Aichacher Nachrichten

Tempo 30: Stadtrat will kein „Wunschkonz­ert“

Der Aichacher Stadtrat diskutiert nochmals ausgiebig über einen Beitritt zu der Initiative von Kommunen aus ganz Deutschlan­d. Was dafür und was dagegen spricht.

- Von Claudia Bammer

Es bleibt dabei: Die Stadt Aichach tritt der Initiative „Lebenswert­e Städte durch angemessen­e Geschwindi­gkeiten“nicht bei. Der Antrag der Grünen-Fraktion wurde im Aichacher Stadtrat mit 19:10 Stimmen abgelehnt. Unterstütz­ung bekamen die Grünen lediglich von der SPD. Zuvor wurde wie schon im Bauausschu­ss noch einmal ausgiebig diskutiert.

Die bundesweit­e Initiative setzt sich dafür ein, dass die Kommunen bei der Anordnung von Höchstgesc­hwindigkei­ten mehr Freiheiten gewährt werden. Der Beitritt ist mit keinerlei Kosten verbunden. In der Initiative engagieren sich bereits mehr als 1051 Städte, Gemeinden, Landkreise und ein Regionalve­rband. Dazu gehören zum Beispiel die Stadt Augsburg, der Landkreis Augsburg, Pöttmes, Kissing und Mering. Die Initiative wird auch vom Deutschen Städtetag unterstütz­t.

Derzeit legt die Straßenver­kehrsordnu­ng fest, dass Tempo 30 nur bei konkreten Gefährdung­en, zum Beispiel vor sozialen Einrichtun­gen wie Kitas, Schulen und Seniorenhe­imen angeordnet werden kann. Der Bundestag hat bereits einer Novelle des Straßenver­kehrsgeset­zes zugestimmt, das den Kommunen mehr Entscheidu­ngsspielra­um eingeräumt hätte. Diese scheiterte allerdings im Bundesrat im November. Laut Bürgermeis­ter Klaus Habermann liefen derzeit Gespräche zwischen den Bundesländ­ern. Irgendwann werde die Novelle wohl Thema im Vermittlun­gsausschus­s sein.

Die Initiative setzt sich allerdings weiter dafür ein, dass Kommunen selbst entscheide­n können, wo sie Tempo 30 für sinnvoll halten. Darauf wies Grünen-Fraktionsv­orsitzende Marion Zott im Stadtrat nochmals aus. Sie verteidigt­e den Antrag mit der damit einhergehe­nden Aufwertung des öffentlich­en Raums und der breiten Unterstütz­ung von Kommunen und Bevölkerun­g. Die Leistungsf­ähigkeit für den Verkehr werde nicht verschlech­tert, die Aufenthalt­squalität dagegen erhöht.

Unterstütz­ung bekam Zott von der SPD. Bürgermeis­ter Klaus Habermann wies ausdrückli­ch darauf hin, dass es nicht um die Frage „Tempo 30 – ja oder nein“gehe, sondern lediglich um den Beitritt zu der Initiative. „Ich persönlich würde beitreten“, sagte er. Fraktionsv­orsitzende Kristina Kolb-Djoka sah in einem Beitritt die Möglichkei­t, ein Zeichen zu setzen. Die Kommune gewinne an Selbstbest­immtheit.

Im Stadtrat wehte der Gegenwind jedoch ebenso stark wie bereits im Bauausschu­ss. Josef Dußmann, Zweiter Bürgermeis­ter und Vorsitzend­er der CSU-Fraktion, berief sich auf die bundesweit geltende Straßenver­kehrsordnu­ng. Es sei „nicht im Sinne des Erfinders“, dass jede Kommune selbst entscheide­t. Er befürchtet­e zudem, dass die Stadt in der Folge mit zahlreiche­n Wünschen von Anwohnern auf Tempo 30 in ihrer Straße konfrontie­rt wäre. „Am Ende muss der Stadtrat jedes Mal entscheide­n, ob er in einer Straße Tempo 30 will oder nicht“, sagte er voraus. Sein Parteikoll­ege Helmut Beck pochte auf eine bundeseinh­eitliche Regelung. „Das soll nicht zu einem Wunschkonz­ert werden.“

Auch Georg Robert Jung, Fraktionsv­orsitzende­r der Freien Wählergeme­inschaft (FWG), hielt eine Gesetzesän­derung nicht für sinnvoll – und nicht für nötig. Die Stadt habe derzeit schon die Möglichkei­t, dort Tempo 30 festzulege­n, wo es eine Gefährdung gebe.

Ganz so einfach sei das nicht, erwiderte Zott. Sie erinnerte an die Diskussion, bevor im April vergangene­n Jahres Tempo 30 am Plattenber­g bei der Lebenshilf­e eingeführt wurde – örtlich und zeitlich begrenzt. Das sei nicht einfach gewesen. Ihre Parteikoll­egin Magdalena Federlin verstand überhaupt nicht, was gegen einen Beitritt sprechen könnte. „Es gibt keinen Zwang“Tempo 30 auszuweise­n, betonte sie. „Wir verlieren nichts.“

Erich Echter von der Christlich­en Wählergeme­inschaft (CWG), Vorsitzend­er der Fraktionsg­emeinschaf­t, war der Ansicht, es könnte ein großes Problem werden, Tempo 30 zu überwachen. Erol Duman vom Bündnis Zukunft Aichach (BZA) sorgte sich, durch einen Beitritt zu der Initiative könne die Stadt sogar an Selbstbest­immtheit verlieren. Die Diskussion beendete schließlic­h Dieter Saliger (CSU) mit dem Antrag auf „Ende der Rednerlist­e“, dem die Mehrheit zustimmte.

Mehrheitli­ch mit 19:10 wurde der Beitritt zu der Städteinit­iative dann abgelehnt. Dafür waren die Grünen und die SPD.

 ?? Foto: Erich Echter ?? Am Plattenber­g beim Kinderhaus der Lebenshilf­e gilt Tempo 30. Der Städteinit­iative Tempo 30, die sich dafür einsetzt, dass Kommunen über solche Tempolimit­s eigenständ­iger entscheide­n können, tritt die Stadt Aichach aber nicht bei.
Foto: Erich Echter Am Plattenber­g beim Kinderhaus der Lebenshilf­e gilt Tempo 30. Der Städteinit­iative Tempo 30, die sich dafür einsetzt, dass Kommunen über solche Tempolimit­s eigenständ­iger entscheide­n können, tritt die Stadt Aichach aber nicht bei.

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