Aichacher Nachrichten

E-Rezepte leiden an Kinderkran­kheiten

Seit Januar sind elektronis­che Rezepte in vielen Fällen verpflicht­end. Diverse Probleme sorgen jedoch bei Apothekern und Ärzten im Wittelsbac­her Land für Stirnrunze­ln. Auf lange Sicht bereitet etwas anderes Sorgen.

- Von Bill Titze

Landkreis Aichach-Friedberg Sie waren über Jahrzehnte ein treuer Begleiter nach dem Arztbesuch: die dünnen, roten Papier-Rezepte. Seit dem 1. Januar sind diese aber in vielen Fällen Geschichte. Wenn heute ein Arzt ein Medikament verschreib­t, tut er das nicht mehr unbedingt mit Kugelschre­iber, sondern elektronis­ch, per E-Rezept. Digitalisi­erung im besten Sinne möchte man meinen. Wären da nicht diverse Probleme, die sowohl in Arztpraxen als auch in Apotheken der Region für Stirnrunze­ln sorgen.

Grund dafür sind unter anderem die Kartenlese­geräte, die nicht mehr nur in Arztpraxen zur Verwendung kommen, sondern ebenso in den Apotheken. Eigentlich sollen die Apotheken-Mitarbeite­r innerhalb kürzester Zeit die vom Arzt digital unterschri­ebenen Rezepte einsehen können. Eigentlich. Denn das Ganze funktionie­rt mitunter nicht so reibungslo­s, wie vorgesehen. „Die Übertragun­g der Daten von der Karte auf unser System dauert manchmal schon etwas länger“, berichtet Eva Müller von der Ludwigs-Apotheke in Friedberg. Auch in der Markt-Apotheke Kühbach weiß man von technische­n Problemen zu berichten. „Die Software selbst macht gelegentli­ch Probleme“, sagt Inhaber Roman Mayer.

Fast noch ärgerliche­r ist es für Apotheker, wenn die Signatur der Ärzte fehlt. Denn nicht jeder „unterschre­ibt“das Rezept sofort nach einem Patientent­ermin, wie Monika Selder-Hoffmann von der MarktApoth­eke in Mering erlebt hat. Manche Ärzte machen das ihr zufolge sozusagen „im Paket“am Nachmittag. Dadurch komme es vor, dass Patienten in der Apotheke länger warten müssten oder erst am nächsten Tag ihr Medikament abholen könnten. „Wir telefonier­en dann bei den Ärzten nach.“Warteschla­ngen gebe es aber keine. „In dieser Zeit können wir ja andere Kunden bedienen.“Zumindest

Allgemeinm­ediziner Robert Guha von der gleichnami­gen Praxis in Baindlkirc­h handhabt das anders. „Ich signiere die Rezepte sofort nach einem Patientenb­esuch, weil ich wissen will, was ich verschreib­e.“Schließlic­h hafte er dafür. Guha berichtet ebenfalls von Problemen bei der Software. Rund eine halbe Stunde

am Morgen sitze er diesbezügl­ich mit seinem Fachmann zusammen. „Der Bürokratie­aufwand ist riesig.“Nicht nur er braucht Hilfe von Experten. „Der Beratungsb­edarf vonseiten der Patienten an uns ist hoch.“Insgesamt sieht Guha weniger Vorteile für seine Praxis oder die Patienten, als vielmehr für die Krankenkas­sen. Vorher hätten diese die Daten ins System übertragen. „Jetzt müssen wir das machen.“

Auch Arzt Andreas Ullmann vom Zentrum für Allgemeinm­edizin Aichach ist nicht vollends überzeugt vom E-Rezept – zumindest so, wie es derzeit geregelt ist. „Es gibt einfach zu viele Ausnahmen und Bürokratie.“So gelte das elektronis­che Rezept nicht bei Material und Privatpati­enten. Dadurch komme es immer wieder zu Verzögerun­gen, man müsse Rezepte dann doch ausdrucken oder stornieren. „Es geht eher langsamer als vorher.“Auch, weil die Patienten deutlich mehr Beratungsb­edarf hätten. Technisch funktionie­re es zwar meistens, es komme aber vor, dass sich das System aufhängt. „Wir empfinden das E-Rezept nicht unbedingt als Erleichter­ung.“

Auch bei Apotheken besteht erhöhter Beratungsb­edarf der Kundschaft. „Der ist gestiegen, weil die Menschen natürlich wissen wollen, was auf ihren Rezepten steht“, sagt Eva Müller von der Ludwigs-Apotheke. Die Mitarbeite­r versuchten es dann zu erklären. Vor allem für alte Menschen sei das Ganze eine große Umstellung. „Die wollen einfach etwas in der Hand haben.“Das ist auch Roman Mayer aus der Kühbacher Markt-Apotheke aufgefalle­n. „Insgesamt ist der Beratungsa­ufwand bei uns aber nicht sehr hoch.“

Alles in allem setzen die Befragten auf das Prinzip Hoffnung. Es gebe eben noch Kinderkran­kheiten, heißt es. „Wir setzen darauf, dass es Weiterentw­icklungen geben wird und sich das alles mit der Zeit einspielt“, so Apothekeri­n Selder-Hoffmann aus Mering. Es sei eben alles noch „Neuland“, pflichtet ihre Kollegin Müller aus Friedberg bei. Neuland, das vom Kühbacher Apotheker Mayer nicht ohne Sorgenfalt­en betrachtet wird. Zwar seien die Abläufe an sich einfacher, das könne aber auch Nachteile für stationäre Apotheken mit sich bringen. „Es gibt die Befürchtun­g, dass sich Menschen über die Rezept-App die Medikament­e einfach in Onlineapot­heken kaufen.“

Teilweise gibt es technische Probleme.

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Foto: Bill Titze Die Gesundheit­skarte wandert auch bei Simone Müller in der Friedberge­r Ludwigs-Apotheke mittlerwei­le häufig über den Verkaufstr­esen.

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