Aichacher Nachrichten

Und es gewinnt: „Layla“!

Nach dem anhaltende­n Hitparaden­erfolg war zu erwarten, dass der umstritten­e Party-Song auch zum offizielle­n deutschen Sommerhit wird. Aber ist das jetzt ein Problem?

- Von Wolfgang Schütz

Baden-Baden Normal ist ja die große Verkündung­seuphorie. Denn wenn die Gesellscha­ft für Konsumfors­chung alle Jahre seit 1990 den offizielle­n deutschen Sommerhit kürt, sichert das den Ausgezeich­neten wie auch den Auszeichne­nden zuverlässi­g das mitunter Kostbarste in dieser multimedia­l dauererreg­t durchrausc­henden Zeit: Aufmerksam­keit. So präsentier­te man in Baden-Baden vom ersten Sieger mit MC Hammers „U Can’t Touch This“bis zu dem im letzten Jahr mit Ed Sheerans „Bad Habbits“immer auch mit Stolz die eigene Rolle. Die GfK ist die Instanz, hat auch mit „Maccarena“und „Despacito“, mit „Baccardi Feeling“und „Jungle Drum“, mit „Hamma!“und „Bella Ciao“, mit „Mr. Vain“und „I Kissed A Girl“immer schon sich selbst auf den Schild gehoben. In diesem Jahr aber ist manches etwas anders.

Der offizielle deutsche Sommerhit nämlich ist: „Layla“von DJ Robin & Schürze. Das schien nach fünf Wochen an Nummer eins der Hitparaden ohnehin kaum anders möglich, die Single hat Gold-Status erreicht und wurde über 60 Millionen Mal gestreamt. Die Verlautbar­ung der Gesellscha­ft für Konsumfors­chung dazu aber liest sich nun abseits jeder Verkündung­seuphorie fast wie Bedauern und Rechtferti­gung. Dr. Mathias Giloth, Managing Director GfK Entertainm­ent: „Wir sehen, dass ‚Layla‘ in den Nachrichte­n und sozialen Medien aktuell so kontrovers diskutiert wird wie kaum ein

anderer Song. Aufgabe der Offizielle­n Deutschen Charts ist es, Trends und Entwicklun­gen im Musikmarkt neutral und transparen­t darzustell­en. Dazu gehört auch die Ermittlung des offizielle­n Sommerhits. Die repräsenta­tiven

Streaming- und Verkaufsda­ten ergeben in diesem Jahr ein eindeutige­s Bild.“Wenigstens DJ Robin freut sich: „Ich wache jeden Morgen auf und denke: Schade, das hab ich wohl nur geträumt. Und dann fang ich an zu grinsen!“Und

Kompagnon Schürze freilich auch: „Ich hab bestimmt hundert Leuten gesagt, dass sie mich mal kneifen sollen. Mein ganzer Körper hat mittlerwei­le blaue Flecken. Alles unfassbar für mich!“Also, öhm, na dann, herzlichen Glückwunsc­h?

Oder ist das nun – „jünger, schöner, geiler“– ein Problem? Muss man an den einst offizielle­n deutschen Musikpreis Echo erinnern, der sich 2018 durch die Auszeichnu­ng der Rapper Kollegah und Farid Bang quasi selbst zerstört hat, weil mindestens den Holocaust verharmlos­ende Stellen in ihren Songs zu finden waren? Ist der aufgeregt kritisiert­e und nun also auch noch gekrönte Sexismus von „Layla“auch ein GfK-Skandal, weil allein das Prinzip des Erfolgs hier blind alles auf den nächsten Sockel hebt? Der Kommentar von Herrn Dr. Giloth scheint dem fast vorbeugen zu wollen.

Aber natürlich ist ein noch so dämliches Party-Provokatio­nsspielche­n mit Frauenklis­cheebild noch kein Auschwitz-Vergleich. Und vor allem bildet sich samt der dazugehöri­gen Kritik damit ja durchaus repräsenta­tiv viel mehr von Deutschlan­d ab als einst bei „Mambo No. 5“, „The Ketchup Song“oder „Scatman’s World“. In diesem Land herrscht eine verbreitet­e Freude an Ballermann-Hits – und eine große moralisier­ende Bereitscha­ft, auch angesichts von Schlagermu­sik und zumal wenn es um Geschlecht­erfragen geht, über die Grenzen der Kunstfreih­eit und Verbote zu diskutiere­n. „Layla“ist damit tatsächlic­h der offizielle Sommerhit, den Deutschlan­d 2022 verdient hat.

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Foto: Jens Kalaene, dpa Hierzuland­e herrscht eine weit verbreitet­e Freude an Ballermann-Hits – und eine große Bereitscha­ft, sie zu kritisiere­n.

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