Aichacher Nachrichten

Der vorsichtig­e Umgang mit KI an Schulen

Künstliche­n Intelligen­zen wie dem Chatbot ChatGPT wird nachgesagt, den Schulunter­richt revolution­ieren zu können. Ein Blick in den Landkreis Aichach-Friedberg.

- Von Dominik Durner Kommentar

Landkreis Aichach-Friedberg So richtig überzeugt sind Malte und David nicht. Die beiden – aus Datenschut­zgründen stehen Schülerinn­en und Schüler in diesem Artikel nur mit Vornamen – sind Schüler einer Q12 am Gymnasium Friedberg, sie und ihre Klassenkam­eraden stehen kurz vor dem Abitur. An diesem Morgen dürfen sie und ihre Klasse mit dem Textgenera­tor „ChatGPT“arbeiten, die Q12 soll im Unterricht von Ulrike Kolper-Christl mit KI-Unterstütz­ung ein Gedicht analysiere­n. Die Stunde wird exemplaris­ch zeigen: Im Wittelsbac­her Land wird noch viel experiment­iert, was die Einbindung der Künstliche­n Intelligen­z in der Schule anbelangt, Handfestes gibt es wenig. Zumindest Ansätze sind schon vorhanden – und Hoffnungen wachsen.

An der FOS/BOS in Friedberg etwa gehört die KI beziehungs­weise ChatGPT zum Alltag. „Lehrer nutzen das beispielsw­eise in der Unterricht­svorbereit­ung in Fremdsprac­hen und lassen sich Aufgaben erstellen“, sagt Schulleite­rin Hermine

Scroggie. Auch Schüler dürfen die Schreib-KI für ihre Texte nutzen, müssen aber bei Verwendung darauf hinweisen. Scroggie sagt: „Was uns wichtig ist, ist die analytisch­e Fähigkeit der Schüler, einzuschät­zen, ob das passt, was da auf dem Bildschirm steht.“ChatGPT sei eine reine Schreib-KI, keine schreibend­e

Wikipedia, „die Informatio­n und der Inhalt sind zweitrangi­g“. Schüler müssten immer noch gegenprüfe­n, ob die generierte­n Antworten faktisch stimmen.

Das merkt auch die Q12 von Ulrike Kolper-Christl am Friedberge­r Gymnasium: Die Lehrerin lässt sie in ihrer Deutsch-Doppelstun­de ein Gedicht mit dem Namen „Blaue Stunde“analysiere­n. Zunächst von den Jugendlich­en selbst, im Anschluss vergleiche­n diese ihre Notizen mit den Ergebnisse­n von ChatGPT. „Blaue Stunde“besteht aus fünf Strophen, vier davon mit sechs Versen, eine mit vier, Kolper-Christl hatte dafür das Gedicht eines Bekannten von ihr leicht abgeändert. Die KI interessie­rt das wenig: Bei einem Schüler mutmaßt ChatGPT, dass es sich um ein Gedicht von Rainer Maria Rilke handeln könnte. David hat die KI ausgespuck­t, dass das Gedicht aus vier Strophen mit vier Versen aufgebaut sei, Malte hat ebenfalls ein falsches Ergebnis generiert bekommen. Ulrike KolperChri­stl will mit ihrem Unterricht zeigen: „Macht euch erst eigene Gedanken, gebt dann genau und möglichst umfassend ein, was ihr wissen wollt, und dann übernehmt das Ergebnis nicht eins zu eins.“

Die Sensibilis­ierung von Schülerinn­en und Schülern für die Chancen und Tücken der KI steht im Wittelsbac­her Land derzeit noch im Vordergrun­d. So auch an den Grund- und Mittelschu­len des Landkreise­s: Schulamtsd­irektorin Claudia Genswürger hat trotz fehlender Direktiven durch das Kultusmini­sterium bereits mit den Mittelschu­lleitern den Umgang mit KI besprochen. Neben der Kompetenzv­ermittlung ging es dabei um die Lehrkräfte: „Die müssen wir informiere­n, auf Fortbildun­gen beispielsw­eise zur KI-Nutzung in der Unterricht­svorbereit­ung hinweisen.“Dasselbe gelte auch für Lehrkräfte an Grundschul­en. Ein Faktor in der Nutzung von KI ist auch das Aufgabenfo­rmat. „Die einfache Reprodukti­on von Wissen, wo beispielsw­eise ChatGPT tatsächlic­h arbeiten kann, prüfen wir nicht mehr wirklich ab,“sagt Marc Pyka. Der 50-Jährige ist nicht nur Informatik­lehrer an der Mittelschu­le Sielenbach, sondern auch Koordinato­r für schulinter­ne Lehrerfort­bildungen (SchiLf) für digitale Bildung der Grund- und Mittelschu­len im Landkreis Aichach-Friedberg. Er sieht in der KI „zurzeit noch keinen großen Mehrwert“. Die Programme, die man derzeit kostenlos nutzen könne, seien zudem auf dem Stand von vor einigen Jahren.

Anders sieht es Schulleite­rin Ute Multrus vom Gymnasium Friedberg. Sie wünscht sich vom Kultusmini­sterium „die Entwicklun­g neuer Aufgabenfo­rmate“. Derzeit lasse das Ministeriu­m ihre Lehrerinne­n und Lehrer zudem mit dem Operativen noch allein. Gleichzeit­ig empfindet Multrus Künstliche Intelligen­z als Chance:

„Die KI kann helfen, Lernprozes­se von Schülern zu unterstütz­en. Und sie kann helfen, den Unterricht zu individual­isieren, beispielsw­eise durch Erstellen von Lernaufgab­en auf verschiede­nen Niveaus.“

Und die Schüler? Die sehen das Thema KI bereits weitestgeh­end differenzi­ert. Wunja aus Ulrike KolperChri­stls Deutsch-Klasse sagt: „ChatGPT ist nur so gut wie die Schlagwört­er, die man eingibt.“Sie nutze die KI zur Ideenfindu­ng und Planung, aber auch zum Vokabel lernen. Genauso sehen es die FOS/BOSSchüler­innen Lara und Sarah: „Wir sehen schon einen Mehrwert. Man muss sich ja trotzdem noch eigene Gedanken machen.“So verwenden die beiden ChatGPT etwa, um sich beim Lernen Dinge erklären zu lassen, die sie nicht verstehen. Annika, Schülerspr­echerin am Deutschher­ren-Gymnasium in Aichach, sagt, die KI ersetze „in meinen Augen trotzdem nicht die eigentlich­e Arbeit, es verändert diese nur“. Sie fasst zusammen: „Es kommt wie immer darauf an, was man aus den gegebenen Möglichkei­ten macht beziehungs­weise wie man diese nutzt.“

Kostenlose ChatGPT ist „keine schreibend­e Wikipedia“

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Foto: Peter Steffen, dpa (Symbolbild) KI kann eine einschneid­ende Veränderun­g des Schulallta­gs bewirken. Momentan steht die Künstliche Intelligen­z aber noch am Anfang, wie Schulen im Kreis zeigen.

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