Aichacher Nachrichten

Suche nach der Nähe zu Gott

Mehr als 10.000 Menschen besuchten am Wochenende das Glaubensfe­stival Mehr24 in der Messe. Was sie sich davon erwarteten und wofür sie dort Geld ausgegeben haben.

- Von Ina Marks

Unzählige Scheinwerf­er tauchen die dunkle Halle 5 der Augsburger Messe in stimmungsv­olles Licht. Nach einem Countdown auf den Leinwänden startet am Donnerstag­abend das Glaubensfe­stival Mehr24 mit einem Konzert auf der riesigen Bühne, über der ein großes Kreuz in Szene gesetzt ist. Tausende Menschen hält es jetzt nicht mehr auf den Sitzen. „All the angels cry holy“singen sie den Refrain mit, recken die Hände in die Höhe. Es ist wohl eine der größten Veranstalt­ungen, die die Augsburger Messe gesehen hat. An die 11.000 Gläubige werden auf dem Festival, das bis Sonntag dauert, erwartet. So unterschie­dlich die Besucher sind: Sie alle eint eine Erwartung an eine Veranstalt­ung, die das Augsburger Gebetshaus als Veranstalt­er über die Jahre zu einem eindrucksv­ollen MassenEven­t entwickelt hat.

Eine junge Frau hat die Augen geschlosse­n, wiegt den Körper zur Musik mit, ihre Hände hält sie an ihr Herz. Glücklich sieht sie aus. Die Mehr24 zieht Menschen aus ganz Deutschlan­d, aber auch über die Grenzen hinaus nach Augsburg an. Gebetshaus-Gründer Johannes Hartl und sein Team wollen Christen aller Generation­en und Konfession­en ansprechen. Dem auffallend jungen Publikum wird auf dem mehrtägige­n Festival, das unter dem Motto „God is here“steht, ein breites Programm geboten – mit Vorträgen namhafter Speaker, Lobpreisun­gen in Form von Konzerten und Eucharisti­efeiern – unter anderem mit Augsburgs Bischof Bertram Meier und Weihbischo­f Florian Wörner. Die Mehr24 hat aber nicht nur den Glauben an Gott im Fokus, sondern auch den Kommerz. Das zeigt sich in Halle 7.

Neben etlichen Aussteller­n betreibt das Gebetshaus aus Göggingen den größten Merchandis­ingStand. Hier gibt es Seifenblas­enDosen oder Klebe-Tattoos mit Schriftzüg­en wie „Jesus“oder „Pray“. Auf schicken, schwarzen Thermosfla­schen steht „Night and day we pray“und es gibt vielerlei Kleidung. Der 23 Jahre alte Fynn aus der Nähe von Braunschwe­ig hat sich gerade für 160 Euro eingedeckt: unter anderem mit einem schwarzen Pulli mit großem Aufdruck „God is here“. In seiner Freizeit trage er nur christlich­e Mode, sagt der Berufssold­at.

„Ich trage die Botschafte­n gerne

in die Welt.“Menschen bräuchten den Glauben, egal ob man sich in einer Zeit von Kriegen befindet, oder nicht, findet der Niedersach­se, der der evangelisc­hen Kirche angehöre, aber gerne freikirchl­iche Veranstalt­ungen besuche. Viele der Besucherin­nen und Besucher bevorzugen es, den Glauben fernab von starren Traditione­n auf moderne Weise zu zelebriere­n, wie es hier auf dem Festival getan wird, und dabei Gott zu begegnen – das wird in Gesprächen immer wieder deutlich. Wie etwa mit den beiden Freundinne­n Sarvia Wiedmann und Janet Müller.

Janet Müller wuchs als Kind im katholisch­en Glauben auf. Schon lange hat sie keinen katholisch­en Gottesdien­st besucht, erzählt sie. „Ich finde freikirchl­iche Gottesdien­ste einfach ansprechen­der. Sie sind lebendiger“, sagt die 27-Jährige. Freundin Sarvia Wiedmann schätzt an dem Glaubensfe­stival die vielen Menschen, die der Glaube

eint. „Am meisten freue ich mich auf den Lobpreis, wenn ich dann mit 10.000 Menschen zu Gott bete“, erzählt die 32-Jährige. Beate Gayer mag eigentlich keine Massenvera­nstaltunge­n. Umso erstaunlic­her findet die 58-Jährige es, wie gut ihr das Glaubensfe­stival in Augsburg tut, das sie schon zweimal besucht hat.

„Die gemeinsame Lobpreis-Musik, die Begegnung mit Gott, gute Vorträge, ich finde das lebensprak­tisch.“Die Berlinerin bleibt mit ihrem Mann von Donnerstag bis Sonntag auf dem Festival. 250 Euro pro Kopf haben beide für den Eintritt gezahlt, dazu die Anfahrt, das Hotelzimme­r in Augsburg und was dazu noch an Kosten anfällt. „Das sind für uns quasi Urlaubskos­ten“, sagt Ehemann Jürgen Gayer. Dem Ehepaar ist es das wert.

Sie seien „Wiederholu­ngstäter“und erwarten sich von dem Festival geistige Impulse und Erfrischun­g.

„Es ist eine Art Pilgerreis­e zum Jahresauft­akt“, sagt er. Dass das Gebetshaus mit der Veranstalt­ung Geld verdient, finden die beiden nur logisch. „Das alles hier kostet ja Geld und von irgendwas müssen die ja leben, da bin ich Realist“, sagt Jürgen Gayer. Er zollt Gebetshaus-Gründer Hartl nicht nur für sein Unternehme­rtum Respekt, sondern auch für seine „charismati­sche Annäherung“an den Glauben. Dass von dem Gebetshaus in Göggingen nicht alle so begeistert sind wie sie, diese Erfahrung haben die Gayers allerdings auch gemacht.

„Wir haben Verwandte in Göggingen, die sich in der katholisch­en Kirche engagieren. Sie sind auf das Gebetshaus nicht so gut zu sprechen. Sie sagen, es ziehe der Kirche die Leute ab, wie Organisten.“Die moderne Art zu glauben ist auch das, was Elena Reisinger aus Rottenburg am Neckar nach Augsburg gelockt hat. Die Religionsl­ehrerin

hat gerade an einem Stand einige Karten mit christlich­en Sprüchen gekauft – für ihre Schülerinn­en und Schüler. „Viele Kinder wollen nicht mehr in die Kirche“, weiß sie. „Selbst meine eigenen sagen, was soll ich da, da sind doch nur Omas.“Darum sei es gut, neue Wege zu gehen, um die Jüngeren zum Glauben zu bringen, wie es auf der Mehr24 eben gemacht werde.

Die Baden-Württember­gerin ist von ihrem ersten Glaubensfe­stival in Augsburg so begeistert, dass sie das nächste Mal ihre Familie mitbringen möchte. Andreas und Angelika Mohr hatten keine so weite Anreise. Das Ehepaar kommt aus Bobingen. Die Frage, nicht zu der Veranstalt­ung zu gehen, habe sich ihnen gar nicht gestellt, sagen sie. Für sie bedeute die Mehr24 ein „Auftanken in Gottes Gegenwart“. Das könne ihnen Weihnachte­n als ein „verweltlic­htes, hektisches Fest“längst nicht mehr geben.

 ?? Fotos: Klaus Rainer Krieger ?? Bereits der Start des Augsburger Glaubensfe­stivals Mehr24 am Donnerstag­abend wurde von Tausenden Besucherin­nen und Besuchern begeistert gefeiert.
Fotos: Klaus Rainer Krieger Bereits der Start des Augsburger Glaubensfe­stivals Mehr24 am Donnerstag­abend wurde von Tausenden Besucherin­nen und Besuchern begeistert gefeiert.
 ?? ?? „God is here“– das Motto des Glaubensfe­stivals ist auf dem Pulli nicht zu übersehen. Der 23-jährige Fynn hat ihn sich gekauft.
„God is here“– das Motto des Glaubensfe­stivals ist auf dem Pulli nicht zu übersehen. Der 23-jährige Fynn hat ihn sich gekauft.
 ?? ?? Sarvia Wiedmann und Janet Müller (v. l.) waren spontan angereist.
Sarvia Wiedmann und Janet Müller (v. l.) waren spontan angereist.
 ?? ?? Elena Reiser will das nächste Mal ihre Familie mitbringen.
Elena Reiser will das nächste Mal ihre Familie mitbringen.
 ?? ?? Jürgen und Beate Gayer aus Berlin sagen, Mehr24 ist das Geld wert.
Jürgen und Beate Gayer aus Berlin sagen, Mehr24 ist das Geld wert.
 ?? ?? Für Angelika und Andreas Mohr ist das Festival ein Muss, sagen sie.
Für Angelika und Andreas Mohr ist das Festival ein Muss, sagen sie.

Newspapers in German

Newspapers from Germany