Ach-Rettung kostet 20 Zentimeter im See
Millionen Liter Wasser werden seit einer Woche aus dem Auensee bei Kissing in die Friedberger Ach gepumpt. Derzeit sind es 60 Liter pro Sekunde. Das Technische Hilfswerk kontrolliert die Pumpe rund um die Uhr. Denn der Pegel sinkt.
Kissing/Landkreis Aichach-Friedberg Dämmerung breitet sich über dem Auensee aus – und ohrenbetäubender Krach tönt durch die Idylle. Die Dieselpumpe röhrt, Wasser tost. Millionen Liter strömen aus dem See in den Hagenbach und von dort aus zur Friedberger Ach, wo in der vergangenen Woche wegen zu niedrigen Wasserstandes erste Fische starben. Es ist eine einzigartige Rettungsaktion, selbst bei den Fachbehörden herrscht Unsicherheit darüber, wie genau sie sich auf die Gewässer auswirkt. Ehrenamtliche des Technischen Hilfswerks (THW) sind zu jeder Zeit vor Ort und überwachen die Pumpe. Das ist wichtig, denn mittlerweile sind die Auswirkungen auf den Auensee sichtbar, der Pegel ist stark gesunken.
An diesem Abend aber schlüpft Liza Wölke in eine Wathose und greift nach dem Meterstab. Es ist 22 Uhr, Zeit zu messen. Flutlicht fällt auf den dunklen See, erhellt die blauen Einsatzfahrzeuge und die Hochleistungspumpe. In zwölfstündigen Schichten sind die Ehrenamtlichen des THW seit Freitag vor Ort, sie kommen vor allem aus der Schwabmünchner Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen. Diese stellt auch die spezielle Hochleistungspumpe, die 130 Liter Wasser pro Sekunde förderte. Seit Donnerstag wurde die Menge auf 60 Liter gedrosselt.
Es ist das erste Mal, dass sie in dem Umfang zum Einsatz kommt und mehrere Tage lang durchläuft. Wölke engagiert sich seit 17 Jahren beim THW Schwabmünchen. „Es werden in letzter Zeit immer mehr Einsätze bei uns.“Die Industriemechanikerin spricht mit Begeisterung über das Team, die Ausrüstung, die geballte Tatkraft. In nur drei Stunden nach der Bitte des
Landratsamts hatten Kräfte des THW Friedberg und Schwabmünchen am Freitag den Aufbau der Pumpe organisiert. „Das war wirklich effizient.“Tag und Nacht überprüfen die Ehrenamtlichen, dass die Dieselpumpe fehlerfrei arbeitet, kontrollieren den Druck, die Temperatur. Wie Wölke und ihr Bruder, der mit ihr die Schicht von 19 bis 7 Uhr besetzt, die langen Nachtstunden bewältigen? „Mit Kniffel – und manchmal auch einer Runde schwimmen“, sagt Wölke. Jetzt watet die 27-Jährige zum Zollstock, der aus dem dunklen Wasser ragt. „20 Zentimeter.“
Ein 20 Zentimeter niedrigerer Wasserstand – was bedeutet das für den Auensee, seine Fische und das Naturschutzgebiet? Am nächsten Morgen steht Peter Fischer am nördlichen Bereich des Sees. Hier liegt eine Senke mit unzähligen Seerosen, ein gutes Versteck für Laich und kleine Fische. Die Blätter baumeln in der Luft, statt auf Wasser zu schwimmen, der Boden ist aufgesprungen. Die kleinen Inseln ragen weit aus dem See heraus, an vielen Stellen steht Schilf auf trockener Erde. Der Vorsitzende der Kissinger Fischergilde, die den Auensee gepachtet hat, ist jeden Tag hier. Er kennt alle Winkel, die Buchten, die Ufer – und macht sich Sorgen. Zwar soll die Pumpe am Freitagnachmittag abgebaut werden. „Aber keiner weiß, wie lange es dauert, bis der See wieder mit Grundwasser vollläuft“, sagt Fischer.
Christian Witt von der Fischereifachberatung Schwaben begleitet die Maßnahme. Was den Bereich der Seerosen betrifft, kann er Entwarnung geben. „Die meisten Fische sind fertig mit dem Laichen“, sagt er. Die kleinen Fische bräuchten zwar Versteckmöglichkeiten, fänden diese aber auch in Pflanzen unterhalb der Wasseroberfläche. „Wenn der Pegel langsam sinkt, ziehen sie sich zurück.“Ohnehin seien Fische in Seen weniger anspruchsvoll als in Fließgewässern und könnten höhere Temperaturen ertragen. Auch die Seerosen würden nicht geschädigt, sie wurzelten tief und überstehen so Trockenphasen.
Im ganzen Bezirk habe man mit sinkenden Wasserständen zu tun, das sei in diesem Sommer nicht ungewöhnlich: „Das ist menschengemacht und der Klimawandel.“Den Eingriff zugunsten des kleinen Flusses hält Witt für absolut vertretbar. „Wenn man das nicht gemacht hätte, wäre die Friedberger Ach jetzt ausgetrocknet.“
Mittlerweile haben sich die Pegelstände von Ach und Hagenbach wieder normalisiert, wie das Landratsamt mitteilt. Dazu trugen auch Regenfälle am Oberlauf bei. Über das kommende Wochenende wird beobachtet, wie sich der Wasserstand des Auensees entwickelt.