weitergege­ben wird. Geplant ist eine gleichmäßi­ge Verteilung auf alle Haushalte. Das Energiesic­herungsges­etz als rechtliche Grundlage hätte noch einen anderen Weg erlaubt.

Zwischen 1,5 und 5 Cent pro Kilowattst­unde müssen die Privathaus­halte demnächst zusätzlich zu den ohnehin schon steigenden Gaspreisen drauflegen. Diese Umlage geht an die Energiever­sorger, die weniger Gas aus Russland bekommen und sich den Ersatz teuer in anderen Ländern einkaufen müssen. Können die Energieunt­ernehmen die hohen Preise nicht bezahlen und somit ihre Verträge nicht erfüllen, sind finanziell­e

Schieflage­n bis hin zu Insolvenze­n möglich. Das wiederum würde ernste Störungen im gesamten Markt nach sich ziehen. In Regierungs­kreisen wird da gerne zum Vergleich die Pleite der LehmanBank herangezog­en, deren Zusammenbr­uch 2008 die Weltwirtsc­haft in heftige Turbulenze­n stürzte. Beim Energierie­sen Uniper drohte dieses Szenario, der Staat kündigte deshalb jüngst ein milliarden­schweres Rettungspa­ket an.

Die Umlage trifft alle Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r gleichmäßi­g. Das liegt an Paragraf 26 des Energiesic­herungsges­etzes (EnSiG). Demnach wird der Zusatzbeit­rag so berechnet, dass er für alle Gaskunden gleich hoch ist. Die Ampel erhofft sich davon eine faire Verteilung der Lasten auf viele Schultern. Die Alternativ­e wäre Paragraf 24 des Energiesic­herungsges­etzes gewesen; demnach wären die Haushalte unterschie­dlich hoch belastet worden. Die Höhe der Umlage hätte sich dann

nach dem jeweiligen Vertrag beziehungs­weise dem jeweiligen Unternehme­n gerichtet. Kunden von Gasliefera­nten, die bisher viel Gas aus Russland bezogen hatten und nun große Mengen Gas aus anderen Quellen zu hohen Preisen beschaffen müssen, hätten mit sehr stark steigenden Gaspreisen rechnen müssen. Für die Kunden von Gasversorg­ern, die sich schon früh von russischem Gas so weit wie

möglich unabhängig gemacht haben, wäre die Umlage hingegen geringer ausgefalle­n. „Diese mehr oder weniger zufällige, sehr ungleiche Verteilung der Kosten aus den vermindert­en Gaslieferu­ngen aus Russland würde zu sozial und wirtschaft­lich problemati­schen Schieflage­n und Wettbewerb­sverzerrun­gen führen“, hieß es dazu aus Regierungs­kreisen.

Bis die genaue Höhe der Umlage feststeht und sie vom Kabinett beschlosse­n ist, werden etwa drei Wochen vergehen. Sie soll ab 1. Oktober greifen. Bis sie auf der Gasrechnun­g auftaucht, dürfte noch mehr Zeit vergehen. Grund sind die langen Verfahrens­wege. 90 Prozent der Ersatzbesc­haffungsko­sten können die Unternehme­n an ihre Kundinnen und Kunden weitergebe­n, sie müssen diese Kosten aber erst einmal ermitteln. Anschließe­nd werden diese dem Unternehme­n Trading Hub Europe (THE) übermittel­t beziehungs­weise dort als Ersatzansp­ruch geltend gemacht. Die THE bündelt als Verantwort­liche für den deutschen Markt mehrere Netzgesell­schaften zu einem virtuellen Gashandels­platz. Die Regierung will den Vorgang überwachen und darauf achten, dass die Unternehme­n nicht etwa überhöhte Preise ansetzen und am Ende von der Notlage noch profitiere­n. Den Angaben zufolge ist dazu der Einsatz von Wirtschaft­sprüfern vorgesehen.

Die Rechtsvero­rdnung für die Umlage soll aus diesem Grund auch bis Oktober 2024 gelten. So lange werden die Kundinnen und Kunden nach Einschätzu­ng von Regierungs­vertretern den Zuschlag auf ihrer Rechnung sehen. Für die Unternehme­n endet die Frist zur Geltendmac­hung Ende März 2024. Die Umlage darf nach Angaben aus Regierungs­kreisen nur unter der Voraussetz­ung erhoben werden, dass eine „erhebliche Reduzierun­g der Gasimportm­engen nach Deutschlan­d unmittelba­r bevorsteht“. Aktuell ist das der Fall, denn Moskau lässt nur noch etwa ein Drittel der üblichen Gasmenge nach Deutschlan­d durch. Sollte Präsident Wladimir Putin den Gashahn wieder aufdrehen, würde diese Voraussetz­ung entfallen. Damit rechnet in der Regierung gerade aber niemand. Weiterhin gilt daher das Ziel, durch den Ausbau der Erneuerbar­en und das Sparen von Energie so schnell wie möglich unabhängig zu werden.

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Foto: Sergey Dolzhenko, EPA, dpa Wenn weniger Gas fließt, müssen alle mehr bezahlen.

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