Rathauschef wird „nettester Vermieter Deutschlands“
Um seinen Mietern entgegenzukommen, erlässt ein Bürgermeister aus dem Dachauer Land ihnen 100 Euro im Monat. Dafür wird er im Netz millionenfach gefeiert. Doch von der Aktion profitieren nicht nur die beiden Familien.
Hebertshausen Mit gutem Beispiel vorangehen und ein Vorbild sein – das ist Richard Reischl wichtig. Mit einem viralen Facebook-Eintrag ist er auch genau das für viele Menschen weit über die Grenzen Bayerns hinaus geworden. Reischl, Bürgermeister der oberbayerischen 5000-Einwohner-Gemeinde Hebertshausen im Landkreis Dachau und Vermieter von zwei Wohnungen, hat angesichts der stark steigenden Energiepreise die Kaltmiete für seine Mieter gesenkt. Um 100 Euro pro Monat, vorerst bis Ende Dezember.
Den Brief dazu hat Reischl auf seiner Facebook-Seite geteilt und der Beitrag ging viral. Ein Video des Bayerischen Rundfunks dazu wurde binnen zwei Tagen über zwei Millionen Mal aufgerufen. Die Süddeutsche Zeitung schrieb über den „nettesten Vermieter Deutschlands“und selbst in Berlin berichtete eine Zeitung über den Bayern. „Ich hätte nie geglaubt, dass das so eine Resonanz gibt“, sagt Reischl. Mittlerweile „stapeln“sich in seinem Postfach über 8000 E-Mails. „Das ist weit, weit über meinem Horizont“, sagt der Hebertshausener Bürgermeister.
Er habe mit dem Post dazu aufrufen wollen, „dass jeder darüber nachdenkt, wie man einen Beitrag leisten kann“. Ihm selbst sei die Idee zur Mietsenkung durch zwei Ereignisse gekommen: „Ich habe eine Nachricht vom Versorger bekommen, dass das Gas bald nicht mehr vier Cent, sondern 13 Cent kostet.“Die Energiekosten für die Mieter würden sich also verdreifachen. Am selben Tag erzählte ihm eine Freundin, dass ihr Vermieter die Miete gerade um 250 Euro erhöht. „Sie war verzweifelt – und wir sprechen hier nur von der Kaltmiete“, sagt Reischl. Beim Rasenmähen sei ihm dann der Einfall gekommen und er machte den Brief auf Facebook auch öffentlich. Er wolle schließlich „glaubwürdig und ein Vorbild sein“.
Über die Auswirkungen von Reischls Aktion dürfen sich wohl auch viele andere Menschen freuen, die zur Miete wohnen. Denn glaubt man den Rückmeldungen, zeigt der Schritt durchaus Wirkung: „Bei manchen habe der Vermieter angeboten, die Nebenkosten auf Raten zu zahlen, bei anderen auf eine Mieterhöhung verzichtet“, erzählt Reischl.
Ein Gerücht, das auf Facebook kursiert, wonach die Mietminderung beim Finanzamt auf „Gegenwehr“stoße, kann Reischl entkräften: Das Finanzamt vermute Schwarzgeld, sollte die Wohnungsmiete unter 50 Prozent des ortsüblichen Mietniveaus liegen. „Ich bin jetzt bei etwa 70 Prozent.“Sollte sich die Lage bis zum Jahresende nicht bessern, überlegt Reischl, die Miete weiter niedrig zu lassen.