Aichacher Nachrichten

Aberwitz kennt keine Grenzen

Das Staatsthea­ter Augsburg hat sein Programm für die Saison 2024/25 vorgestell­t. Passend zum Spielzeit-Motto werden unter anderem Roboter-Ziegen zu erleben und Ballermann-Schlager in Klassik-Aufmachung zu hören sein.

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Man tritt den übrigen Sparten des Staatsthea­ters Augsburg nicht auf die Füße, wenn man dem Digitalthe­ater des Hauses den Lorbeer reicht für die wohl abgefahren­ste Produktion der nächsten Spielzeit. Unter dem kryptische­n Titel „dolci_inganni.zip“wird es nämlich ein „performati­ves Opern-Erlebnis“geben, bei dem, Zitat, „singende Ziegen (halb 3D-gedruckte Modelle, halb Roboter)“das Programm mitsamt Anklängen an Mozarts „Così fan tutte“bestreiten. Ein Stück, das obendrein perfekt zum Spielzeit-Motto der Saison 2024/25 passt, welches da lautet: „aber witzig“.

Wobei Staatsthea­ter-Intendant André Bücker in der Brechtbühn­e bei der Vorstellun­g seines achten Spielplans darauf hinweist, dass das Motto nicht nur als „Aberwitz“im Hinblick auf die Kapriolen heutiger Zeit gelesen werden wolle, sondern ebenso als „aber auch witzig“, dem Grunde nach also ernst. Ein Charakter, der Bücker zufolge so manche Produktion der neuen Spielzeit kennzeichn­et. In der Schauspiel-Sparte beispielsw­eise das Stück „Weltwärts“von Noah Haidle, wo der Ernst des Themas Sterbehilf­e eine Verbindung eingeht mit komödianti­schen Elementen.

Zeitgenöss­isches dominiert das Schauspiel in der kommenden Saison, wobei es sich dabei auch um Bearbeitun­gen alter Stoffe handeln kann wie bei der „Hildensaga“, eine Neufassung des Nibelungen­lieds, welche die Frauen in den Vordergrun­d rückt. Unter den insgesamt zehn Premieren finden sich zwei Uraufführu­ngen, beide Male Auftragsar­beiten des Staatsthea­ters an bereits vor Ort erprobte Autoren. Von Dietmar Dath stammt ein Stück rund um das Thema KI und neue Arbeitswel­t, Titel „Deine Arbeit hasst dich, weil sie dich nicht braucht“. Während Tine Rahel Völckers ihre „Gesänge vom

Überleben“als Dokumentar­theater konzipiert, das sich auf die Spuren der Zwangsarbe­iter in Augsburg während des Zweiten Weltkriegs begibt. Einziger Bühnenklas­siker in neuer Inszenieru­ng ist Ibsens Schauspiel „Nora oder Ein Puppenheim“.

Auch die Musiktheat­er-Sparte wartet in der kommenden Spielzeit mit einem üppigen Programm mit neun Premieren auf, zwei mehr als

2023/24. Auch hier eröffnet Zeitgenöss­isches die Spielzeit – Moritz Eggerts „Die letzte Verschwöru­ng“hat in Augsburg seine deutsche Erstauffüh­rung – , auch hier gibt es zwei Uraufführu­ngen. Dennoch hat der Stücke-Kanon hier stärkeres Gewicht mit Rossini („La Cenerentol­a“), Verdi („Un ballo in maschera“) und Mozart („Così fan tutte“). Anders als im diesjährig­en Sommer wird die Freilichtb­ühne

2025 keine Oper bieten, das Musical hat wieder den Vortritt mit Lloyd Webbers „Evita“.

Als Ballettpro­duktion, die einer schillernd­en Künstlerfi­gur gewidmet ist, versteht sich „Frida“, gewidmet der mexikanisc­hen Malerin Frida Kahlo. Die von Ballettdir­ektor Riccardo Fernando entwickelt­e Choreograf­ie will nicht nur mit Tanz und Musik aufwarten, sondern auch mit Gesang und

Sprechpass­agen. Mit vier Premieren fällt die Zahl der Neuprodukt­ionen – darunter „Made for Two reloaded“, ein von neun Choreograf­innen und Choreograf­en entworfene­r Duett-Abend – in der Ballettspa­rte etwas kleiner aus als üblich. „Dimensions of Dance“gibt es diesmal nicht in neuer Ausgabe, sondern als Wiederaufn­ahme von „Part 5“aus der noch laufenden Spielzeit.

Apropos Wiederaufn­ahmen: Nicht mehr nur das Ballett kann mit lange im Voraus ausgebucht­en Vorstellun­gen aufwarten. Das Schauspiel „Frankenste­in“, gerade aus der Taufe gehoben, ist für den Rest der Spielzeit auch schon komplett verkauft, wird aber 2024/25 wieder zu sehen sein.

Die Augsburger Philharmon­iker präsentier­en in ihrer Sinfonieko­nzert-Reihe acht Programme, im letzten von ihnen einen Orchester-Parforce-Ritt mit Strawinsky­s „Le sacre du printemps“. Generalmus­ikdirektor Domonkos Héja macht ferner wieder mit Musik aus Ungarn bekannt, neben Bartóks 3. Klavierkon­zert ein Klavierkon­zert des komponiere­nden Dirigenten Antal Doráti. Artist in residence ist kommende Spielzeit Olivia Steimel, Virtuosin auf dem Akkordeon.

Bleibt noch die Sparte Nummer fünf, das Digitalthe­ater. Nebst dem schon eingangs erwähnten Roboter-Ziegen-Mozart wird es unter anderem eine VR-BrillenPro­duktion von E.T.A. Hoffmanns Schauerges­chichte „Der Sandmann“geben sowie ein „hybrides Schauspiel“zu einem Text von Sybille Berg, „Wonderland Ave“, ein Stück über das Ende des „humanen Kapitals“im Zeitalter der superschla­uen Maschinen. Ein Stück, wie es heißt, in dem sich der Ernst mit dem Heiteren mischt. Das ist es wieder, das Spielzeitm­otto.

„Aber witz“: Wenn diesbezügl­ich dem Digitalthe­ater der Spitzenpla­tz zukommt, folgt das Musiktheat­er scharf hinterdrei­n. „Exportschl­ager“lautet der Titel einer Uraufführu­ng, deren Urheber der dem Youtube-Publikum wohlbekann­te Simon Mack ist. Ein Musiker, der sich darauf versteht, Ballermann-Klassiker wie „Geh mal Bier holen“in ein klassisch-musikalisc­hes Gewand zu kleiden. Mit „Exportschl­ager“soll für das Staatsthea­ter nach dieser Methode „ein deutsches Singspiel“entstehen. „Aber witz“, ist man versucht zu sagen, kennt keine Grenzen.

 ?? Foto: Jan-Pieter Fuhr ?? Mal ernst, mal (aber)witzig, diesen Spagat versucht das Staatsthea­ter Augsburg in seinem Programm der Spielzeit 2024/25. Unter den Wiederaufn­ahmen mit dabei: das Schauspiel „Frankenste­in“(Bild).
Foto: Jan-Pieter Fuhr Mal ernst, mal (aber)witzig, diesen Spagat versucht das Staatsthea­ter Augsburg in seinem Programm der Spielzeit 2024/25. Unter den Wiederaufn­ahmen mit dabei: das Schauspiel „Frankenste­in“(Bild).

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