Neu im Bundestag – und mit Dolmetscher
Heike Heubach verlor als Säugling ihr Gehör. Jetzt ist die SPD-Politikerin aus Stadtbergen die erste Gehörlose im Bundestag. Ihr Weg dorthin war alles anderes als einfach.
Nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 war Heike Heubach schon einmal für wenige Stunden im Bundestag. Es sah so aus, als würden die ersten 25 Kandidaten der Landesliste SPD Bayern ins Parlament in Berlin einziehen. Doch im Morgengrauen war der Traum schon wieder vorbei. Heubach stand auf Platz 24 der Landesliste für die SPD Bayern – und Plätze gab es doch nur 23. Richtig traurig sei sie an diesem Tag gewesen, schrieb sie damals unserer Redaktion. Nun ist sie wieder dort – und bleibt: Am Donnerstag ist Heike Heubach aus Stadtbergen bei Augsburg als erste Gehörlose in den Deutschen Bundestag nachgerückt. Grund dafür ist ein Umbau in der SPD-Fraktion.
Die Kommunikation mit ihren Mitstreitern oder den Medien läuft schriftlich ab – oder über Gebärdendolmetscher. Denn Heike Heubach hat bereits als Säugling ihr
Hörvermögen verloren. Sie war noch kein Jahr alt, als Ärzte das feststellten. Auslöser war vermutlich eine Mittelohrentzündung. Über Spezialschulen für Gehörlose ging die heute 43-Jährige dennoch beruflich ihren Weg, besuchte zunächst eine Wirtschaftsschule und dann eine Fachoberschule in München. Die Ernüchterung kam nach dem Fachabitur: 2500 Bewerbungen hatte sie geschrieben – und allein eine Chance auf eine Ausbildung zur Industriekauffrau bekommen. Und die nutzte sie. Heute arbeitet sie in München bei einem Energiekonzern und ist über einen Telefondolmetscherdienst auch in die Hotline des Unternehmens eingebunden.
Angefangen hat Heike Heubach in der Kommunalpolitik. Als sie für den Stadtrat ihres Heimatorts Stadtbergen kandidierte, war immer ein anderes Parteimitglied dabei, um zu dolmetschen, wenn sie von Tür zu Tür zog, um sich bei den Bürgerinnen und Bürgern vorzustellen. Für einen Gebärdendolmetscher
gibt es zudem ein bestimmtes Budget der Krankenkassen für alle Gehörlosen. Reicht das nicht aus, helfen auch schon mal ihre beiden inzwischen erwachsenen Töchter aus. Über das Gefühl, sich als Beeinträchtigte alles erstreiten und oft genug auf Gleichbehandlung pochen zu müssen, ist sie in die Politik gekommen. Dass sich hier etwas ändert, dafür möchte sie gemeinsam mit Hörenden an einem Strang ziehen.
Am Donnerstag ist Heike Heubach nun im Bundestag als Nachrückerin für die SPD-Fraktion vereidigt worden. Sie ist für den bisherigen Bundestagsabgeordneten Uli Grötsch nachgerückt, der gleichzeitig zum Polizeibeauftragten ernannt wurde. Das Amt gab es bislang nicht, jetzt soll sich der 48-jährige Oberpfälzer, selbst Polizeibeamter, um mögliche Missstände bei der Polizei kümmern. Im Koalitionsvertrag der Ampelparteien heißt es, dass damit eine unabhängige Anlaufstelle mit besonderen Rechten geschaffen werden soll. Das bezieht sich auf Akteneinsicht oder das Recht, Polizeidienststellen zu betreten, heißt es im Koalitionsvertrag weiter.
An die unabhängige Anlaufstelle können sich nicht nur Bürgerinnen und Bürger wenden, die Missstände bei der Polizei feststellen und untersuchen lassen wollen, sondern auch Polizeibeschäftigte selbst. Die Zuständigkeit von Uli Grötsch bezieht sich auf die Polizeibehörden des Bundes, also die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt (BKA) und die Polizei beim Deutschen Bundestag. Nicht eingreifen darf er, wenn es um die Polizei in den einzelnen Bundesländern geht. Uli Grötsch war jahrelang selbst bei der Bereitschaftspolizei in München, unter anderem war er im Grenzschutz tätig. Seit 2013 sitzt er im Bundestag, für sein neues Amt gibt er sein Mandat auf und macht so den Weg frei für Heike Heubach. Vorbild für das neue Amt des Polizeibeauftragten ist jenes der Wehrbeauftragten, das aktuell Eva Högl innehat.