Aichacher Nachrichten

Macrons leere Drohung mit Bodentrupp­en

Eine direkte Beteiligun­g des Westens am Krieg ist derzeit undenkbar. Mehr Erfolg verspreche­n abgestimmt­e Waffenhilf­en – und Taurus wäre ein wichtiges Element gewesen.

- Von Simon Kaminski

Flaggen von Nato-Mitgliedst­aaten auf den Schlachtfe­ldern der Ukraine? Ein schlechter Scherz oder bitterer Ernst? Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron weiß genau, dass es auf absehbare Zeit nicht denkbar ist, dass westliche Bodentrupp­en in den UkraineKri­eg eingreifen. Macrons – wie schon oft zuvor – nicht mit den Partnern abgesproch­ener Vorstoß ist eher als Signal an Russland zu verstehen: Freut euch nicht zu früh über eine vermeintli­ch sinkende Bereitscha­ft, Kiew zu unterstütz­en – wir reden im Hintergrun­d über ganz andere Strategien, euch zu stoppen, als ihr glaubt. Und er will natürlich zeigen, dass er ein Macher ist und bleibt.

Die Frage ist nur, ob der russische Präsident Wladimir Putin mit solchen Spielchen zu beeindruck­en ist. Denn psychologi­sche „Kriegsführ­ung“funktionie­rt nur, wenn der Gegner tatsächlic­h in Betracht ziehen muss, dass die Drohung Substanz hat. Davon dürfte Putin weit entfernt sein, zumal aufgeschre­ckte Politiker aus vielen Nato-Ländern es verständli­cherweise eilig hatten, zu versichern, dass die Entsendung eigener Bodentrupp­en kein Thema sei.

Zurück bleibt der Eindruck, dass den Verbündete­n der Ukraine eine klare Linie fehlt. Gleiches gilt für die ermüdenden Diskussion­en über Waffensyst­eme für die Ukraine. Beispiel Taurus. Das monatelang­e Gezerre in Deutschlan­d über die Lieferung der Marschflug­körper ist ein Beispiel dafür, wie man es nicht macht. Der Kreml konnte sich zurücklehn­en und verfolgen, wie das Thema die ohnehin zerstritte­ne Ampelkoali­tion spaltet.

Kanzler Olaf Scholz ließ zwar schon früh durchblick­en, dass er Taurus-Lieferunge­n skeptisch sieht, verzichtet­e aber lange in gewohnter Manier auf eine klare Ansage. Am Montag kam dann die

Absage – allerdings mit Hintertür. Briten und Franzosen agierten ungleich geschickte­r. Sie bereiteten die Zusage, mit dem Taurus-System vergleichb­are Waffen an Kiew zu liefern, vergleichs­weise geräuschlo­s vor und gaben Moskau so gar nicht erst die Gelegenhei­t, auf offenen oder verdeckten Kanälen gegen die Entscheidu­ngen zu polarisier­en. Nun könnte man einwenden, dass Deutschlan­d – anders als London oder Paris – den Bundestag einschalte­n muss, um die Marschflug­körper in die Ukraine zu schicken. Mit Blick auf die Mehrheitsv­erhältniss­e im Parlament wäre dies ohne größere Reibungsve­rluste möglich gewesen.

Doch das endlose Lavieren des Kanzlers und der Ampelkoali­tion verursacht­en ein kommunikat­ives Desaster. Ein zügiger Beschluss in enger Absprache mit den Verbündete­n hätte dies verhindert. Die Folgen sind fatal: Deutschlan­d bietet eine große Angriffsfl­äche und hat den wenig stichhalti­gen Bedenken, dass die Taurus-Lieferung das Land näher an eine Kriegsbete­iligung gebracht hätte, erst Nahrung gegeben. Der Kreml wird sich darin bestätigt sehen, dass es sich lohnt, mit allen Mitteln Einfluss auf die Stimmung in Deutschlan­d zu nehmen. Auch das Argument, dass sich die Unterstütz­er Kiews erst einmal um ausreichen­d Munition kümmern sollten, ist nur halb richtig. Denn es geht darum, die Ukraine so auszustatt­en, dass Russland sich nie in Sicherheit vor bösen militärisc­hen Überraschu­ngen wiegen kann – genau dafür wäre Taurus prädestini­ert.

Bodentrupp­en westlicher Staaten hingegen werden diesen Krieg nicht entscheide­n. Das ändert nichts daran, dass militärisc­he Konflikte eine Eigendynam­ik entwickeln können, die die Kraft hat, Gewissheit­en in kürzester Zeit zu pulverisie­ren.

Das deutsche Zögern wird den Kreml ermutigen.

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