Wirtschaftsschule: zwei- statt sechsstufig
Der Versuch für eine Wirtschaftsschule ab der fünften Klasse stößt auf großes Interesse. In Aichach ist das aber kein Thema. Die Schule zieht heuer von Pöttmes in die Kreisstadt um und bekommt mittelfristig ein neues Gebäude.
Landkreis Aichach-Friedberg Wie geht’s weiter nach der Grundschule? Vor dieser Entscheidung stehen derzeit auch viele Viertklässler und ihre Eltern im Wittelsbacher Land: Mittelschule, Realschule oder Gymnasium? Keine Option ist dagegen die Wirtschaftsschule Aichach. Die zieht im Herbst von Pöttmes in die Kreisstadt um und wird dadurch für viele Schülerinnen und Schüler zwar attraktiver, weil sie am neuen Standort an der Berufsschule leichter zu erreichen ist. Doch die einzige Wirtschaftsschule im Landkreis Aichach-Friedberg ist nur zweistufig. Das ist ein ganz anderes Modell als die künftig auch sechsstufigen Wirtschaftsschulen.
Vor Kurzem hat das bayerische Kultusministerium den Schulversuch „5. Klasse Wirtschaftsschule“angekündigt. Kinder können dann dort ab der fünften Klasse lernen, bislang war das frühestens erst ab der sechsten Jahrgangsstufe möglich. Damit wird der strukturelle Nachteil dieser Schulart gegenüber den sechsstufigen Realschulen ausgeglichen. Das Interesse an einem Einstieg direkt nach der Grundschule ist in Regionen mit solchen Angeboten sehr groß. Start in Aichach ist dagegen weiter mit der zehnten Klasse nach einem Abschluss an einer Mittelschule. In zwei Jahren geht es zu einer Mittleren Reife mit sehr viel Praxisbezug in Wirtschaft und Verwaltung. Die nächste zehnte Klasse beginnt ab September in der Berufsschule. Die elfte Klasse wird im Schuljahr 24/25 noch ein letztes Mal in Pöttmes beschult.
Das Modell in Aichach ist also ein komplett anderes und spricht auch ganz andere Schülerinnen und Schüler an. Die fünf- oder jetzt sechsstufige Wirtschaftsschule ist eine Alternative mit viel Praxisbezug zur Realschule. Die zweistufige
Wirtschaftsschule ist eine Möglichkeit für Spätstarter, um eine Mittlere Reife mit Zusatzqualifikationen zu erwerben. Ein Ausbau bis zu einer sechsstufigen Schule ist für Walter Luksch, stellvertretender Leiter der Beruflichen Schulen Wittelsbacher Land, „ganz, ganz weit weg“. Für immer ausschließen möchte er es aber auch nicht und dennoch auf dem Boden bleiben: „Wir sind Erde, das ist Mars.“Er sieht die Wirtschaftsschule durch den Umzug nach Aichach gestärkt, weil dieser Standort für deutlich mehr Jugendliche ausgezeichnet zu erreichen ist. Das Interesse für das
neue Bildungsangebot in der Stadt sei schon vor der Anmeldung für September sehr groß, berichtet Luksch. Dazu komme der attraktive Neubau. Dort ist künftig Platz für drei Klassen. Neben der zehnten und elften ist das eine Integrationsvorklasse, die schon seit Herbst in Aichach beschult wird.
Vor allem junge Asylbewerber
werden dort für den Eintritt in die Wirtschaftsschule vorbereitet. In Bayern gibt es rund 70 Wirtschaftsschulen mit etwa 17.000 Schülerinnen und Schülern. Einige sind in kommunaler Trägerschaft wie die bekannte Reichlesche Wirtschaftsschule in Augsburg oder aber privat wie die Wirtschaftsschule Donauwörth. Hier existiert bereits eine fünfte Klasse, sie wurde zum aktuellen Schuljahr eingeführt. Statt einer Eingangsklasse hätten locker zwei gebildet werden können, berichtet dort die Schulleitung. Insgesamt werden in der Donaustadt rund 250 Schülerinnen und Schüler in elf Klassen unterrichtet.
Ab der neunten Jahrgangsstufe können Ausbildungsmodule gewählt werden wie Umwelttechnik, Gesundheitsökonomie, Touristik oder Robotik. Also keine einseitige Ausrichtung auf eine kaufmännische Ausbildung, sondern auf viele andere Berufe.
Zu Beginn des Schuljahres 2026/2027 – also in knapp zweieinhalb Jahren – steht laut Zeitplan das Gebäude für die neue Fachakademie für Sozialpädagogik, die Berufsfachschule für Kinderpflege und die Wirtschaftsschule auf der grünen Wiese östlich der Berufsschule in Aichach. Die zunächst dreistufige und seit 2021 zweistufige Schule hatte in Pöttmes immer wieder Existenzsorgen, weil die Anmeldungen nicht ausreichten. Die Randlage und die schlechte Erreichbarkeit machten sich bemerkbar. Höchststand waren vor zehn Jahren 58 Schülerinnen und Schüler. Das Lehrpersonal für die aktuell 23 Schülerinnen und Schüler in den zwei Klassen kommt ausschließlich von der Berufsschule. Der Umzug ist auch einer grundlegenden Änderung des Lehrplans für die Wirtschaftsschulen geschuldet.
Die berufliche Bildung wird jetzt noch stärker betont, um sie gegenüber anderen Angeboten für den mittleren Bildungsabschluss (Realschule, M-Zweig an Mittelschulen) abzugrenzen. Die Wirtschaftsschule passt also perfekt zur Berufsschule.
Östlich der bestehenden Berufsschule in Aichach soll aus den Modulen ein 69 mal 22 Meter großes rechteckiges Gebäude mit zwei Vollgeschossen und einem zwölf auf etwa 15 Meter großen Anbau in der Mitte für neun Klassenzimmer entstehen. Ein drittes Stockwerk für eine spätere Erweiterung ist möglich, wenn dies vorab statisch beim Modulbau eingeplant ist.
Aichacher Modell ist keine Alternative zur Realschule.