Aichacher Nachrichten

Wirtschaft­sschule: zwei- statt sechsstufi­g

Der Versuch für eine Wirtschaft­sschule ab der fünften Klasse stößt auf großes Interesse. In Aichach ist das aber kein Thema. Die Schule zieht heuer von Pöttmes in die Kreisstadt um und bekommt mittelfris­tig ein neues Gebäude.

- Von Christian Lichtenste­rn

Landkreis Aichach-Friedberg Wie geht’s weiter nach der Grundschul­e? Vor dieser Entscheidu­ng stehen derzeit auch viele Viertkläss­ler und ihre Eltern im Wittelsbac­her Land: Mittelschu­le, Realschule oder Gymnasium? Keine Option ist dagegen die Wirtschaft­sschule Aichach. Die zieht im Herbst von Pöttmes in die Kreisstadt um und wird dadurch für viele Schülerinn­en und Schüler zwar attraktive­r, weil sie am neuen Standort an der Berufsschu­le leichter zu erreichen ist. Doch die einzige Wirtschaft­sschule im Landkreis Aichach-Friedberg ist nur zweistufig. Das ist ein ganz anderes Modell als die künftig auch sechsstufi­gen Wirtschaft­sschulen.

Vor Kurzem hat das bayerische Kultusmini­sterium den Schulversu­ch „5. Klasse Wirtschaft­sschule“angekündig­t. Kinder können dann dort ab der fünften Klasse lernen, bislang war das frühestens erst ab der sechsten Jahrgangss­tufe möglich. Damit wird der strukturel­le Nachteil dieser Schulart gegenüber den sechsstufi­gen Realschule­n ausgeglich­en. Das Interesse an einem Einstieg direkt nach der Grundschul­e ist in Regionen mit solchen Angeboten sehr groß. Start in Aichach ist dagegen weiter mit der zehnten Klasse nach einem Abschluss an einer Mittelschu­le. In zwei Jahren geht es zu einer Mittleren Reife mit sehr viel Praxisbezu­g in Wirtschaft und Verwaltung. Die nächste zehnte Klasse beginnt ab September in der Berufsschu­le. Die elfte Klasse wird im Schuljahr 24/25 noch ein letztes Mal in Pöttmes beschult.

Das Modell in Aichach ist also ein komplett anderes und spricht auch ganz andere Schülerinn­en und Schüler an. Die fünf- oder jetzt sechsstufi­ge Wirtschaft­sschule ist eine Alternativ­e mit viel Praxisbezu­g zur Realschule. Die zweistufig­e

Wirtschaft­sschule ist eine Möglichkei­t für Spätstarte­r, um eine Mittlere Reife mit Zusatzqual­ifikatione­n zu erwerben. Ein Ausbau bis zu einer sechsstufi­gen Schule ist für Walter Luksch, stellvertr­etender Leiter der Berufliche­n Schulen Wittelsbac­her Land, „ganz, ganz weit weg“. Für immer ausschließ­en möchte er es aber auch nicht und dennoch auf dem Boden bleiben: „Wir sind Erde, das ist Mars.“Er sieht die Wirtschaft­sschule durch den Umzug nach Aichach gestärkt, weil dieser Standort für deutlich mehr Jugendlich­e ausgezeich­net zu erreichen ist. Das Interesse für das

neue Bildungsan­gebot in der Stadt sei schon vor der Anmeldung für September sehr groß, berichtet Luksch. Dazu komme der attraktive Neubau. Dort ist künftig Platz für drei Klassen. Neben der zehnten und elften ist das eine Integratio­nsvorklass­e, die schon seit Herbst in Aichach beschult wird.

Vor allem junge Asylbewerb­er

werden dort für den Eintritt in die Wirtschaft­sschule vorbereite­t. In Bayern gibt es rund 70 Wirtschaft­sschulen mit etwa 17.000 Schülerinn­en und Schülern. Einige sind in kommunaler Trägerscha­ft wie die bekannte Reichlesch­e Wirtschaft­sschule in Augsburg oder aber privat wie die Wirtschaft­sschule Donauwörth. Hier existiert bereits eine fünfte Klasse, sie wurde zum aktuellen Schuljahr eingeführt. Statt einer Eingangskl­asse hätten locker zwei gebildet werden können, berichtet dort die Schulleitu­ng. Insgesamt werden in der Donaustadt rund 250 Schülerinn­en und Schüler in elf Klassen unterricht­et.

Ab der neunten Jahrgangss­tufe können Ausbildung­smodule gewählt werden wie Umwelttech­nik, Gesundheit­sökonomie, Touristik oder Robotik. Also keine einseitige Ausrichtun­g auf eine kaufmännis­che Ausbildung, sondern auf viele andere Berufe.

Zu Beginn des Schuljahre­s 2026/2027 – also in knapp zweieinhal­b Jahren – steht laut Zeitplan das Gebäude für die neue Fachakadem­ie für Sozialpäda­gogik, die Berufsfach­schule für Kinderpfle­ge und die Wirtschaft­sschule auf der grünen Wiese östlich der Berufsschu­le in Aichach. Die zunächst dreistufig­e und seit 2021 zweistufig­e Schule hatte in Pöttmes immer wieder Existenzso­rgen, weil die Anmeldunge­n nicht ausreichte­n. Die Randlage und die schlechte Erreichbar­keit machten sich bemerkbar. Höchststan­d waren vor zehn Jahren 58 Schülerinn­en und Schüler. Das Lehrperson­al für die aktuell 23 Schülerinn­en und Schüler in den zwei Klassen kommt ausschließ­lich von der Berufsschu­le. Der Umzug ist auch einer grundlegen­den Änderung des Lehrplans für die Wirtschaft­sschulen geschuldet.

Die berufliche Bildung wird jetzt noch stärker betont, um sie gegenüber anderen Angeboten für den mittleren Bildungsab­schluss (Realschule, M-Zweig an Mittelschu­len) abzugrenze­n. Die Wirtschaft­sschule passt also perfekt zur Berufsschu­le.

Östlich der bestehende­n Berufsschu­le in Aichach soll aus den Modulen ein 69 mal 22 Meter großes rechteckig­es Gebäude mit zwei Vollgescho­ssen und einem zwölf auf etwa 15 Meter großen Anbau in der Mitte für neun Klassenzim­mer entstehen. Ein drittes Stockwerk für eine spätere Erweiterun­g ist möglich, wenn dies vorab statisch beim Modulbau eingeplant ist.

Aichacher Modell ist keine Alternativ­e zur Realschule.

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Foto: Matthias Balk, dpa (Symbolbild) Für die Wirtschaft­sschule im Landkreis brauchen Kinder einen Notenschni­tt von 2,66 – denselben wie für die Realschule.

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