Auf dem Weg zur Atommacht?
Während der Iran friedliche Absichten seiner Forschung beteuert, schlägt die Internationale Atomenergiebehörde Alarm.
Teheran/Wien Erstmals seit einem Jahr ist der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wieder nach Teheran gereist. Im Iran verhandelte Rafael Grossi über Inspektionen der NuklearAnlagen. Worum geht es?
Wann hat das iranische Atomprogramm angefangen?
Irans Atomforschung reicht zurück bis in die 1950er Jahre unter der damaligen Monarchie. 1970 ratifizierte das Land den Atomwaffensperrvertrag und verpflichtete sich zur rein zivilen Nutzung von Kernenergie. Nach der Islamischen Revolution von 1979 und dem Bruch mit dem Westen beschränkte die Führung in Teheran den Zugang internationaler Kontrolleure. Zu Beginn des neuen Jahrtausends gab es den ersten großen Streit über neue Nuklearanlagen.
Was war das Atom-Abkommen und wie steht es um seine Zukunft?
Der Iran verpflichtete sich 2015 in Wien, sein Atomprogramm einzuschränken. Im Gegenzug wurden UN-Sanktionen aufgehoben, die den Energie- und Bankensektor betrafen. Der Pakt sollte verhindern, dass das Land Atomwaffen entwickelt. Nachdem die USA 2018 unter Präsident Donald Trump aus dem Abkommen ausgestiegen waren, machte Teheran die Beschränkungen rückgängig. Seit Mai 2022 kommen die Verhandlungen nicht mehr voran. Das unter dem damaligen
Präsidenten Hassan Ruhani geschlossene Abkommen hatte große Hoffnungen geweckt. Viele Iraner feierten den Deal, die Wirtschaft erlebte einen Aufschwung. Heute stehen die Verhandlungen zur Wiederbelebung des Pakts in der Kritik – auch angesichts der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste gegen den repressiven Kurs der Regierung. Aktivisten und andere Kritiker fordern, die Verhandlungen mit der Islamischen Republik einzustellen.
Was darf der Iran, was nicht?
Laut Wiener Abkommen darf für friedliche Zwecke eine begrenzte Menge Uran mit niedrigem Reinheitsgrad unter 4 Prozent produziert werden, etwa als ReaktorBrennstoff. Dafür darf jedoch nur eine Anreicherungsanlage in der
Atomanlage Natans mit einer begrenzten Zahl von Zentrifugen betrieben werden. Seit 2019 hat der Iran die Auflagen schrittweise verletzt und in einer unterirdischen Anlage in Fordo 60-prozentiges Uran hergestellt – als Schwelle für einen waffenfähigen Reinheitsgrad werden etwa 90 Prozent angesetzt. Zudem wurde ein Teil der IAEA-Überwachungsgeräte abgebaut. Diese sollen nun wieder in Betrieb gehen, kündigte Grossi nach den Gesprächen an. Teheran erlaube auch häufigere Besuche von Inspektoren in Fordo.
Wie nah ist der Iran am Bau einer Atombombe?
Laut Grossi verfügt der Iran über ausreichend Uran für mehrere Atomwaffen. Da die Anreicherung exponentiell verläuft, kann 60-prozentiges Material sehr schnell auf 90 Prozent gebracht werden. Bis zur Entwicklung einer Atomwaffe sei es aber „ein langer und auch politisch schwieriger Weg“, sagte Grossi im Januar im EU-Parlament. Der US-Auslandsgeheimdienst habe derzeit keine Hinweise, dass der Iran sich entschieden habe, sein militärisches Atomprogramm wieder aufzunehmen, sagte CIA-Chef William Burns. Sollte Teheran diesen Weg einschlagen, würde es noch mindestens ein Jahr bis zur Fertigstellung einer Atomwaffe dauern, sagte ein hochrangiger europäischer Diplomat. (dpa)