Die Welt ist zu Gast am Eiskanal
Bei der Kanuslalom-WM treten 300 Sportlerinnen und Sportler aus 51 Nationen an. Die Athleten loben die Atmosphäre in Augsburg, haben aber auch mit eigenen Problemen zu kämpfen.
Augsburg Wenn man sich einen australischen Kanusportler malen müsste – er würde vielleicht so aussehen wie Tristan Carter. Der 24-Jährige trägt die Haare schulterlang, dazu einen Bart und einen Tropenhut. Als ob das nicht reichen würde, flitzt er mit einer Spiegelreflexkamera am Augsburger Eiskanal entlang, um die Läufe seiner Landsleute einzufangen. Ob er sich eher als Fotograf oder Athlet sieht? „Schwer zu sagen“, sagt er mit einem Lachen. „Bislang habe ich noch keinen gefunden, der mir dafür Geld bezahlt. Aber heute mache ich jedenfalls nur Fotos. Ich bin erst morgen auf der Strecke.“Carter tritt in der Kanadier-Disziplin an, jetzt gerade ist Kajak angesagt. Die Atmosphäre der Kanu-WM will er aber schon heute einfangen. „Das hier ist wirklich eine tolle Stimmung, für mich ist das der beste Wettkampf, an dem ich jemals teilgenommen habe.“Carter, der zusammen mit seinem Teamkollegen Kaylen Bassett an diesem Donnerstagvormittag an der Strecke unterwegs ist, ist einer von 300 Sportlerinnen und Sportler aus 51 Ländern, die an der noch bis Sonntag andauernden Kanuslalom-WM am Augsburger Eiskanal teilnehmen.
An der Strecke halten sich die Athletinnen und Athleten inmitten der Zuschauer auf und zeigen, welche Vielfalt in diesen Tagen an der Olympia-Strecke herrscht: Neben den üblichen Trainingsshirts mit deutschen, französischen oder slowenischen Schriftzügen gibt es Jerseys aus Marokko, Usbekistan, oder Jamaika. Die elfjährige Lisa nutzt das aus, um sich ihr Heft mit Autogrammen aller Athleten füllen zu lassen. Den Donnerstag haben viele Schulen aus dem Großraum
Augsburg genutzt, um sich die Wettkämpfe anzusehen.
Applaus von den Schulklassen hat auch Dheeraj Singh bekommen – genutzt hat es wenig. Im Vorlauf der Kajak-Einer ist der Inder auf einem der hinteren Plätze gekommen und ausgeschieden. Allerdings gelten für ihn wie das komplette indische Team mildernde Umstände: „Wir sind erst am Abend davor in Deutschland angekommen, weil wir Visa-Probleme hatten.“Der erste Tag fand deswegen ohne das indische Team statt. Singh, der neben dem Jetlag noch mit dem Umstand zu kämpfen hat, dass er ohne Training in den Eiskanal gestiegen ist, nimmt das Ganze sportlich: „Das letzte Mal, dass ich auf der Strecke war, war 2017 beim Weltcup. Und jetzt bin ich direkt vom Flugzeug ins Wasser. Aber es ist, wie es ist.“Ohnehin wäre das Team wohl eher kein Medaillenkandidat gewesen: „In Indien gibt es den Kanuslalom erst seit sechs Jahren. Aber bei solch einem Event dabei sein zu können, ist alleine schon super.“Unter ganz anderen Vorzeichen ist Oleksandr Fedorenko in Augsburg angekommen. Der Ukrainer konnte sich wegen des Kriegs in seinem Land nicht in seiner Heimat vorbereiten. Er ist stattdessen aus Polen angereist, wo er sich auf die Wettkämpfe vorbereitet hat. „Es tut gut, hier zu sein“, sagt er jetzt im Zielbereich. Es ist sein erstes Mal in Augsburg. „Es ist schön hier, die Menschen sorgen für eine tolle Stimmung.“
Jessica Fox ist hingegen eine alte Bekannte in Augsburg. Das merkt man unter anderem daran, dass sie das Wort „Eiskanal“fast so ausspricht, als käme sie aus Augsburg-Hochzoll und nicht aus Australien. Die mehrfache olympische Goldmedaillengewinnerin zählt zu den stärksten Konkurrentinnen der deutschen Nummer eins Ricarda Funk, ist aber auch gut mit ihr befreundet. „Es ist schön, hier zu sein. Der Eiskanal ist einzigartig. Er verändert sich immer und man muss ständig reagieren, aber das ist auch das Interessante daran.“Ohnehin sind die Wettkämpfe für die Australier eine besondere Angelegenheit, wie ihre Schwester Noemie Fox sagt: „In Australien hatten wir wegen der andauernden Trockenheit drei Monate lang zu wenig Wasser und konnten kaum trainieren.“Mit einem Lächeln fügt sie hinzu: „Und dann kommen wir hierher nach Augsburg und hören dann, dass es auch hier zu wenig Wasser gibt.“Eine Woche vor WMStart führte der Lech zu wenig Wasser, weswegen der Wettbewerb kurz auf der Kippe stand. Mittlerweile ist genug Wasser da. Manche sagen: Fast wieder zu viel, der Pegel im Kanal ist relativ hoch. Das wäre aber dann auch das Einzige, was es zu mäkeln gäbe.