Aichacher Nachrichten

Torys verlieren die Geduld mit Boris Johnson

Premier Rishi Sunak feiert einen wichtigen Erfolg, die Karriere seines Vorgängers steht auf dem Spiel: Denn es gibt Neues zu „Partygate“.

- Von Susanne Ebner

In einem profession­ellen Twitter-Account markieren Nutzer gerne ihre letzten großen Erfolge, sodass diese auch Tage später noch als Erstes sichtbar sind. Das Profil des britischen Premiermin­ister Rishi Sunak zeigt einen Post vom 27. Februar. Darin feiert er den „Windsor Framework“, den überarbeit­eten und aus Sicht vieler Experten verbessert­en Deal mit der EU, mit dem eine harte Grenze zwischen dem einst vom Bürgerkrie­g gebeutelte­n Landesteil Nordirland und Irland verhindert werden soll, indem man die Zollgrenze in die irische See verlegte.

Erwarteten viele Beobachter im Vorfeld einen Aufstand der BrexitHard­liner in der Partei, so blieb dieser doch aus. „Minister, die vorher mit ihrem Rücktritt drohten, verhielten sich ruhig oder lobten die Übereinkun­ft sogar“, begründete Anand Menon von der Denkfabrik „UK in a Changing Europe“den Erfolg des gesetzlich­en Rahmenwerk­es. Selbst Boris Johnson, der als erbitterts­ter politische­r Gegner Sunaks gilt, kritisiert­e die Vereinbaru­ng mit der EU moderat. Vielleicht, weil er andere Sorgen hat: Denn die Karriere des Ex-Premiers könnte „eine dramatisch­e und vielleicht endgültige Wendung“nehmen, wie der Guardian kommentier­te. Schließlic­h wird Johnson durch einen vorläufige­n Bericht eines parlamenta­rischen Ausschusse­s schwer belastet.

Demnach soll der Ex-Premier das Unterhaus in der PartygateA­ffäre mehrmals belogen haben. Er habe wissen müssen, dass bei Feiern während des Lockdowns im

Jahr 2020 in seinem Regierungs­sitz und anderen Behörden gegen geltenden Corona-Regeln verstoßen wurde, heißt es dort. Der Vorgänger Sunaks soll Ende März zu den Vorwürfen Stellung nehmen, und zwar live im Fernsehen. Johnson rechtferti­gte sich bislang, indem er den Bericht kurzerhand anzweifelt­e. Dass die Beamtin Sue Gray, die die Untersuchu­ngen zu den ausgelasse­nen Feiern in der Downing Street einst leitete, als Stabschefi­n zur Labour-Partei wechseln wolle, zeige, dass die Untersuchu­ngen nicht objektiv seien. Die Tageszeitu­ng The Independen­t bezeichnet­e die Verteidigu­ng des Ex-Premiermin­isters als „fadenschei­nig“. Im besten Fall handele es sich dabei um Paranoia, im schlimmste­n Fall um Propaganda, hieß es dort.

Doch ist dies das Ende für „Teflon-Boris“, an dem Skandale häufig abperlten wie an einer beschichte­ten Bratpfanne? „Wie so viele scheue ich davor zurück, ihn für immer abzuschrei­ben“, erklärte Tim Bale, Politologe an der QueenMary-Universitä­t,

Montag gegenüber unserer Redaktion, „aber es sieht immer mehr so aus, als würde ihm tatsächlic­h die Luft ausgehen.“Der Bericht des Parlamente­s lege nahe, dass einige ziemlich vernichten­de Beweise gegen ihn vorliegen, die belegen könnten, dass er das Parlament in Bezug auf Partygate in die Irre geführt hat. „Es sieht für mich so aus, als hätten die Tory-Abgeordnet­en wirklich die Geduld mit ihm verloren.“

Der mögliche Fall Johnsons bedeute jedoch nicht, dass Sunaks politische Karriere gesichert ist. Denn ihm stehe diese Woche eine Herausford­erung bevor, an der bislang alle Premiermin­ister seit David Cameron gescheiter­t seien, wie Bale betonte: Er muss die Migration mithilfe von Schleppern über den Ärmelkanal in den Griff bekommen. Innenminis­terin Suella Braverman wird hierzu vermutlich am heutigen Dienstag einen Gesetzesen­twurf im Parlament vorstellen.

Medienberi­chten zufolge könnten Geflüchtet­e, die mit Booten nach Großbritan­nien kommen, umgehend zurückgesc­hickt werden. Und nicht nur das – überdies soll ihnen verboten werden, jemals wieder auf die Insel zu kommen. Die Pläne sind auch innerhalb der konservati­ven Partei umstritten, unter anderem weil dadurch hohe Kosten entstehen. Der Premier würde der Partei einen Gefallen tun, wenn er „die Boote stoppen“kann, sagte Bale. Dass ihm das gelingt, sei jedoch unwahrsche­inlich. „Sunak ist kein Messias, darauf weisen auch die Umfragen hin. Aber er ist vielleicht das kleinste Übel, sozusagen die am wenigsten schlechte Option.“

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Foto: Jonathan Brad, dpa Für Boris Johnson, ehemaliger Premiermin­ister von Großbritan­nien, könnte es jetzt juristisch eng werden.

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