Zwei Filmexperten und ihre Oscar-Favoriten
Branchenkenner Thomas Ganshorn aus Friedberg hat selbst schon den begehrten Preis gewonnen. Kinobetreiber Alexander Rusch aus Aichach hofft auf einen Außenseiter.
Landkreis Aichach-Friedberg Wenn in der Nacht auf Montag in Los Angeles die Oscars verliehen werden, wird auch Thomas Ganshorn vor dem Fernseher sitzen. Der gebürtige Friedberger hat 2007 selbst einen Technik-Oscar gewonnen und fiebert jetzt mit zwei Filmproduktionen mit, an denen seine Firma beteiligt ist und damit auch Software-Programme von ihm. Der Aichacher Kinobetreiber Alexander Rusch hat ebenfalls einen persönlichen Favoriten bei der Vergabe der wohl begehrtesten Filmpreise der Welt. Der 41-Jährige hofft auf einen Außenseitersieg.
Thomas Ganshorn ist erst vor wenigen Tagen aus den USA zurückgekehrt. Auch er durfte dort erneut einen bedeutenden Preis entgegennehmen. Zusammen mit drei Kollegen wurde er von der VES, der Visual Effects Society, ausgezeichnet, die besondere visuelle Effekte im Film prämiert. Die VES ist laut Ganshorn so etwas wie das Gegenstück zur „Academy of Motion Picture Arts and Sciences“(Ampas), die den Oscar verleiht. In der Branche der visuellen Effekte ist der VES-Preis der bedeutendste.
Der 46-jährige Ganshorn und seine Kollegen haben ein System entwickelt, das ein 3-D-Modell eines Schauspielers oder einer Schauspielerin herstellt, das auch nach dem Drehen jederzeit verändert werden kann. Dazu werden mit 250 Kameras 4D-Aufnahmen gemacht, die die Darsteller aus allen
Richtungen aufnehmen. Dieses sogenannte „Volumetric Capture“-Programm wurde auch bei den Filmen „The Flash“und „Aquaman 2“eingesetzt. Bei Letzterem wurden damit vor allem Unterwasseraufnahmen optimiert. Bei „The Flash“muss Schauspieler Ezra Miller viel mit seinem jüngeren Ich interagieren, was nachträglich besser abgestimmt werden kann.
Bei der jetzigen Oscar-Verleihung drückt Ganshorn den Filmen „Godzilla Minus One“und „Guardians of the Galaxy Vol. 3“die Daumen, die in der Sparte „Beste visuelle Effekte“auf Auszeichnungen hoffen dürfen. An beiden Produktionen ist die Firma Eyeline beteiligt, die mittlerweile zu Netflix gehört. Ganshorn ist bei Eyeline der Software-Chef. Doch auch in der Königskategorie „Bester Film“hat der Wahl-Münchner, der in Friedberg aufgewachsen ist und dessen
Mutter in Aindling lebt, einen Favoriten. Der Familienvater würde sich für „Barbie“entscheiden, weil der Film unsere Gesellschaft kritisch beleuchte und auch das Männerbild thematisiere.
Als „Barbie“im Juli 2023 in den deutschen Kinos anlief, startete am gleichen Tag „Oppenheimer“, der sich mit der Entstehung der Atombombe und der Rolle des Wissenschaftlers J. Robert Oppenheimer befasst. Der Film von Christopher Nolan gilt mit 13 Oscar-Nominierungen als der größte Favorit. Auch in den mittlerweile zehn Cineplex-Kinos der RuschGruppe haben diese beiden Filme die Erwartungen übertroffen. Obwohl auf den ersten Blick völlig unterschiedlich, gab es offenbar eine gegenseitige Beflügelung. „Wenn wir die zwei nicht gehabt hätten, hätte es letztes Jahr schlecht ausgeschaut“, sagt Alexander Rusch, Geschäftsführer der Kinogruppe
mit Sitz in Aichach. 1,4 Millionen Besucherinnen und Besucher kamen im Vorjahr in die Rusch-Kinos. Gut, aber steigerungsfähig, sagt Rusch.
Der 41-Jährige würde sich bei den Oscars über einen Erfolg des Films „The Zone of Interest“freuen, der in Deutschland erst kürzlich angelaufen ist. Darin wird das vermeintlich „perfekte Leben“des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß und seiner Frau Hedwig skizziert. Die deutschen Schauspieler Christian Friedel und Sandra Hüller spielen im Film des britischen Regisseurs Jonathan Glazer die Hauptrollen. Rusch weiß zwar, dass der Streifen schwere Kost ist, aber er behandle ein wichtiges, aktuelles Thema in Deutschland. In Aichach läuft der Film derzeit nicht, das soll sich aber noch ändern.
Zur Einstimmung auf die Oscar-Verleihung wurden dort zuletzt immer wieder nominierte Filme ins Programm genommen. An diesem Wochenende, 9. und 10. März, läuft jeweils um 11 Uhr der zweite Erfolgsfilm mit Sandra Hüller, nämlich „Anatomie eines Falls“. In diesem französischen Film, der die Goldene Palme von Cannes gewann, wird die deutsche Romanautorin Sandra verdächtigt, ihren Mann getötet zu haben, und muss sich vor Gericht verantworten.
Auch außer Hüller gibt es viel deutsche Beteiligung bei den diesjährigen Oscars. So konkurrieren in der Kategorie „Bester internationaler Film“neben „The Zone of Interest“für Großbritannien auch der deutsche Beitrag „Das Lehrerzimmer“und das Wim-WendersWerk „Perfect Days“, das einen japanischen Toilettenreiniger begleitet. Rusch hofft, dass die deutschen Filme dadurch auch im Ausland besser gesehen würden, was letztlich zu mehr Projekten und mehr Förderung führen könnte.
Generell gehen gerade die Deutschen laut Rusch viel zu selten ins Kino: durchschnittlich nur etwa 1,5-mal im Jahr. Der Kinobetreiber hofft auf eine Steigerung und setzt 2024 unter anderem auf diese Filme: „Dune: Part Two“, „Deadpool 3“, „Chantal im Märchenland“und „Mufasa: Der König der Löwen“. Noch Erfolg versprechender klingen allerdings die möglichen Neustarts für 2025: Bully Herbigs „Das Kanu des Manitu“, „Avatar 3“und der neue James Bond. Statt Zukunftsmusik heißt es in der Nacht auf Montag aber erst einmal: „And the Oscar goes to ...“