Aus für erhoffte Psychiatrische Tagesklinik
Eigentlich sollte 2024 Baubeginn für eine Psychiatrische Tagesklinik in Aichach sein. Doch die Bezirkskliniken Schwaben stoppen das Projekt. Das stößt nun auf viel Kritik.
Mit Entsetzen und Unverständnis haben Kommunalpolitiker und Fürsprecher in Aichach auf die Nachricht reagiert, dass in der Paarstadt jetzt doch keine Psychiatrische Tagesklinik errichtet werden soll. Die Bezirkskliniken Schwaben vermeldeten am Mittwoch in einer Pressemitteilung, dass die Pläne für die Tagesklinik mit 24 Plätzen bis auf Weiteres nicht umgesetzt würden. Die Gründe für das Aus seien neue politische und finanzielle Rahmenbedingungen, erklärte Bezirkstagspräsident Martin Sailer, der zugleich Vorsitzender des Verwaltungsrates der Bezirkskliniken ist. Landrat Klaus Metzger sprach in einer ersten Stellungnahme von „einer bitteren Medizin, die uns da heute verabreicht wird.“
Metzger äußerte sich bei einer Sitzung des Werkausschusses zu dem Thema. Er beteuerte, seitens der Kliniken an der Paar und des Landkreises sei „alles, aber auch wirklich alles dafür getan“worden, die Psychiatrische Tagesklinik nach Aichach zu holen. Die Einnahmen, die den Kliniken an der Paar (Klipa) während der Umbaumaßnahmen entgangen wären, hätte der Landkreis
den Klipa erstattet, so Metzger. Die Bezirkskliniken wollten ursprünglich die u-förmige Fläche über dem Haupteingang des neuen Aichacher Krankenhauses aufstocken. In den Neubau hätte dann auch die Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) integriert werden sollen, die seit 2020 im alten Krankenhaus untergebracht ist.
Der Verwaltungsrat der Bezirkskliniken hat aber am Dienstag beschlossen, von der Psychiatrischen Tagesklinik in Aichach Abstand zu nehmen. Als einen der Hauptgründe nannte Vorstandsvorsitzender Stefan Brunhuber mit Blick auf die Krankenhausreform: „Wir haben den Eindruck, dass kleinere Standorte von der Bundesregierung nicht mehr erwünscht sind.“Das zeige auch, dass künftig sofort Strafzahlungen drohten, sobald verbindliche personelle Mindestvorgaben nicht mehr erfüllt seien. „So viele Fachkräfte aus den einzelnen Berufsgruppen, die wir für Aichach benötigen würden, haben wir nicht“, stellte Professor Alkomiet Hasan, Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses (BKH) Augsburg und Vorstand Krankenversorgung der Bezirkskliniken klar. Personal aus anderen Kliniken für Aichach abzustellen, sei nicht möglich.
Fritz Schwarzbäcker hat als ehemaliger Vorsitzender des Vereins „Kennen und Verstehen“, der sich seit einem Vierteljahrhundert für psychisch Kranke einsetzt, lange für die Tagesklinik gekämpft. Er wähnte sich – wie viele andere Mitstreiter – fast schon am Ziel. Seit die Tagesklinik im Sommer 2022 in das Jahreskrankenhausbauprogramm des Freistaats für 2024 aufgenommen worden war, galt die letzte große Hürde als geschafft. Umso bestürzter reagierte Schwarzbäcker jetzt auf die unerfreuliche Wende. „Das kommt aus heiterem Himmel“, sagte er.
Die Gründe seien für ihn nicht nachvollziehbar und ein absolutes Rätsel, so Schwarzbäcker. Diese Entscheidung gehe völlig am riesigen Bedarf vor Ort vorbei. Er wundere sich auch über den Verweis auf die Krankenhausreform und die Bundesregierung. Seines Wissens nach unterliege die Psychiatrie der Landeszuständigkeit. Überdies hätte für den Landkreis immer gegolten, dass eine Tagesklinik kleinräumig, dezentral und gut erreichbar sein müsse. Jetzt zu argumentieren, kleinere Einheiten seien nicht mehr erwünscht, sei völlig unverständlich, findet er.
Als zweiten Hauptgrund für das Aus nennen die Bezirkskliniken Schwaben, zu denen die Bezirkskrankenhäuser als Fachkliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik gehören, die gestiegenen Kosten für das Projekt. 2022 wurde mit einer Gesamtinvestition von rund 4,3 Millionen Euro gerechnet. Die förderfähigen Kosten wurden damals mit 2,35 Millionen Euro angegeben. Diese Zahlen sind laut Pressemitteilung längst überholt. Demnach würde die Baumaßnahme nach neuesten Berechnungen etwa 6,6 Millionen Euro kosten. Zudem müssten die Bezirkskliniken jährlich eine sechsstellige Summe aufbringen, um den Verlust der Tagesklinik auszugleichen. Das zeige die Erfahrung mit einer ähnlich großen Tagesklinik, so Brunhuber.
Landrat Metzger erklärte dazu, dass er die wirtschaftliche Situation nachvollziehen könne. Das löse aber nicht das Problem der mangelhaften psychiatrischen Versorgung im Landkreis. Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann stimmte Metzger bei der Werkausschuss-Sitzung zu, dass die Versorgungslage gerade im psychiatrischen Bereich momentan „unter aller Kanone“sei. Die Kehrtwende der Bezirkskliniken sei ein absoluter Tiefschlag. Habermann wollte von Metzger wissen, ob es eine Chance gebe, irgendeinen Druck aufzubauen? Der Landrat erwiderte, dass das vermutlich nichts bringen dürfte.
Als kleines Entgegenkommen der Bezirkskliniken soll die Psychiatrische Institutsambulanz weiter ausgebaut werden. Die PIA wird stark genutzt. Sie ist die erste Anlaufstelle für Betroffene, vergleichbar mit dem Besuch einer Arztpraxis. Wer mehr als ambulante Hilfe braucht, hätte diese in der Tagesklinik finden sollen. Als Alternative könnten sich die Bezirkskliniken den Ausbau des Bezirkskrankenhauses (BKH) in Augsburg vorstellen. Dann könnten dort auch Patientinnen und Patienten aus dem nördlichen Wittelsbacher Land behandelt werden. Diese müssen bislang nach Günzburg fahren.
Für Schwarzbäcker ist das keine zufriedenstellende Lösung für den Landkreis. Es müssten jetzt alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, die Aichacher Tagesklinik doch noch zu retten. Metzger kündigte an, in Absprache mit Dr. Hubert Mayer, Geschäftsführer der Kliniken an der Paar, ein Schreiben an Bezirkstagspräsident Sailer zu verfassen.
Bürgermeister Klaus Habermann spricht von einem Tiefschlag.