Anästhesie-Chefarzt erhebt Vorwürfe
Weil er um die Sicherheit seiner Patienten besorgt ist, verlässt ein Chefarzt die Kliniken an der Paar. Das sagt Geschäftsführer Hubert Mayer zu den Vorwürfen.
Sein Kündigungsschreiben schickte er nicht nur an das Kollegium, sondern an mehrere Medien: Harry Kertscho, ehemaliger Chefarzt der Anästhesiologie und Intensivmedizin, hat die Kliniken an der Paar verlassen. In der Mail erhebt er schwere Vorwürfe gegen das Haus und seine Organisation. In seinem Schreiben belegt Harry Kertscho seine Entscheidung damit, dass in den Kliniken dringende strukturelle und organisatorische Änderungen nötig sind, „im Interesse der Patientensicherheit“. Huber Mayer, Geschäftsführer der Kliniken, teilte mit, man habe sich mit Kertscho einvernehmlich geeinigt, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Das Haus habe nicht nur in der fachlichen Frage mit dem ehemaligen Chefarzt unterschiedliche Auffassungen gehabt. Seine Vorwürfe seien unbegründet.
Momentan gibt es laut Kertscho keinen fachärztlichen Hintergrunddienst, der außerhalb der Kernarbeitszeiten des Personals in Rufbereitschaft ist. Das beschreibt er als schwerwiegenden Umstand. Aus haftungs- und strafrechtlichen Gründen wolle er keine Verantwortung für die Fachbereiche übernehmen, ohne sich „der konkreten Gefahr eines Organisationsund Übernahmeverschuldens auszusetzen“. In seiner Mail führt er darüber hinaus Aussagen von Fachverbänden für Anästhesiologie auf. Darin ist von zu langen Anfahrtszeiten, Vermeidung von Personalkosten und Verstößen die Rede. In einem Punkt wird konkret bemängelt, dass teils nur ein Anästhesie-Facharzt je Standort für mehrere Bereiche zuständig sei, wie OP, Intensivstation und innerklinische Notfälle. „Eine Pflichtenkollision
ist bei einer Ein-MannBesetzung quasi vorprogrammiert“, heißt es in der Mail. Gerade in Friedberg mit der Geburtenhilfe sei die Besetzung demnach kritisch.
Wie es in seinem Schreiben weiter heißt, wurde mit der Geschäftsführung über diese Punkte gesprochen, aber kein Konsens gefunden. Das bestätigte Hubert Mayer: Auch die Mitglieder
des für die Kliniken an der Paar zuständigen Werkausschusses waren über die Angelegenheit durchgehend informiert und befassten sich wiederholt damit. Mit Landrat Klaus Metzger wurden sämtliche Schritte abgestimmt. Wie Mayer sagte, stellen die Kliniken an beiden Standorten in Friedberg und Aichach sicher, dass sowohl während der Regelarbeitszeit als auch im Notfalldienst
ausreichend Fachpersonal der Anästhesiologie und Intensivmedizin vor Ort sei. Hier folge man den Leitlinien und Empfehlungen der entsprechenden Fachgesellschaften und Berufsverbände. „Zum Teil werden die Anforderungen überschritten“, teilte Mayer mit. „Aus diesem Grund kann eine sichere Behandlung, insbesondere von Schwangeren, zu jedem Zeitpunkt erfüllt werden.“Diese Auffassungen teilten auch die Chefärzte der entsprechenden Abteilungen
sowie der ärztliche Direktor.
In den vergangenen zwei Jahren, in denen Kertscho als Chefarzt in den Kliniken tätig war, hat es Mayer zufolge keine einzige zeitkritische Kollision gegeben. Andere, wesentlich größere Kliniken arbeiteten nach einem ähnlichen Modell, dort funktioniere es ebenfalls. Zu weiteren Details und Inhalten der Einigung mit Harry Kertscho wurde Stillschweigen vereinbart.