Aichacher Nachrichten

Schuldspru­ch für Sebastian Kurz

Österreich­s Ex-Bundeskanz­ler ist in Wien wegen Falschauss­age zu einer Bewährungs­strafe von acht Monaten verurteilt worden.

- Von Werner Reisinger

Es ist eine erste Entscheidu­ng, nicht mehr und nicht weniger – und dennoch dürfte sie dem österreich­ischen Ex-Kanzler Sebastian Kurz etwaige Rückkehrpl­äne auf die politische Bühne vorerst vereiteln. Eine Bewährungs­strafe von acht Monaten, so lautete am Freitagabe­nd das Urteil im Prozess wegen möglicher Falschauss­age gegen den ehemaligen Superstar der Konservati­ven und seinen engen Vertrauten, den Ex-Kabinettsc­hef im Kanzleramt Bernhard Bonelli. Letzterer erhielt wegen Falschauss­age vor dem parlamenta­rischen ÖVP-Korruption­s-Untersuchu­ngsausschu­ss sechs Monate auf Bewährung, von weiteren Anklagepun­kten wurden er und sein ehemaliger Chef freigespro­chen. Ausführlic­h und recht detaillier­t begründete Richter Michael Radasztics seine Entscheidu­ng. Er betonte, dass Auskunftsp­ersonen vor dem U-Ausschuss die „Umstände nicht verschweig­en“dürften und auch nicht „den Anschein der Vollständi­gkeit erwecken“. Eine Falschauss­age vor dem Parlament sei dann strafbar, wenn „sie unrichtig sei und mit der Wirklichke­it nicht übereinsti­mmt“.

Zuvor hatten sowohl Kurz als auch Bonelli in ihren Schlusssta­tements ihre Unschuld betont. Die Medienöffe­ntlichkeit, das sei nicht angenehm, sagte Kurz. Bonelli meinte, die Causa sei „das Erniedrige­ndste, das ich je erlebt habe“. Befragt wurde auch ein letztes Mal Kurz’ ehemaliger Mitstreite­r Thomas Schmid.

In den letzten Prozesstag­en und auch am Freitag sorgte vor allem die Strategie der Verteidige­r von Kurz und Bonelli für Aufsehen. Diese war ganz darauf ausgericht­et, Schmid als Zeugen vor dem Richter möglichst unglaubwür­dig erscheinen zu lassen – eine gängige Taktik in Gerichtsve­rfahren. Wie Kurz’ Verteidige­r das anstellten, ließ sich allerdings, gelinde gesagt, seltsam an.

Für Ende Januar hatte die Verteidigu­ng zwei russische Geschäftsl­eute als Zeugen beantragt, von denen damals einer – per Videoschal­tung – vernommen wurde. Dieser gab an, dass man damals Thomas Schmid als CEO für ein Projekt in Georgien gewinnen wollte. Beim Bewerbungs­gespräch seien die Ermittlung­en gegen Schmid zur Sprache gekommen – und da, so der Russe, habe Schmid davon gesprochen, dass er von der Staatsanwa­ltschaft unter Druck gesetzt worden sei. Schmid widersprac­h: „Es wurde auf mich von Seiten der Staatsanwa­ltschaft kein Druck ausgeübt.“

Unklar blieb, wie genau der Kontakt zwischen den russischen Geschäftsl­euten und den Verteidige­rn von Kurz überhaupt zustande gekommen war. Am Freitag wurde schließlic­h der zweite ominöse russische Zeuge befragt, dieser sagte, er habe nur „zwischen den Zeilen“bei Schmid herausgehö­rt, dass dieser sich unter Druck gesetzt fühle von den Staatsanwä­lten. Schmid betonte erneut, nie von großem Druck auf ihn gesprochen zu haben. Die Staatsanwa­ltschaft sprach bezüglich des russischen Job-Angebots an Schmid und die folgenden Aussagen der Geschäftsl­eute von einer „möglichen Falle“, die Schmid gestellt worden sein könnte.

Das nun ergangene Urteil ist nicht rechtskräf­tig – es ist davon auszugehen, dass sowohl Kurz’ als auch Bonellis Verteidigu­ng Rechtsmitt­el ergreifen werden. Zu Redaktions­schluss am Freitagabe­nd war dies allerdings noch unbestätig­t.

Bei dem nun vorerst zu Ende gegangenen Prozess handelt es sich eigentlich um einen Nebenschau­platz in den vielschich­tigen Korruption­sermittlun­gen der Staatsanwa­ltschaft gegen Kurz sowie zahlreiche weitere ÖVP-Politiker. Nach wie vor ist unklar, ob und wenn ja, wann es zu einer Anklageerh­ebung im Hauptstran­g des Ermittlung­sverfahren­s geben wird. Ebenso offen ist, ob Thomas Schmid von der Staatsanwa­ltschaft den Kronzeugen­status erhalten wird.

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Foto: Heinz-Peter Bader, dpa Sebastian Kurz, ehemaliger Bundeskanz­ler von Österreich, erscheint zur Urteilsver­kündung in seinem Prozess.

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