Was von Olympia auf dem Eiskanal bleibt
Bei den Sommerspielen 1972 waren sie Kampfrichter, Stadionsprecher oder Fotograf. Zeitzeugen erinnern sich.
Während der Kanuslalom-Weltmeisterschaft am Eiskanal kommen bei vielen Menschen Erinnerungen hoch an die Olympischen Spiele in München vor fast genau 50 Jahren und die Wettkämpfe in Augsburg. Die Kanuslalom-Medaillen wurden damals in der Fuggerstadt vergeben. Kanu-Liebhaber Horst Woppowa, der an der Olympiastrecke Kampfrichter war, hat aus diesem Anlass nicht nur alle Kanu-Teilnehmerinnen und Teilnehmer von damals für die WM nach Augsburg eingeladen, sondern war wie viele andere Gast beim Zeitzeugengespräch im kulturellen WM-Rahmenprogramm.
„50 Jahre Olympische Spiele in Augsburg – 50 Jahre Eiskanal“– so lautete das Motto einer Gesprächsrunde, zu der die Stadt geladen hatte, bei der zehn Ehemalige unter der Moderation von Journalist Klaus Wäschle unterhaltsame, schöne und traurige Erinnerungen, Geschichten und Episoden von 1972 austauschten. Wie etwa der damalige Stadionsprecher Johannes Walch oder die Kanuten Bernd Dichtl und John McLeod. Woppowa selbst, der mit 23 Jahren damals jüngste Kampfrichter schilderte, wie anders dieser Job im Vergleich zu heute war. Während ein Kampfrichter im digitalen Zeitalter viel Unterstützung etwa durch Videotechnik bekommt, musste man früher rein auf die Augen von zwei Kampfrichtern pro Tor vertrauen. Ob es da mal Probleme bei Entscheidungen gab, lautete eine Frage. „Wir waren uns natürlich immer einig“, konterte Woppowa augenzwinkernd.
Sein heutiger Freund und Weggefährte bei Kanu Schwaben Augsburg, Karl-Heinz Englet, hatte eine noch herausragendere Funktion. Der Teamweltmeister im Wildwasserabfahrtslauf hatte die Ehre, das olympische Feuer zu entzünden. Ein ebenfalls geschichtsträchtiger Moment, den AZ-Fotograf Fred Schöllhorn festhielt. Er erzählte, wie zu dieser Zeit seine Freundschaft
zum ehemaligen DDR-Kanuten und späteren Bundestrainer Jürgen Köhler entstand. Vor dem abgeschirmten Mannschaftsbus der DDR am Hochablass sei der erste ungewöhnliche Kontakt entstanden, erzählte Schöllhorn. „Ich sah diesen Sportler und wir sind über Hände, Mimik und Schulterzucken ins Gespräch gekommen“, so der Fotograf. Immer wieder sei man sich dann persönlich bei Wettkämpfen über den Weg gelaufen, woraus dank der Wende eine gute Freundschaft entstanden sei.
Das schwierige Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland hat alle Gesprächsteilnehmer und -teilnehmerinnen geprägt, die die olympischen Kanuwettkämpfe erlebt haben. Etwa die DDR-Olympiasiegerin Angelika Bahmann, die betonte, dass nicht, wie immer berichtet, der Nachbau des Eiskanals in Zwickau für die vier Gold- und eine Bronzemedaille des ostdeutschen Teams gesorgt habe, sondern in erster Linie deren gute sportliche Vorbereitung. Darin wurde sie bestärkt von Ex-DDRTrainer Werner Lempert, der schmunzelnd einräumte, dass er damals zwar „mit Kamera und Maßband, aber nicht mit GPS“zum Spionieren in Augsburg unterwegs war. „Wir sind mit der Wasserführung im Eiskanal nicht zurechtgekommen. Wir wussten in etwa, wie die Strecke gebaut worden ist, aber ein paar Details brauchten wir noch.“Dass die Offiziellen der DDR ihm seinen Wunsch, die Strecke in einem Naturschutzgebiet in Ostdeutschland nachzubauen, abschlagen haben, begrüßt er heute im Blick zurück. Der Teilaufbau Zwickau hingegen hatte sich sportlich gelohnt.
Für Westdeutschland holten Reinhold Kauder und die 17-jährige Gisela Grothaus mit Silber im K1 die einzigen Medaillen. Der Druck habe auf dem westdeutschen Team gelegen, bestätigen sie unisono. Umso glücklicher sind sie heute über ihre Glanzstücke. Besonders Grothaus, die sich noch gut an ihre schwere Schulterverletzung kurz vor dem Olympia-Start erinnern kann. „Ich habe vor dem Wettkampf wegen der großen Schmerzen tagelang nur im Sitzen geschlafen.“(klan)