Nach Fliegenpilz-Konsum vor Gericht
Ein 41-jähriger Mann leidet wohl unter einer Psychose und sperrt seinen Mitbewohner 14 Stunden lang ein. Zuvor hat er halluzinogene Pilze gegessen. Wie sich das auf seine Schuld auswirkt.
Aichach-Friedberg Ein 41-Jähriger aus dem Süden des Landkreises Aichach-Friedberg hatte die Tür seines Mitbewohners mit diversen Gegenständen 14 Stunden lang verbarrikadiert. Wegen Freiheitsberaubung musste sich der Mann jetzt vor dem Amtsgericht Aichach verantworten. Ob der vorherige Konsum von Fliegenpilzen und eine dadurch ausgelöste Psychose für eine Minderung der Steuerungsfähigkeit spricht, klärte sich im Verlauf des Prozesses.
Nach eigenen Aussagen hatte der Angeklagte sein Medikament gegen ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) nicht genommen. Stattdessen konsumierte er im Wald halluzinogene Fliegenpilze, die eine Psychose auslösten. Er gab an, in diesem Zustand seinen Mitbewohner als Bedrohung wahrgenommen zu haben. Er habe die Tür des 31-jährigen Mannes versperrt, um diesen am Verlassen des Zimmers zu hindern.
Das Opfer erschien nicht vor Gericht und reagierte auch auf kein Schreiben der Behörde. Eine Polizistin sagte vor Gericht aus, dass der Vater des Angeklagten die Polizei verständigt habe, weil das Opfer in seiner Not sich an ihn gewandt hatte. Er hatte als Vermieter einen Schlüssel, wollte aber offenbar nicht selber die Zimmertür öffnen. Die Beamten befreiten den Eingeschlossenen schließlich – der Täter war zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr vor Ort.
Das Opfer erzählte der Polizei, er habe den 41-Jährigen mehrmals gebeten, ihn freizulassen, um etwas zu essen und auf die Toilette gehen zu können. Er wolle keinen Ärger mit seinem Mitbewohner, deshalb habe er nicht die Polizei gerufen. Außerdem habe er Angst vor dem anderen gehabt, da dieser mehrere spitze Gegenstände besaß. Er berichtete der Polizei von einer Leiter, die an der Hauswand lehnte. Auf dieser stehend soll der Angeklagte in der Nacht zuvor mit einem Rechen gegen sein Fenster geschlagen haben, sodass er nicht schlafen konnte. Zum Hinausklettern soll die Leiter jedoch zu tief gewesen sein. Der 31-Jährige betonte noch vor Ort, er wolle keine Anzeige stellen.
Wegen Hausfriedensbruch war der 41-Jährige schon 2022 zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe
auf Bewährung verurteilt worden. Sein Bewährungshelfer Gerhard Huber erklärte, der Mann müsse aufgrund von psychischen Auffälligkeiten und Sucht behandelt werden. Er habe schon zwei Therapien durchlaufen, seit Januar sei er bei einer Präventionsstelle. „Momentan ist seine Bereitschaft, etwas zu verändern, am größten“, so Huber. Es wird nach einer stationären Unterbringung für ihn gesucht.
Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Felix Segmiller hat ein medizinisches Gutachten über den Mann erstellt. Bei diesem wurde schon im Jugendalter Schizophrenie diagnostiziert. 2019 war er erstmals wegen Suchtmittelmissbrauch in medizinischer Behandlung. 2021 schloss er seine Therapie ab, wurde jedoch wieder rückfällig. Um die Tatzeit herum war der Angeklagte nicht in Behandlung. Segmiller diagnostizierte bei dem Mann ADHS, Amphetamin-Abhängigkeit sowie Missbrauch von Alkohol und Cannabis. Aufgrund der Psychose sei der Angeklagte nur vermindert steuerungsfähig gewesen. Zulasten fallen dem 41-Jährigen laut Staatsanwältin Maria-Sophia Pfister seine Vorstrafen, aber auch der Fakt, dass die Tat nur einen Monat nach seiner letzten Verurteilung noch während der Bewährung begangen wurde. Aufgrund der hohen Rückfallquote könne die Strafe nicht mehr zur Bewährung angesetzt werden. Sechs Monate wären daher angemessen, so Pfister. Rechtsanwalt Walter Rubach als Vertreter des Angeklagten plädierte für eine Freiheitsstrafe mit Bewährungsauflage. Er halte es für sinnlos, den 41-Jährigen unbehandelt zu inhaftieren. Zudem verwies er darauf, dass das Opfer keine Anzeige gestellt hatte.
Der Angeklagte wurde letztlich wegen Freiheitsberaubung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe mit dreijähriger Bewährung verurteilt. „Sie müssen jetzt jeden Tag dranbleiben und einer Therapie zustimmen“, machte Richter Axel Hellriegel ihm deutlich.