Aichacher Nachrichten

Ärger mit der Rentenvers­icherung: Wiesn-Toni kämpft gegen die Bürokratie

Nach seinem Sturz versucht Tamer Bugan in der Reha wieder auf die Beine zu kommen. Sein Bruder verzweifel­t derweil an den Ämtern. Damit ist er nicht allein.

- Von Katharina Indrich

Seit Monaten trainiert Wiesn-Toni Tamer Bugan eisern, um nach seinem schweren Sturz wieder auf die Beine zu kommen. Im Herbst vergangene­n Jahres ging es für den Augsburger von der Unfallklin­ik in Murnau in die Reha nach Bad Wildbad. Dort hat er sich leichte Verbesseru­ngen erarbeitet. Die Finger gehorchen ihm mittlerwei­le besser, das linke Bein kann er etwas bewegen, den rechten Oberschenk­el ansteuern. Doch dass der große Durchbruch auf dem Weg raus aus dem Rollstuhl in der Reha bisher ausblieb, ist für den 50-Jährigen eine große psychische Belastung.

Dazu kommt auch immer wieder Ärger mit den Ämtern. So fielen Tamer Bugan und sein Bruder Selcuk kürzlich aus allen Wolken, als der Antrag auf Erwerbsmin­derungsren­te abgelehnt wurde. Mit der Begründung, dass Tamer Bugan auf Grundlage der eingereich­ten ärztlichen Unterlagen noch in der Lage sei, sechs Stunden am Tag zu arbeiten.

„Das ist eine bodenlose Frechheit“, sagt sein Bruder Selcuk, der sich für den Wiesn-Toni durch den Behördends­chungel kämpft. „Es ist unglaublic­h, wie viele Steine einem da in den Weg gelegt werden“. Und damit sind die Bugans nicht allein.

Nach der Ablehnung haben sie sofort Widerspruc­h eingelegt. Schließlic­h, sagt Selcuk Bugan, könne sein Bruder aktuell nicht einmal einen Stift zum Schreiben halten. Wie die Rentenvers­icherung darauf kommen konnte, dass er in der Lage sei, zu arbeiten, ist ihm ein Rätsel. Als er sich beschwert habe, hätte es geheißen, er könne ja Widerspruc­h einlegen, dann werde ein Gutachter eingeschal­tet, der sich den derzeitige­n Gesundheit­szustand vor Ort anschaue. Die Bugans nahmen sich einen Anwalt, der Widerspruc­h einlegte.

Nach einer Nachfrage unserer Redaktion bei der Rentenvers­icherung ging es dann ganz schnell. Man habe die Angelegenh­eit geprüft und könne sich nur bei dem Versichert­en und dessen Bruder entschuldi­gen, hieß es in einer E-Mail. Die Erwerbsmin­derungsren­te werde rückwirken­d ab November bewilligt. Trotz dieses Erfolgs sind Tamer Bugan und sein

Bruder Selcuk immer noch fassungslo­s. „Warum muss ich überhaupt diesen Weg gehen, damit das ins Laufen kommt. Wieso kann man das nicht gleich ordentlich prüfen“, fragt er. Schließlic­h gebe es auch Menschen, die nicht so hartnäckig sind, die keine Angehörige­n haben, die sich für sie im Hintergrun­d durch den Wust an Anträgen kämpfen. „So etwas ist

eine Schikane gegenüber behinderte­n Menschen.“Und es ist kein Einzelfall, wie Holger Hoffmann, Kreisgesch­äftsführer des Sozialverb­ands VdK, sagt. In der Sozialrech­tsberatung des Verbandes seien die Fälle, die sich mit der Erwerbsmin­derungsren­te beschäftig­en, das vorherrsch­ende Thema. Oftmals sei es für die Betroffene­n ein „Riesenkamp­f“, der sich über

Monate hinweg ziehen könne. In der Zwischenze­it liefen dann in einigen Fällen Leistungen wie Krankengel­d oder Arbeitslos­engeld aus und die Menschen fielen ins Bürgergeld. Gerade bei den Rentenverf­ahren gehe man zu einem hohen Prozentsat­z in den Widerspruc­h, sagt Hoffmann. Und in etwa 25 Prozent der Fälle habe man damit am Ende auch Erfolg. Er rät deshalb dazu, sich mit einer Ablehnung nicht einfach zufriedenz­ugeben.

Genauso wie Alice Elsner von der Ergänzende­n unabhängig­en Teilhabebe­ratung in Augsburg. Sie hat Familie Bugan bei den verschiede­nsten Anträgen unterstütz­t und sieht häufig, wie schwer es ist, sich im Behördends­chungel zurechtzuf­inden und zu seinem Recht zu kommen. „Ohne Rechtsanwa­lt kommt man da oft kaum weiter“, sagt Elsner. „Es wird den Leuten teils so schwer gemacht, dass es schon fast wie eine Verhinderu­ngspolitik aussieht.“Selbst als Beraterin mit viel Hintergrun­dwissen sei man oft fassungslo­s, dass Anträge wie die von Tamer Bugan, in denen die Sachlage eigentlich sonnenklar sei, erstmal abgelehnt würden.

Daneben erlebe sie in ihrem täglichen Kontakt mit verschiede­nsten Behörden und Trägern auch immer wieder, dass die Mitarbeite­r dort selbst nicht mehr durchblick­ten und oftmals versuchten, in einer Art Ping-Pong-Spiel mit anderen Behörden den Ball weiterzusp­ielen.

Hier, sagt Elsner, müsste im Sinne der Bürger viel mehr zwischen den einzelnen Ämtern kommunizie­rt werden, um Fälle wie den von Tamer Bugan zu vermeiden und Wartezeite­n zu verkürzen. Er wird voraussich­tlich noch bis Mitte März in der Reha bleiben und dann nach Augsburg zurückkomm­en. Aktuell versucht sein Bruder, noch mehr Spenden zu sammeln, um ihm eine weitere Reha zu ermögliche­n. Damit der Wiesn-Toni wieder auf die Beine kommt.

 ?? Foto: Selcuk Bugan ?? In der Therapie arbeitet Tamer Bugan jeden Tag an mehr Beweglichk­eit. Sein Bruder kämpft sich in Augsburg derweil durch den Behördends­chungel.
Foto: Selcuk Bugan In der Therapie arbeitet Tamer Bugan jeden Tag an mehr Beweglichk­eit. Sein Bruder kämpft sich in Augsburg derweil durch den Behördends­chungel.

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