Vergleich im JVA-Fliesenskandal
Beim Bau des JVA-Versorgungszentrums in Aichach werden 4800 Quadratmeter Fliesen mangelhaft verlegt. Der Schaden beträgt 1,6 Millionen Euro. Nach jahrelangem Rechtsstreit steht fest, wer zahlen muss.
Der Fliesenskandal in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aichach hat es zu zweifelhafter Berühmtheit gebracht: Zweimal hat ihn der Bund der Steuerzahler in sein Schwarzbuch aufgenommen. Er kostete obendrein Nerven, Geld und Zeit: Drei Jahre später als geplant ging Anfang 2018 das am Ende 21 Millionen Euro teure Versorgungszentrum in Betrieb. Neun Jahre, nachdem die amateurhaft verlegten Fliesen auf einer Fläche von 4800 Quadratmetern wieder herausgerissen werden mussten, gibt es nun eine zivilgerichtliche Einigung. Der Streitwert betrug 1,6 Millionen Euro.
Technisch stellte das neue Versorgungszentrum, das die JVA Gablingen (Landkreis Augsburg) mitversorgt, einen Quantensprung in der Historie des vor 115 Jahren in Betrieb genommenen Gefängnisses dar. In dem dreistöckigen Gebäude wurden auf 3400 Quadratmetern Nutzfläche Großküche, Bäckerei, Wäscherei und Kantine für die Bediensteten untergebracht. Der 2012 gestartete Bau geriet ins Stocken, als eine spanische Firma, die bei der europaweiten Ausschreibung zum Zug gekommen war, die Fliesen verlegt hatte.
Denn die Fliesen lagen teilweise hohl und waren bucklig verlegt. Die Arbeiten waren derart mangelhaft, dass die Fliesen samt und sonders wieder herausgerissen werden mussten. Wer für den zunächst auf eine Dreiviertelmillion Euro geschätzten Schaden aufkommen muss, war von Anfang an strittig. Nach etwa einem Jahr Baustopp sprang der Freistaat finanziell in die Bresche, damit die Arbeiten fortgesetzt werden konnten. Anstelle der ursprünglich beauftragten Architekten übernahm das Staatliche Bauamt Augsburg die Bauaufsicht und ließ das Versorgungszentrum fertigbauen. Der Bund der Steuerzahler prangerte den Aichacher Fliesenskandal zweimal als besonders krasses Beispiel für Steuerverschwendung an.
Parallel versuchte der Freistaat per Klage, das Geld wieder einzutreiben. Am Ende war das Zivilgericht am Landgericht Augsburg zuständig für den Fall. Pressesprecherin Diana Bestler teilte nun auf Anfrage unserer Redaktion mit, dass die Beteiligten einen Vergleich geschlossen hätten: „Das Verfahren ist damit beendet.“
Schon 2019 hatte ein Zivilgericht nach dem Beweissicherungsverfahren
entschieden, dass der Freistaat den Verursachern den Schaden in Rechnung stellen kann. Das Staatliche Bauamt ließ diesen daraufhin neu berechnen und kam auf 1,6 Millionen Euro. Der damalige Leiter Ulrich Blickle vermutete schon damals: „Die werden nicht freiwillig zahlen.“Damit sollte er recht behalten. Erschwerend kam hinzu, dass die spanische FliesenFirma zunächst nicht mehr erreichbar und später restlos vom Bildschirm verschwunden war. Als weitere Verursacher galten das Architekturbüro, das das Gebäude plante und für die Bauüberwachung zuständig war, und die Firma, die den Putz aufgebracht hatte.
Die betreffenden Firmen und der Freistaat haben sich laut Pressesprecherin Bestler nun in einem Vergleich darauf geeinigt, dass der Freistaat eine Million Euro erhält. Im Staatlichen Bauamt wird diese Nachricht mit Erleichterung aufgenommen. Johannes Eisele, zuständiger Abteilungsleiter, zeigt sich zufrieden, „dass ein lange andauernder Streit mit vielen Beteiligten endlich ein Ende findet“. Zugleich betont er, dass „der Schaden und der damit verbundene Ärger für uns und vor allem für die JVA Aichach außergewöhnlich hoch war“. Zufriedenstellend ist Summe des Vergleichs für Eisele gleichwohl nicht angesichts der Schadenssumme von rund 1,6 Millionen Euro. Immerhin aber seien durch den Vergleich „alle sonstigen Aufwendungen abseits des Streitwerts abgegolten“. Der Freistaat übernimmt laut Eisele ein Drittel der Kosten, die der Rechtsstreit verursacht hat. Diese Summe sei „jedoch in der Gesamtbilanzierung untergeordnet“und belaufe sich auf eine geringe fünfstellige Höhe.
Was den grundsätzlichen Umgang
mit dem Baupfusch anbelangt, äußert sich Eisele zufrieden. Die Projektmitarbeiter des Staatlichen Bauamts hätten alles daran gesetzt, „das Versorgungszentrum trotz allen Ärgers zeitnah für die JVA in Betrieb zu nehmen. Das ist uns gelungen“. Seit nunmehr fünf Jahren leistet das Gebäude in der Aichacher Anstalt die vorgesehenen Dienste — die neuen Bodenfliesen, die anstelle der Pfuschfliesen aufgebracht wurden und tagtäglich starker Beanspruchung ausgesetzt sind, halten übrigens tadellos.