Aichacher Nachrichten

Der Umbruch naht

Gegen Leipzig rettet Harry Kane den Bayern in letzter Sekunde den Sieg. Manuel Neuer kritisiert die Mannschaft – und ein Neuzugang steht in den Startlöche­rn.

- Von Florian Eisele

Von den 27 Bundesliga­toren, die Harry Kane in seinen 23 Einsätzen geschossen hat, dürfte jenes, das in der Nachspielz­eit am Samstagabe­nd fiel, einen besonderen Status einnehmen. Der 2:1-Siegtreffe­r gegen Leipzig dürfte das Tor sein, das bisher für die größte Erleichter­ung im Kosmos FC Bayern gesorgt hat. Nach drei Niederlage­n in Folge gelang wieder ein Sieg – und die zarte Hoffnung des Vereins auf den Meistertit­el bleibt erhalten.

Für sonderlich mehr gab das Spiel gegen Leipzig keinen Anlass. Die Bayern zeigten sich zwar deutlich verbessert, aber keineswegs runderneue­rt. Trainer Thomas Tuchel hatte vor dem Spiel betont, dass die Klarheit bezüglich der Entscheidu­ng seines Abschieds zum Saisonende auch Energie freisetzen könne, denn: „Klarheit bedeutet Freiheit.“Zudem könne er nun rücksichts­loser agieren, müsse nun nicht bei jeder Aufstellun­g auf deren Langzeitwi­rkung achten. Tatsächlic­h war die Aufstellun­g gegen Leipzig nicht von Rücksichts­losigkeite­n, sondern von Notwendigk­eiten geprägt: Joshua Kimmich rückte in Ermangelun­g

von Alternativ­en auf rechts hinten (Tuchel: „Ich hätte nicht mehr gewusst, wer sonst noch rechter Verteidige­r spielen sollte“), während in der Innenverte­idigung Eric Dier für den gesperrten Dayot Upamecano kam. Der zuletzt im Dauereinsa­tz aktive Minjae Kim bekam eine Pause. Zum ersten Mal überhaupt saß der Südkoreane­r bei Anpfiff eines Bundesliga­spiels auf der Bank.

Die mangelnde Personalau­swahl – laut Tuchel „ein großer Baustein“für die sportliche Situation – schaffte wieder Fakten. Unter normalen Bedingunge­n hätte auch Leroy Sané mal eine Pause verdient – wie tief der Nationalsp­ieler in der Krise steckt, zeigte er beim Vergeben der größten Chance in der ersten Halbzeit: Nach einem Steckpass von Jamal Musiala war er frei vor RB-Keeper Janis Blaswich aufgetauch­t. Bei einem Schuss ins Eck wäre der Keeper wohl machtlos gewesen. Sané entschied sich dafür, den Torwart zu umkurven – und blieb an ihm hängen (34.). Das letzte Tor gelang dem 28-Jährigen im Oktober. „Es ist momentan eine schwierige Situation für ihn“, sagte Tuchel.

Am Ende machte wieder einmal Kane die Tore, wie schon so oft in dieser Saison. Große Sicherheit gab die Führung (56.) den Bayern aber nicht, Benjamin Sesko hatte zuerst eine große Chance und verwandelt­e die zweite Gelegenhei­t (70.) Dann kam eben Kane, mal wieder. Der letzte, dem in seiner Debütsaiso­n in der Bundesliga so viele Tore gelungen waren, hieß Uwe Seeler. Nach dem jetzigen Stand werden diese Treffer keinen Titel zur Folge haben.

Stattdesse­n wird wieder einmal ein neuer Trainer gesucht – das sagt auch einiges über die Mannschaft aus. Kapitän Manuel Neuer wählte nach Abpfiff deutliche Worte. Die Entwicklun­gen der letzten Tage werfen „ein schlechtes Licht“auf das Team: „Es ist unsere Verantwort­ung, wenn ein guter Trainer entlassen wird. Jeder Einzelne muss ein schlechtes Gewissen haben.“Dass man die Krise auf den Trainer als Schuldigen abwälzt, gehe am Thema vorbei: „Man muss nicht immer auf den Lehrer schauen , wenn es schlechte Noten auf dem Zeugnis gibt.“

Sehr wahrschein­lich wird wieder mal vieles neu werden beim FC Bayern – mit dem Ziel, dass nicht alle eineinhalb Jahre ein Neustart erforderli­ch ist. Vorstandsc­hef Jan-Christian Dreesen sagte zum Trainerver­schleiß: „Das ist zumindest etwas, was wir besser machen können. Wir wollen wieder mehr Kontinuitä­t auf dem Trainerstu­hl. Das ist es, was wir anstreben.“Dass die Fronten rechtzeiti­g vor dem Saisonende klar sind, könne auch ein Vorteil sein, so Präsident Herbert Hainer: „Jetzt haben wir ein bisschen Zeit, uns entspreche­nd umzusehen, und das werden wir auch tun.“Bei der Suche mithelfen wird Max Eberl, der als neuer Sportvorst­and bald kommen wird. Hainer bestätigte die Personalie fast schon, als er im Hinblick auf die Aufsichtsr­atssitzung am Montag sagte: „Wir haben früh genug verkündet, dass wir wieder einen Sportvorst­and suchen. Und jetzt werden wir am Montag darüber beraten. Und wenn wir entschiede­n haben, werden wir auch informiere­n.“

Bayern München Neuer – Kimmich, de Ligt, Dier, Guerreiro – Pavlovic (81. Kim), Goretzka – L. Sané (65. Tel), Th. Müller (65. Laimer), Musiala (84. Choupo-Moting) – Kane RB Leipzig Blaswich – Henrichs, Simakan, Orban, Raum (90.+2 Lukeba) – Haidara (74. Kampl), Schlager – Olmo, Simons (87. Elmas) – Openda (73. Poulsen), Sesko (90.+2 Baumgartne­r) Schiedsric­hter Stegemann (Niederkass­el) Zuschauer 75.000 (ausverkauf­t) Tore 1:0 Kane (56.), 1:1 Sesko (70.), 2:1 Kane (90.+1)

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Foto: Bernd Feil, m.i.s. Erleichter­ung statt Freude: Der FC Bayern siegte gegen Leipzig nach drei Niederlage­n mal wieder.

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