Tempo 30: Stadtrat will kein „Wunschkonzert“
Der Aichacher Stadtrat diskutiert nochmals ausgiebig über einen Beitritt zu der Initiative von Kommunen aus ganz Deutschland. Was dafür und was dagegen spricht.
Es bleibt dabei: Die Stadt Aichach tritt der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“nicht bei. Der Antrag der Grünen-Fraktion wurde im Aichacher Stadtrat mit 19:10 Stimmen abgelehnt. Unterstützung bekamen die Grünen lediglich von der SPD. Zuvor wurde wie schon im Bauausschuss noch einmal ausgiebig diskutiert.
Die bundesweite Initiative setzt sich dafür ein, dass die Kommunen bei der Anordnung von Höchstgeschwindigkeiten mehr Freiheiten gewährt werden. Der Beitritt ist mit keinerlei Kosten verbunden. In der Initiative engagieren sich bereits mehr als 1051 Städte, Gemeinden, Landkreise und ein Regionalverband. Dazu gehören zum Beispiel die Stadt Augsburg, der Landkreis Augsburg, Pöttmes, Kissing und Mering. Die Initiative wird auch vom Deutschen Städtetag unterstützt.
Derzeit legt die Straßenverkehrsordnung fest, dass Tempo 30 nur bei konkreten Gefährdungen, zum Beispiel vor sozialen Einrichtungen wie Kitas, Schulen und Seniorenheimen angeordnet werden kann. Der Bundestag hat bereits einer Novelle des Straßenverkehrsgesetzes zugestimmt, das den Kommunen mehr Entscheidungsspielraum eingeräumt hätte. Diese scheiterte allerdings im Bundesrat im November. Laut Bürgermeister Klaus Habermann liefen derzeit Gespräche zwischen den Bundesländern. Irgendwann werde die Novelle wohl Thema im Vermittlungsausschuss sein.
Die Initiative setzt sich allerdings weiter dafür ein, dass Kommunen selbst entscheiden können, wo sie Tempo 30 für sinnvoll halten. Darauf wies Grünen-Fraktionsvorsitzende Marion Zott im Stadtrat nochmals aus. Sie verteidigte den Antrag mit der damit einhergehenden Aufwertung des öffentlichen Raums und der breiten Unterstützung von Kommunen und Bevölkerung. Die Leistungsfähigkeit für den Verkehr werde nicht verschlechtert, die Aufenthaltsqualität dagegen erhöht.
Unterstützung bekam Zott von der SPD. Bürgermeister Klaus Habermann wies ausdrücklich darauf hin, dass es nicht um die Frage „Tempo 30 – ja oder nein“gehe, sondern lediglich um den Beitritt zu der Initiative. „Ich persönlich würde beitreten“, sagte er. Fraktionsvorsitzende Kristina Kolb-Djoka sah in einem Beitritt die Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen. Die Kommune gewinne an Selbstbestimmtheit.
Im Stadtrat wehte der Gegenwind jedoch ebenso stark wie bereits im Bauausschuss. Josef Dußmann, Zweiter Bürgermeister und Vorsitzender der CSU-Fraktion, berief sich auf die bundesweit geltende Straßenverkehrsordnung. Es sei „nicht im Sinne des Erfinders“, dass jede Kommune selbst entscheidet. Er befürchtete zudem, dass die Stadt in der Folge mit zahlreichen Wünschen von Anwohnern auf Tempo 30 in ihrer Straße konfrontiert wäre. „Am Ende muss der Stadtrat jedes Mal entscheiden, ob er in einer Straße Tempo 30 will oder nicht“, sagte er voraus. Sein Parteikollege Helmut Beck pochte auf eine bundeseinheitliche Regelung. „Das soll nicht zu einem Wunschkonzert werden.“
Auch Georg Robert Jung, Fraktionsvorsitzender der Freien Wählergemeinschaft (FWG), hielt eine Gesetzesänderung nicht für sinnvoll – und nicht für nötig. Die Stadt habe derzeit schon die Möglichkeit, dort Tempo 30 festzulegen, wo es eine Gefährdung gebe.
Ganz so einfach sei das nicht, erwiderte Zott. Sie erinnerte an die Diskussion, bevor im April vergangenen Jahres Tempo 30 am Plattenberg bei der Lebenshilfe eingeführt wurde – örtlich und zeitlich begrenzt. Das sei nicht einfach gewesen. Ihre Parteikollegin Magdalena Federlin verstand überhaupt nicht, was gegen einen Beitritt sprechen könnte. „Es gibt keinen Zwang“Tempo 30 auszuweisen, betonte sie. „Wir verlieren nichts.“
Erich Echter von der Christlichen Wählergemeinschaft (CWG), Vorsitzender der Fraktionsgemeinschaft, war der Ansicht, es könnte ein großes Problem werden, Tempo 30 zu überwachen. Erol Duman vom Bündnis Zukunft Aichach (BZA) sorgte sich, durch einen Beitritt zu der Initiative könne die Stadt sogar an Selbstbestimmtheit verlieren. Die Diskussion beendete schließlich Dieter Saliger (CSU) mit dem Antrag auf „Ende der Rednerliste“, dem die Mehrheit zustimmte.
Mehrheitlich mit 19:10 wurde der Beitritt zu der Städteinitiative dann abgelehnt. Dafür waren die Grünen und die SPD.