Rapper löst Krise aus
Die Dankesrede eines südkoreanischen Musikers bringt Millionen seiner Fans in China in Rage. Es droht ein Boykott.
Peking. Die nationalistische Wut des chinesischen Internet-Mobs kann nur allzu leicht erzürnt werden. 2019 traf es die US-Basketball-Vereinigung NBA. Deren Übertragungen wurden im chinesischen Fernsehen kurzerhand abgesetzt, nur weil sich ein Spieler auf Twitter mit den Demonstranten in Hongkong solidarisierte. Diese Woche hat die öffentliche Entrüstung ein neues Opfer gefunden: die für Südkorea immens wichtige K-Pop-Branche.
Der Anlass ist für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar: Als BTS, die derzeit wohl erfolgreichste Band der Welt, einen Award von der „Korea Society“mit Sitz in New York für ihren Beitrag zur amerikanisch-südkoreanischen Freundschaft annahm, hielt Rapper RM eine folgenschwere Dankesrede: „Wir werden für immer an die Opfer erinnern, die unsere beiden Nationen erbracht haben“. Damit spielte er auf den Koreakrieg (1950-53) an, den die USA und Südkorea Seite an Seite bestritten haben. Aber:
China, wo die Band Millionen Fans hat, kämpfte vor 70 Jahren auf der Gegenseite zusammen mit Nordkorea. In der Volksrepublik wird jener Konflikt bis heute offiziell als „Krieg gegen die US-Aggressionen“betitelt.
Dementsprechend tief in ihrem nationalen Stolz verletzt zeigten sich die chinesischen Fans. „Sie sollten kein Geld mehr in China machen“, schrieb ein erboster Nutzer auf der Plattform Weibo. Oder: „Fast 200 000 chinesische Soldaten starben in dem Krieg. Daran muss sich jeder Chinese erinnern“. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich der Zorn über Hashtags, Video-Blogs und Zeitungsartikel.
Werbekampagnen fallen flach
Nur Stunden später sah sich sowohl Samsung, Südkoreas größtes Unternehmen, als auch Hyundai und der Sporthersteller Fila dazu gezwungen, ihre Werbekampagnen mit BTS in China zurückzuziehen – ohne jedoch die Hintergründe dafür bekanntzugeben.
Gleichzeitig hat ein chinesischer Streaming-Dienst die Alben von BTS komplett aus seinem Sortiment genommen.
In Südkorea weckt die sich anbahnende Boykottbewegung dunkle Erinnerungen, schließlich wurde der Tigerstaat schon einmal das Opfer chinesischer Vergeltung: Als die US-Amerikaner vor vier Jahren eine Raketenabwehr auf südkoreanischen Boden installierten, verhängte China ein Visa-Verbot für Gruppenreisen nach Südkorea. Die Tourismusbranche wurde erschüttert. Südkoreas gesamte Wirtschaft ist massiv von China abhängig, das Reich der Mitte ist der größte Handelspartner.
Zum aktuellen Skandal gab sich am Montag Zhao Lijian, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, betont diplomatisch: „Wir alle sollten unsere Lehren aus der Geschichte ziehen und in die Zukunft blicken“. Doch die Wut der chinesischen Konsumenten wird gezielt von den staatlichen Medien befeuert.