„Wir brauchen Nahrung für die Seele durch menschliche Zuwendung“
Welche Pläne der neue Wallfahrtsdirektor Michael Menzinger für Maria Vesperbild hat, wie er künstliche Intelligenz bewertet und warum er sich nicht in Talkshows sieht.
Herr Dr. Menzinger, Sie kennen Maria Vesperbild bereits aus Ihrer Kindheit ...
Dr. Michael Menzinger: In der Tat, ich war im Rahmen des Kommunionsausflugs in Maria Vesperbild. An Details kann ich mich nicht mehr erinnern.
Sie waren in der Pfarreiengemeinschaft Aresing-Weilach im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen auch für die Wallfahrt Maria Beinberg zuständig. Hilft Ihnen diese „Wallfahrtserfahrung“bei Ihrer neuen Tätigkeit als Wallfahrtsdirektor in Maria Vesperbild?
Menzinger: Ich denke schon, dass das ein Vorteil ist. Mit dem, was eine Wallfahrt ausmacht, bin ich gut vertraut. Gleichermaßen ist in Maria Vesperbild natürlich für mich vieles neu. Es ist bemerkenswert, dass die Pilgerinnen und Pilger aus sehr vielen verschiedenen Landkreisen, ja, verschiedenen Ländern kommen. Viele Menschen kommen aus osteuropäischen Ländern hierher.
Der Wechsel nach Maria Vesperbild ist für Sie auch ein Wechsel vom Altbayerischen ins Schwäbische. Wie empfinden Sie diesen Wechsel?
Menzinger: Ich bin 1973 in Aichach geboren, das ein Jahr zuvor im Rahmen der Gebietsreform zu Schwaben kam. Die Altbayern waren damals so ein bisschen die Exoten in Schwaben. Mittlerweile ist mir Schwaben sehr vertraut. Während des Studiums war ich Praktikant bei Pfarrer Roland Buchenberg in Ichenhausen. Später war ich unter anderem Kaplan in Mindelheim und in Dinkelscherben und sieben Jahre Pfarrer in Vöhringen und Illerzell.
Welche Pläne haben Sie für den Wallfahrtsort Maria Vesperbild?
Menzinger: Menschen kennenlernen, mich mit Details wie beispielsweise Dienstplänen vertraut machen. Das prägt gerade meinen Alltag. Sehr erfreulich sind die sehr gut besuchten heiligen Messen, an Sonntagen sind weit mehr als 500 Gläubige zu verzeichnen, untertags kommen mehr als 2000 Pilger zur Grotte und zünden ein Kerzlein an – je nach Wetter. Aber natürlich sehe ich auch, dass sich die Bindung der Menschen an die Kirche aktuell insgesamt in einem freien Fall befindet.
Welche Möglichkeiten hat die Kirche, diesen freien Fall zu bremsen?
Menzinger: Ich denke, dass uns alle das Thema künstliche Intelligenz sehr intensiv beschäftigen wird. Bei allen Möglichkeiten von KI wird diese aber sicherlich in einem hohen Maß mit Anonymisierung und Entpersönlichung verbunden sein. Die Menschen werden dann zunehmend spüren, wie wichtig die persönliche und zwischenmenschliche Dimension ist. Wir brauchen Nahrung für die Seele durch Begegnung und menschliche Zuwendung. Das ist die Stunde der Kirche.
Möchten Sie die Wallfahrt in diesem Sinn weiterentwickeln?
Menzinger: Ja, die Wallfahrt bietet viele Möglichkeiten für gute Begegnungen. Weiterentwickeln möchte ich die Gottesdienste für junge Menschen. Noch intensiver nutzen möchten wir die digitalen Möglichkeiten in Kanälen wie etwa YouTube und Tiktok. Natürlich bleibt Mariä Himmelfahrt der bedeutendste Tag für Maria Vesperbild, weiterhin werden an diesem Tag hochkarätige Geistliche bei uns zu Gast sein. Das Heilige Jahr 2025 möchten wir in unserem Programm berücksichtigen. 2025 wird auch die Rückschau auf die Ursprünge der Wallfahrt im Jahr 1650 für uns ein wichtiges Thema sein.
Ihr Vorvorgänger Prälat Wilhelm Imkamp war immer wieder in Talkshows zu Gast. Wäre das auch was für Sie?
Menzinger (lacht): Eine Einladung von Lanz habe ich bislang nicht erhalten. Aber jetzt ernsthaft: Eine Talkshow, das ist kein Format, in dem ich mich sehe.
Vor Kurzem haben sich die katholischen Bischöfe bei ihrer Zusammenkunft in Augsburg deutlich gegen die AfD positioniert. Sie sprachen eine Nichtwahlempfehlung aus. Der Katholische Deutsche Frauenbund in Bayern beispielsweise hat erklärt, keine AfDFunktionäre zu Veranstaltungen einzuladen. Wie handhaben Sie dies?
Menzinger: Bislang waren die regionalen Landtagsabgeordneten aller Parteien zu Veranstaltungen nach Maria Vesperbild eingeladen. Das ist auch bei meiner offiziellen Einführung am 17. März so. Wir sollten nicht zu sehr auf die AfD schauen, wir dürfen auch mit Blick nach links
Die Wallfahrt bietet viele Möglichkeiten für gute Begegnungen.
Wichtig bleibt, dass die Politik konsequent die jeweils anstehenden Probleme löst.
und Linksextremismus politisch nicht blind sein. Wenn die AfD mittlerweile bei vielen Wahlen Ergebnisse im 15-Prozent-Bereich erzielt, dann macht man es sich zu einfach, all diese Wähler als rechtsradikal zu sehen. Wichtig bleibt, dass die Politik konsequent die jeweils anstehenden Probleme löst. Wer näher am Menschen sein will, muss das dann halt auch tun.
Aus der Wallfahrtsdirektion war wiederholt Kritik am Synodalen Weg der katholischen Kirche zu hören. Werden Sie sich selbst bei politischen und kirchenpolitischen Themen positionieren?
Menzinger: Unser Auftrag ist es, das Evangelium zu verkünden. Aber natürlich werde ich mich auch von Zeit zu Zeit in die von Ihnen genannten Themenfelder einbringen. In meiner Predigt letzten Sonntag habe ich die Verankerung einer Freiheit auf Abtreibung in der französischen Verfassung kritisch betrachtet.
Finden Sie in diesen arbeitsintensiven und bewegten Zeiten die Möglichkeit, neben Ihrer geistlichen Tätigkeit einem Hobby nachzugehen?
Menzinger: Ich lese sehr gerne, immer wieder auch Werke von Hermann Hesse, der sich mit religiösen Themen intensiv beschäftigt hat. Ein Hobby ist die Imkerei, vielleicht finde ich die Zeit, dies hier wieder aufleben zu lassen.