War es Mord aus Eifersucht?
Ein Zeuge, der sowohl Opfer als auch Angeklagte näher gekannt haben soll, sagt vor dem Landgericht Ingolstadt aus. Womöglich steckt hinter dem Doppelgängerinnen-Mord doch ein anderes Motiv.
„Scheiß Mörder, Alter!“, ruft der Zeuge in Richtung Anklagebank, als er in seiner schwarz glänzenden Designer-Daunenjacke in den Sitzungssaal 11 des Landgerichts Ingolstadt schlendert. Der 24-jährige Ingolstädter könnte einer der wichtigsten Zeugen im sogenannten Doppelgängerinnen-Mordprozess sein. Er sei, wie er erzählt, mit dem Mordopfer Khadidja O. liiert gewesen. Er soll aber auch mit der Angeklagten Schahraban K. eine Nacht im Hotel verbracht haben. Und den zweiten Angeklagten Sheqir K. kannte er ebenfalls. Wurde die ermordete Khadidja O. doch nicht über Social Media gesucht? Ist Furkan Y. das Bindeglied zwischen Tätern und Opfer?
Er habe Khadidja O. über einen Freund kennengelernt, zunächst über Videotelefonie, erzählt der Ingolstädter:
„Ich fand die voll hübsch.“Im Juni 2022 besuchte er sie dann gemeinsam mit diesem Freund in ihrem Heimatort Eppingen bei Heilbronn. Ab da seien sie ein Paar gewesen, hätten jeden Tag telefoniert, berichtet der Zeuge. Ein paar Wochen später kam Khadidja O. nach Ingolstadt. „Das war ernst mit uns“, sagt der 24-Jährige. Sie hätten sich verloben wollen. Khadidja O. habe sich schon nach einer Wohnung und einem Job in Ingolstadt umgesehen.
Dennoch war die Beziehung der beiden geheim. Niemand aus dem Umfeld der Getöteten wusste von Furkan Y., nicht einmal ihre beste Freundin. Aufseiten des Ingolstädters hingegen wussten durchaus einige Freunde von ihr, seine Brüder und Tanten – und er wollte sie seinen Eltern vorstellen. Vor Gericht behauptet er trotzdem, der Wunsch, die Beziehung geheim zu halten, sei nicht nur ihrer, sondern auch seiner gewesen. Dass sich
Khadidja O. in Heilbronn gleichzeitig noch mit einem anderen Mann getroffen habe, davon soll der Zeuge erst nach ihrem Tod erfahren haben.
Auch die Angeklagte soll an Furkan Y. Interesse gehabt haben. Sie lernte ihn über einen gemeinsamen Freund kennen. Gleich beim ersten Treffen bot sie dem 24-Jährigen an, bei ihr im Hotelzimmer zu übernachten, als dieser betrunken und ohne Schlüssel nicht heim ins Elternhaus wollte. Da es zwei getrennte Betten in dem Zimmer gab, sah der Zeuge darin trotz seiner Beziehung zu Khadidja O. kein Problem, wie er erklärte. Bis „Sheri“– so der Spitzname der Angeklagten – versucht habe, ihn zu küssen und „sein Ding herauszuholen“. „Geh weg!“, habe er sie angefahren und verlangt, dass sie ihn nach Hause bringe. Vor Gericht wird immer wieder die Abneigung des Zeugen gegen die Angeklagte deutlich. Mehrmals bezeichnet er sie als „hässlich“, will sie überhaupt nicht ansehen. Er habe Schahraban K. nicht von Khadidja O. erzählt, versichert der Ingolstädter.
Furkan Y. antwortet auf Fragen sehr knapp, gibt oft an, sich nicht zu erinnern. Erinnerungslücken ziehen sich wie ein roter Faden durch das bisherige Verfahren – insbesondere bei den Zeugen aus dem Ingolstädter Bekanntenkreis der Angeklagten. Nun scheinen die
Verteidiger mit ihrer Geduld am Ende zu sein. Einer von Schahraban K.’s Rechtsanwälten stellt einen Antrag auf Vereidigung des Zeugen. Die Kammer lehnt diesen allerdings ab.
Das wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten Schahraban K. und Sheqir K. vor: Sie sollen am 16. August 2022 die 23-jährige Khadidja O. getötet haben, weil die Angeklagte ihren Tod vortäuschen und ein neues Leben beginnen wollte. Zu diesem Zweck soll Schahraban K. eine Frau gesucht haben, die ihr zum Verwechseln ähnlich sah. Um eine Doppelgängerin zu finden, soll die DeutschIrakerin junge Frauen auf Social Media kontaktiert haben. Nach dem 14. Verhandlungstag stellt sich jedoch die Frage: Ist es möglich, dass die Staatsanwaltschaft mit ihrer DoppelgängerinnenTheorie falschliegt? Könnte Eifersucht das Motiv für den Mord gewesen sein?