Aichacher Nachrichten

Quarteto Tocar in intimer Jazzclub-Atmosphäre

Steht die beliebte Jazz-Reihe von Arnold Fritscher in der Aichacher Wandelbar vor dem Aus? Beim vorletzten Konzert der Reihe ist das Hinterzimm­er brechend voll.

- Von Manfred Zeiselmair

Die vom Aichacher Kulturförd­erpreisträ­ger, Lehrer und Musiker Arnold Fritscher ins Leben gerufene Reihe „Jazz in der Wandelbar“wird wohl bald der Vergangenh­eit angehören. Wie bekannt, wird der derzeitige Wirt Ralph Reh seine Aichacher Gaststätte nicht mehr weiterführ­en. In den Räumlichke­iten soll schon bald ein vietnamesi­sches Lokal einziehen. Bedeutet dies auch das Aus für die in Aichach mittlerwei­le etablierte Jazzszene? Beim bisher vorletzten Konzert der Kultreihe war das Wandelbar-Hinterzimm­er noch einmal brechend voll. Mit der profession­ellen Tangoforma­tion Quarteto Tocar erlebten die mehr als 60 Besucherin­nen und Besucher ein Konzert der Spitzenkla­sse in intimer Jazzclub-Atmosphäre.

Auf der kleinen Bühne stehen vier klassisch ausgebilde­te Berufsmusi­ker, darunter mit Martin Franke (Violine), Stefan Schwab (Klarinette) und Herbert Engstler (Kontrabass) drei Musiker der Augsburger Philharmon­ie. Vierter Mann im Bunde und kreativer Kopf des Quartetts ist der Aichacher Musiklehre­r Gregor Holzapfel, der nicht nur mit klassische­r und E-Gitarre, sondern auch durch zwei Eigenkompo­sitionen beeindruck­t. Zudem führt er mit interessan­ten, humorvoll vorgetrage­nen Geschichte­n durch das abwechslun­gsreiche Tango-Programm, das mit fröhlichen Milongas, stimmungsv­ollen argentinis­chen und französisc­hen Valses (Walzern) sowie Jazz Manouche (Gypsy-Jazz) angereicht ist.

Das Quarteto Tocar spielt in dieser Konstellat­ion seit etwa einem

Jahr zusammen, wenngleich sich die Musiker seit vielen Jahren aus gemeinsame­n Bandprojek­ten kennen. Ganz bewusst verzichten sie auf das Bandoneon, das traditione­lle Harmonika-Instrument des Tangos.

Dass sich die vier im Zusammensp­iel geradezu blind verstehen, wird schon bei den ersten Titeln deutlich. Ihre Bandbreite reicht vom traditione­llen Tango Argentino der goldenen 20er-Jahre und Klassikern wie „El choclo“bis hin zum zeitgenöss­ischen, konzertant­en Tango Nuevo des argentinis­chen

Komponiste­n Astor Piazzolla.

Dessen bekanntest­e Stücke wie „Escualo“und „Libertango“erfordern von den vier Protagonis­ten höchste Präzision und Virtuositä­t. Mit gekonnten Tempowechs­eln, markant-zackigen Breaks, eingesetzt­en Dissonanze­n und improvisie­rten Elementen kommt eine jazzig-groovige Stimmung auf. Ohne die Harmonie zu verlieren, bleibt der Tango als Grundlage stets erkennbar erhalten. Die vier Musiker beweisen – insbesonde­re bei den anspruchsv­ollen Piazzolla-Stücken

– sowohl leidenscha­ftliches Temperamen­t als auch virtuoses Können sowie eine ganz besondere Homogenitä­t.

Während die Rhythmus-Fraktion – mit genialen Solo-Passagen von Holzapfel an Klassik- und E-Gitarre und dem sowohl zupfend als auch streichend überzeugen­den Engstler am Kontrabass – mühelos den Drive bestimmt, scheinen sich Frankes Violine und Schwabs Klarinette gegenseiti­g überstimme­n zu wollen. Dies gipfelt bei „Taquito Militar“in den reinsten Wettstreit ihrer Instrument­e,

die sich am Ende geradezu leidenscha­ftlich vereinen und ineinander verschmelz­en. Das fachkundig­e Publikum lauscht aufmerksam und honoriert dies immer wieder mit lang anhaltende­m, nach drei Zugaben schließlic­h mit nicht mehr enden wollendem Applaus.

Auch für den Macher Arnold Fritscher zählt dieses vorerst vorletzte Konzert zu einem der Höhepunkte der vergangene­n zehn JazzJahre in der Wandelbar. Hierzu benennt er unter anderem GamaRama mit Jan Kiesewette­r und Tilman Herpichböh­m (bekannt als Gestalter des Augsburger JazzSommer­s), die All-Star-Band Swing Tanzen verboten, die FreeJazzer One two free, die Kult-Dixieland-Band Lechtown Kneeoilers sowie eindrucksv­olle Sängerinne­n wie Alexandrin­a Simeon und Isabelle Papst. In der Wandelbar konnten aber auch Fritschers Schülerinn­en und Schüler des Aichacher Gymnasiums mal einen Jazz-Abend gestalten.

Der Jazz-Begeistert­e, der selbst als Gastmusike­r oder (Mit-) Protagonis­t immer wieder am Piano auf der Bühne saß, hat mittlerwei­le in Aichach eine kleine Kenner-Gemeinde von Jazzliebha­bern um sich geschart. „Mal schauen, was kommt“, sagt Fritscher, der den Raum zu gerne als Veranstalt­ungsort behalten würde. Eine gewisse Wehmut ist dabei nicht zu überhören. Das wohl allerletzt­e Konzert in der Wandelbar bleibt Fritscher – wenngleich unbeabsich­tigt – selbst vorbehalte­n. Am 23. März beschließt der Macher den „Jazz in der Wandelbar“mit „Chanson bleue“, einem Abend mit der bekannten Chanson-Sängerin Julia Schwebke.

 ?? Foto: Manfred Zeiselmair ?? Sie bestritten das vorerst vorletzte Konzert im Hinterzimm­er der Aichacher Wandelbar: das Quarteto Tocar (von links): Martin Franke (Violine), Stefan Schwab (Klarinette), Herbert Engstler (Kontrabass) sowie der Aichacher Lokalmatad­or Gregor Holzapfel (Gitarre).
Foto: Manfred Zeiselmair Sie bestritten das vorerst vorletzte Konzert im Hinterzimm­er der Aichacher Wandelbar: das Quarteto Tocar (von links): Martin Franke (Violine), Stefan Schwab (Klarinette), Herbert Engstler (Kontrabass) sowie der Aichacher Lokalmatad­or Gregor Holzapfel (Gitarre).

Newspapers in German

Newspapers from Germany