Wieder Antisemitismus auf der Documenta entdeckt
Der FDP-Generalsekretär fordert die Unterbrechung der Weltkunstausstellung, der Zentralrat der Juden erhebt schwere Vorwürfe nach den jüngsten Funden judenfeindlicher Abbildungen in Kassel.
Kassel/Berlin Erst wurde ein riesiges Banner abgebaut, jetzt sind weitere kritische Bilder in einem Katalog gefunden worden: Nach erneuten Antisemitismus-Vorwürfen fordern die Gesellschafter der Documenta in Kassel, die diskutierten Zeichnungen „bis zu einer angemessenen Kontextualisierung“aus der Ausstellung zu nehmen. Unterstützt werden sie dabei von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. „Es ist gut und richtig, dass die Gesellschafter der Documenta die künstlerische Leitung jetzt aufgefordert haben, diese Zeichnungen aus der Ausstellung zu nehmen“, sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag in Berlin. Die FDP forderte gar einen vorläufigen Stopp der Kunstschau. „Die neuerlichen Antisemitismus-Vorwürfe offenbaren einen Abgrund. Die Documenta muss sofort unterbrochen werden“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in Berlin.
Die Documenta, die neben der Biennale in Venedig zu den wichtigsten Kunstausstellungen der Welt gehört, wird schon seit Anfang des Jahres von Antisemitismus-Vorwürfen überschattet. Kurz nach der Eröffnung der Ausstellung Mitte Juni war dann tatsächlich ein Banner mit antisemitischer Bildsprache entdeckt und abgebaut worden. In der Debatte um die Aufarbeitung des Vorfalls musste die Generaldirektorin der Ausstellung, Sabine Schormann, vor knapp zwei Wochen zurücktreten. Alexander Farenholtz wurde als Interimsgeschäftsführer eingesetzt.
Der Documenta-Aufsichtsrat um den Vorsitzenden, Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD), und seine Stellvertreterin, Hessens Kunstministerin Angela Dorn (Grüne), beschloss zudem, die Ausstellung solle mithilfe externer Experten grundlegend reformiert
werden. Farenholtz hatte kurz nach seinem Amtsantritt allerdings betont, dass ein entsprechendes Experten-Gremium Empfehlungen und Ratschläge aussprechen könne, es aber keine Prüfung der verbliebenen Kunstwerke geben werde.
An diesem Mittwoch wies die Recherche- und Informationsstelle
Antisemitismus Hessen auf weitere antisemitische Arbeiten hin. Es handelt sich um Darstellungen in einer Broschüre, die 1988 in Algier erschienen ist. Die darin enthaltenen Zeichnungen des syrischen Künstlers Burhan Karkoutly zeigen Soldaten mit Davidstern am Helm als Roboter mit entblößten Zähnen. Auf einem anderen Bild wehrt sich eine Frau gegen einen israelischen Soldaten mit übergroßer Hakennase.
Schwere Vorwürfe gegen die neue Documenta-Leitung erhob der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Seit Wochen diskutiere das Land über Antisemitismus, die anti-israelische Boykottbewegung BDS und Israelhass. „Die Leitung der Documenta tut weiter so, als ginge sie das nichts an. Offensichtlich ist es unerheblich, wer dort die Geschäftsführung innehat“, erklärte er laut Mitteilung am Donnerstag. Man müsse sich fragen, „wie weit wir in Deutschland sind, wenn diese Bilder als vermeintliche ‚Israelkritik‘ für gut befunden werden können“. Das Schweigen der Verantwortlichen in der Kulturpolitik hierzu sei dröhnend. „Diese Documenta wird als antisemitische Kunstschau in die Geschichte eingehen.“(dpa)