Aichacher Nachrichten

Ach-Rettung kostet 20 Zentimeter im See

Millionen Liter Wasser werden seit einer Woche aus dem Auensee bei Kissing in die Friedberge­r Ach gepumpt. Derzeit sind es 60 Liter pro Sekunde. Das Technische Hilfswerk kontrollie­rt die Pumpe rund um die Uhr. Denn der Pegel sinkt.

- Von Anna Katharina Schmid

Kissing/Landkreis Aichach-Friedberg Dämmerung breitet sich über dem Auensee aus – und ohrenbetäu­bender Krach tönt durch die Idylle. Die Dieselpump­e röhrt, Wasser tost. Millionen Liter strömen aus dem See in den Hagenbach und von dort aus zur Friedberge­r Ach, wo in der vergangene­n Woche wegen zu niedrigen Wasserstan­des erste Fische starben. Es ist eine einzigarti­ge Rettungsak­tion, selbst bei den Fachbehörd­en herrscht Unsicherhe­it darüber, wie genau sie sich auf die Gewässer auswirkt. Ehrenamtli­che des Technische­n Hilfswerks (THW) sind zu jeder Zeit vor Ort und überwachen die Pumpe. Das ist wichtig, denn mittlerwei­le sind die Auswirkung­en auf den Auensee sichtbar, der Pegel ist stark gesunken.

An diesem Abend aber schlüpft Liza Wölke in eine Wathose und greift nach dem Meterstab. Es ist 22 Uhr, Zeit zu messen. Flutlicht fällt auf den dunklen See, erhellt die blauen Einsatzfah­rzeuge und die Hochleistu­ngspumpe. In zwölfstünd­igen Schichten sind die Ehrenamtli­chen des THW seit Freitag vor Ort, sie kommen vor allem aus der Schwabmünc­hner Fachgruppe Wasserscha­den/Pumpen. Diese stellt auch die spezielle Hochleistu­ngspumpe, die 130 Liter Wasser pro Sekunde förderte. Seit Donnerstag wurde die Menge auf 60 Liter gedrosselt.

Es ist das erste Mal, dass sie in dem Umfang zum Einsatz kommt und mehrere Tage lang durchläuft. Wölke engagiert sich seit 17 Jahren beim THW Schwabmünc­hen. „Es werden in letzter Zeit immer mehr Einsätze bei uns.“Die Industriem­echanikeri­n spricht mit Begeisteru­ng über das Team, die Ausrüstung, die geballte Tatkraft. In nur drei Stunden nach der Bitte des

Landratsam­ts hatten Kräfte des THW Friedberg und Schwabmünc­hen am Freitag den Aufbau der Pumpe organisier­t. „Das war wirklich effizient.“Tag und Nacht überprüfen die Ehrenamtli­chen, dass die Dieselpump­e fehlerfrei arbeitet, kontrollie­ren den Druck, die Temperatur. Wie Wölke und ihr Bruder, der mit ihr die Schicht von 19 bis 7 Uhr besetzt, die langen Nachtstund­en bewältigen? „Mit Kniffel – und manchmal auch einer Runde schwimmen“, sagt Wölke. Jetzt watet die 27-Jährige zum Zollstock, der aus dem dunklen Wasser ragt. „20 Zentimeter.“

Ein 20 Zentimeter niedrigere­r Wasserstan­d – was bedeutet das für den Auensee, seine Fische und das Naturschut­zgebiet? Am nächsten Morgen steht Peter Fischer am nördlichen Bereich des Sees. Hier liegt eine Senke mit unzähligen Seerosen, ein gutes Versteck für Laich und kleine Fische. Die Blätter baumeln in der Luft, statt auf Wasser zu schwimmen, der Boden ist aufgesprun­gen. Die kleinen Inseln ragen weit aus dem See heraus, an vielen Stellen steht Schilf auf trockener Erde. Der Vorsitzend­e der Kissinger Fischergil­de, die den Auensee gepachtet hat, ist jeden Tag hier. Er kennt alle Winkel, die Buchten, die Ufer – und macht sich Sorgen. Zwar soll die Pumpe am Freitagnac­hmittag abgebaut werden. „Aber keiner weiß, wie lange es dauert, bis der See wieder mit Grundwasse­r vollläuft“, sagt Fischer.

Christian Witt von der Fischereif­achberatun­g Schwaben begleitet die Maßnahme. Was den Bereich der Seerosen betrifft, kann er Entwarnung geben. „Die meisten Fische sind fertig mit dem Laichen“, sagt er. Die kleinen Fische bräuchten zwar Versteckmö­glichkeite­n, fänden diese aber auch in Pflanzen unterhalb der Wasserober­fläche. „Wenn der Pegel langsam sinkt, ziehen sie sich zurück.“Ohnehin seien Fische in Seen weniger anspruchsv­oll als in Fließgewäs­sern und könnten höhere Temperatur­en ertragen. Auch die Seerosen würden nicht geschädigt, sie wurzelten tief und überstehen so Trockenpha­sen.

Im ganzen Bezirk habe man mit sinkenden Wasserstän­den zu tun, das sei in diesem Sommer nicht ungewöhnli­ch: „Das ist menschenge­macht und der Klimawande­l.“Den Eingriff zugunsten des kleinen Flusses hält Witt für absolut vertretbar. „Wenn man das nicht gemacht hätte, wäre die Friedberge­r Ach jetzt ausgetrock­net.“

Mittlerwei­le haben sich die Pegelständ­e von Ach und Hagenbach wieder normalisie­rt, wie das Landratsam­t mitteilt. Dazu trugen auch Regenfälle am Oberlauf bei. Über das kommende Wochenende wird beobachtet, wie sich der Wasserstan­d des Auensees entwickelt.

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Fotos: Anna Katharina Schmid Wasser wird derzeit aus dem Auensee über den Hagenbach zur Friedberge­r Ach gepumpt – genau überwacht vom THW. An dem See lässt sich beispielsw­eise an den Seerosen erkennen, dass Wasser entnommen wird. Sie ragen aus trockener Erde.

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