Waldschulheim kämpft mit vielen Herausforderungen
Das Waldschulheim Indelhausen hat schon viele Umbrüche erlebt. Jetzt wird es durch Corona wieder vor Herausforderungen gestellt. Auch die Flüchtlingskrise hat Spuren hinterlassen.
Indelhausen. Im Waldschulheim lernen Kinder und Jugendliche viel über den Wald und die Forstarbeit. Doch Corona-Vorgaben sorgen für Probleme, das Haus muss modernisiert werden und auch die Flüchtlingskrise hinterließ Spuren.
Seit dem Jahr 1977 ist das ehemalige Schulgebäude in Indelhausen ein Waldschulheim. Die Belegung durch Schulklassen war immer sehr gut: „Wir waren stets ein Jahr vorher ausgebucht und können jährlich rund 8000 Übernachtungen verzeichnen“, erzählt Elmar Birnbickel, seit 20 Jahren Leiter des Waldschulheims. Unter den Besuchern auch viele Stammgäste, wie etwa der Christliche Verein junger Menschen (CVJM) und Schulen, mit denen eine Kooperation besteht.
Doch dann kam die Flüchtlingswelle. Der Landkreis Reutlingen mietete das Waldschulheim vom Land als Eigentümer an und brachte darin von Dezember 2015 bis Juli 2016 – länger, als ursprünglich geplant – 76 geflüchtete Menschen unter. „Sonst haben wir klassisch im Winter sechs
Wochen belegungsfrei. Zuerst sollten wir nur in dieser Zeit Asylsuchende aufnehmen“, so Birnbickel. Als dann klar war, dass es doch länger geht, mussten Buchungen von Schulklassen und Gruppen abgesagt werden. Für Birnbickel ein „Einschnitt“, der bis heute Auswirkungen hat. Denn Stammgäste suchten sich ein Ausweichquartier und blieben auch in den Folgejahren weg.
Ein Verlust von zehn bis 20 Prozent, der „spürbar ist“. Das ganze Team sei mit der neuen Aufgabe überfordert gewesen: „Mit unserem angestammten Personal konnten wir die Versorgung der Flüchtlinge nicht stemmen.“Deshalb übernahm eine Zeitarbeitsfirma diesen Part und die Hauswirtschafterinnen des Waldschulheims arbeiteten mit. Erwachsene bekamen Deutschunterricht, nebenher mussten Kinder betreut werden. Birnbickel konnte zum Glück auf Sozialarbeiter vom Landratsamt und ehrenamtliche Helfer zählen. Nach und nach wurden die erwachsenen Geflüchteten zu Waldeinsätzen mitgenommen, sie konnten sich hier ein Taschengeld verdienen.
Bis zu den Sommerferien 2016 waren alle untergebrachten Asylsuchenden ausgezogen, dann wurde alles wieder auf Regelbetrieb umgestellt. „Es war überraschend wenig Aufwand, den Originalzustand wieder herzustellen. Heute erinnert nicht mehr viel an diese Zeit, außer ein Hinweisschild auf Englisch und Arabisch, zwei Turnschuhe auf der Pergola und ein Ölbild vom Waldschulheim, das ein Syrer in unserem Auftrag gemalt hat.“
Birnbickel spricht von einer „besonderen und eindrucksvollen Zeit“, reich an menschlicher Erfahrung. Man habe versucht, auch nach der Abreise Kontakt zueinander zu halten und treffe sich jährlich zu einem Sommergrilltag. Zum Schuljahrsbeginn kamen dann wieder die angemeldeten Schulklassen, doch die Übernachtungszahlen von vor der Flüchtlingsunterbringung konnten nicht wieder erreicht werden. „Wir sind ein älteres Haus. Zwar super gepflegt, aber doch nicht mehr modern“, sagt Birnbickel und verweist darauf, dass dringend etwas getan werden muss.
Der Landesbetrieb Forst Baden-Württemberg ist Träger des Waldschulheims, das Land BadenWürttemberg
somit zuständig für
Sanierung. Ob sich diese allerdings rechnet, ist fraglich. Eine Bedarfsanmeldung wurde gestellt, unklar ist jedoch, ob sich das Land für eine Sanierung oder einen Neubau entscheiden wird. Und jetzt auch noch Corona.
Die Pandemie hat das Waldschulheim von jetzt auf nachher voll aus dem eingespielten Regelbetrieb gerissen. Ein Schullandaufenthalt mit einer Dauer von rund zwölf Tagen und zwei Schulklassen gleichzeitig ist derzeit nicht möglich. Eigentlich wären die Schüler zu dieser Zeit jeden Vormittag mit den Forstarbeitern im Wald, um Bäume „von der Geburt bis zu ihrem Tod“zu begleiten. Denn Jugendliche werden in die ganz normale Betriebsarbeit mit eingebunden: sie machen bei der Jungbestandspflege und beim Verbissschutz mit, bauen Zäune auf und ab, entasten Wertholzbäume und sind bei der Holzernte dabei, stellen Hochsitze her und betreiben Landschaftspflege in Wacholderheiden und Biotopen.
„Alles, was im Revier ansteht. Im Gegenzug erhalten sie einen günstigen Aufenthalt“, erklärt
Birnbickel. Dabei handelt es sich aber nicht um Arbeit im rechtlichen Sinn, sondern um ein Forstpraktikum mit leichten Tätigkeiten. Auch für die vierten Klassen wurden Walderlebnistage eingeführt, die sehr gut angenommen wurden. „Diese praktischen Tätigkeiten in der Natur sind sehr wichtig. Denn motorische Fertigkeiten gehen immer mehr zurück.“
Zwar wurde der Schulbetrieb nach den Pfingstferien wieder aufgenommen, Schullandheimaufenthalte waren vom Kultusministerium jedoch bis zu den Sommerferien untersagt worden. Also mussten Ideen her. Forstwirtschaftsmeister Stefan Brändle arbeitete während des Stillstands in der Werkstatt und am Haus, die Frauen aus der Hauswirtschaft erklärten sich bereit, bei den Forstbetriebsarbeiten mitzuhelfen. Die beiden jungen Mitarbeiter im Freiwilligen Ökologischen Jahr beschäftigten sich mit Projektarbeiten und kümmerten sich um einen neuen Internetauftritt.
„Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“, sagt Birnbickel. Doch auch jetzt nach den Sommerferien bleiben die Schulklassen fern, weil sie „keine mehrtägigen außerunterrichtlichen Klassenfahrten“unternehmen dürfen. Tendenziell, so betont der Waldschulheimleiter, sei jedoch ein mehrtägiger Aufenthalt in verschiedenen Varianten in Form eines Forstpraktikums möglich. Außerdem könnten Klassen auch nur die Tage im Wald und die Nächte zu Hause verbringen. Dafür wurde ein umfangreiches Hygienekonzept erstellt.
Darüber hinaus besteht das landesweite Angebot der Forstbezirke und Unteren Forstbehörden, Schulen mit dem mobilen Waldpädagogikanhänger, der „Waldbox“, zu versorgen, so dass auch ein Besuch des Waldschulheimteams am Schulort möglich ist. „Corona hat gezeigt, dass unser Lebensstil auf den Prüfstand muss und dafür hat das Waldschulheim eine Nachhaltigkeitswoche konzipiert“, sagt Birnbickel. Waldpädagogik sei wieder möglich und ein wichtiger Bestandteil der Bildungslandschaft.
Wir sind ein älteres Haus. Zwar super gepflegt, aber doch nicht mehr modern.
Elmar Birnbickel
Leiter des Waldschulheims
Corona hat gezeigt, dass unser Lebensstil auf den Prüfstand muss.